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Verbot von rassistischen Bildern auf der Wiesn: Oktoberfest-Chef Baumgärtner lenkt ein

Einige Fahrgeschäfte auf der Wiesn fallen durch eindeutig rassistische und sexistische Bilder auf – und das bereits seit Jahren. Die Stadt München ist sich im Umgang damit uneins. Die AZ hat mit Betroffenen gesprochen. Nun lenkt auch der Wiesn-Chef ein.
von  Jan Krattiger, Christina Hertel
Der Stand mit diesem Bild, auf dem ein Schwarzer einer Frau unter das Dirndl schaut, ist ein häufiger Gast in München – auf der Wiesn und der Auer Dult.
Der Stand mit diesem Bild, auf dem ein Schwarzer einer Frau unter das Dirndl schaut, ist ein häufiger Gast in München – auf der Wiesn und der Auer Dult. © Heinz Gebhardt

München - Noch ist es einige Monate hin, bis die Zelte und Fahrgeschäfte wieder auf der Theresienwiese aufgebaut werden. Und dennoch ist erneut ein hitziger Streit darüber entbrannt, was auf die Wiesn gehört und was nicht.

Konkret geht es um rassistisch überzeichnete Bilder von Schwarzen Menschen und Bilder von Frauen als kaum oder gar nicht bekleidete Sexobjekte mit riesigen Brüsten und Hintern. Die gibt es an einigen Fahrgeschäften zu sehen, und das bereits seit Jahren (AZ berichtete).

Wie rassistisch ist die Wiesn? Das sagen Betroffene

Wer bisher zu diesen rassistischen und sexistischen Darstellungen auf dem Oktoberfest noch nicht zu Wort kam, sind Betroffene. 

Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V. (ISD) hat eine klare Haltung dazu: "Die Bilder sprechen Bände und lassen keinen Zweifel offen, dass das rassistisch ist".

Er stelle sich immer wieder die Frage, warum nicht mit NGOs und Organisationen von Betroffenen gesprochen wird, wie man "mit solchen vermeintlichen Traditionen umgehen soll". Das treffe auch nicht nur auf antischwarzen Rassismus, sondern auch auf sexistische und antisemitische Praxen zu. 

Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V..
Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V.. © privat

"Diese Dinge sollen vom Oktoberfest verschwinden"

"Es geht nicht, dass weiße Menschen immer noch definieren, was rassistisch ist und was nicht", sagt Della. Man blende aber auch aus, in welcher Tradition diese Bilder stehen: "Sie stammen zum Teil aus der Zeit der Völkerschauen, wo afrikanische Menschen wie Zootiere ausgestellt wurden". Um das zu erkennen, müsse man sich auch mit dem Thema beschäftigen.

Sein Wunsch, wie die Stadt mit diesen Bildern umgehen sollte, ist einfach formuliert: "Dass die Kritik der vielen Akteure ernst genommen wird und auch Konsequenzen gezogen werden." Della wünscht sich "starke Signale von Verantwortlichen, dass sie sich umfassend damit beschäftigen. Damit diese Dinge vom Oktoberfest verschwinden."

"Es wäre doch schön, wenn München tatsächlich weltoffen und bunt wäre"

Noch deutlicher wird Pia Chojnaki von der Partei Die Urbane: "Ich hasse die Wiesn", sagt sie. "Es gibt überall Rassismus und Sexismus und sie ist deswegen kein Platz, wo ich mich gerne aufhalte."

Pia Chojnacki von der Partie "Die Urbane".
Pia Chojnacki von der Partie "Die Urbane". © privat

Für Chojnaki gibt es verschiedene Gründe dafür: "Der Stammtischrassismus, die Bilder, die für die meisten kein Problem darstellen, die aber sehr stigmatisierend und rassistisch sind und die für Betroffene sehr wohl ein Problem darstellen. Ich persönlich werde zum Beispiel immer wieder daran erinnert, stets fremd im eigenen Land zu sein". Für weiße Menschen, die von Rassismus positiv betroffen sind, sei das alles nicht so schlimm.

Aber für Betroffene sieht es anders aus: "Es gibt viele, die genau deswegen keine Lust haben, auf die Wiesn zu gehen. Es wäre doch schön, wenn München tatsächlich weltoffen und bunt wäre, und sich nicht nur so präsentiert". 

Rassismus und Sexismus auf der Wiesn: Das sagt die Bürgermeisterin

Bereits im vergangenen Juli hatte die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) gegenüber der AZ und jetzt erneut gegenüber der "Bild" bekräftigt, dass sie solche rassistischen und sexistischen Darstellungen sehr kritisch sieht. "Ich will nicht, dass Kindern dort das Bild vermittelt wird, dass Frauen Lustobjekte sind, denen man schon mal den Rock hochziehen könne. Ich finde das inakzeptabel", so Habenschaden.

Jetzt schlägt sie in einem Facebook-Post vor, dass die Stadt "Schausteller*innen finanziell unterstützt, wenn sie ihre Fahrgeschäfte umgestalten möchten". Sie schreibt außerdem, dass es ihr nicht um die Bilder von nackten Frauen am Fahrgeschäft "Top Spin" gehe. Das sei eine Ablenkung der CSU. "Ich will nicht, dass Mädchen und Frauen sexuell belästigt werden und das dann in Bildern zur Kunst verklärt wird", erklärt Münchens Zweite Bürgermeisterin.

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Für diesen Vorschlag erhält Habenschaden nun auch Zustimmung von unerwarteter Seite: Die CSU-Landtagskandidatin Susanne Hornberger sagt der AZ: "Dieses Bild ist für mich keine Kunst, es ist rassistisch und sexistisch. Man muss die vielen Frauen ernst nehmen, die auf der Wiesn sexuell belästigt werden. Deshalb hört bei solchen Darstellungen jeder Spaß auf." Auch sie spricht sich dafür aus, dass die Stadt die Schausteller finanziell unterstützt, um die Bilder zu übermalen.

Künstler kann sich vorstellen, Motive zu übermalen

Doch wer könnte das Übermalen der Motive übernehmen? Auf AZ-Anfrage zeigt sich Melander "Lando" Holzapfel vom Münchner Verein Urbane Kunst, der bereits viele Graffiti-Projekte in guter Zusammenarbeit mit der Stadt realisiert hat, interessiert an der Idee und möchte dazu mit der Zweiten Bürgermeisterin in Kontakt treten.

Einmal mehr hatte Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) in der Vergangenheit betont, dass er von den geforderten Verboten nichts hält. Er sehe es nicht als Aufgabe der Stadt, "Musik- und Kunstpolizei zu sein", sagte er schon vergangenes Jahr zur AZ. Auch zuletzt bekräftigte Baumgärtner immer wieder, dass die Darstellungen nicht verboten werden sollten.

Verbot von rassistischen Bildern? Wiesn-Chef lenkt ein

Nun scheint der Wiesn-Chef allerdings einzulenken. Am Donnerstag teilte er via Instagram-Video mit, dass die Bilder auf der Wiesn "schlicht keinen Platz" hätten. "Deswegen werden wir dafür eine vertretbare Lösung finden", erklärte der CSU-Politiker weiter.

Baumgärtner sei laut eigener Aussage betroffen, "wenn mir im Zusammenhang mit meinen Äußerungen dazu unterstellt wird, ich würde Rassismus und Sexismus generell und vor allem auch auf der Wiesn tolerieren". Der Wiesn-Chef stellt klar: "Finde ich solche Bilder gut? Nein. Finde ich sie geschmacklos? Ja."

Wie besagte "vertretbare Lösung" aussehen wird, ist allerdings noch nicht klar – konkreter wird Baumgärtner in seinem Video-Statement nicht.

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

Warum die Diskussion jetzt erneut aufkommt? Aktuell sorgt der Betreiber des Fahrgeschäfts "Top Spin Fresh" für Schlagzeilen, an dem solche Bilder zu sehen sind. Zur "Bild" sagte Betreiber Manfred Zehle, er werde das Fahrgeschäft verkaufen. Es sei der "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen" bringe, dass grüne Politiker das Verbot solcher Darstellungen forderten. Er nennt aber auch allgemein überbordende Bürokratie und Regulierungen als Grund, warum er das Geschäft aufgebe.

Ein konkretes neues Verbot dieser Darstellungen gibt es aktuell allerdings nicht. Auch wenn die bestehenden Betriebsbestimmungen explizit Rassismus, Antisemitismus, Nazi-Symbolik und Gewaltverherrlichung verbieten – seit Jahrzehnten sind solche und ähnliche Bilder an Fahrgeschäften zu sehen.

Christian Springer: Das ist "zündeln am rechten Rand"

Am Sonntag schaltete sich auch der Münchner Kabarettist Christian Springer in die Debatte ein. Er sagt: "Die Einlassungen von Clemens Baumgärtner und manchen Budenbesitzern sind weltabgewandt und zündeln am rechten Rand." Springer fordert deshalb, das "Gerede von 'Kein Rassismus auf der Wiesn' muss endlich durch Taten umgesetzt werden".

Bis zur Wiesn dauert es noch 141 Tage (Stand: Donnerstag, 27. April). Genug Zeit also, um in aller Breite eine Diskussion darüber zu führen, wie rassistisch und sexistisch das Oktoberfest ist.

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Vielleicht gibt dieser statistische Fakt vom vergangenen Oktoberfest noch einen kleinen Hinweis darauf: Das mit Abstand am häufigsten gespielte Lied 2022 war "Layla" – ein Lied also, das bilderbuchmäßig frauenverachtende Klischees zelebriert.


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