"Es wird existenzbedrohend" – Münchner Taxler schlagen nach Mindestpreis-Entscheidung Alarm

Grün-Rot wollte Mindestpreise für die Taxi-Konkurrenz von Uber & Co. einführen. Kurz vor dem Entscheid kippt die SPD erneut um. Wütende Taxler demonstrieren am Dienstag am Rathaus.
von  Jan Krattiger
Die Taxler wurden am Dienstagmorgen auf dem Marienplatz mit ihrer Kritik an Oberbürgermeister Dieter Reiter sehr deutlich.
Die Taxler wurden am Dienstagmorgen auf dem Marienplatz mit ihrer Kritik an Oberbürgermeister Dieter Reiter sehr deutlich. © privat

Münchens Taxler sind sauer und das soll vor allem OB Dieter Reiter (SPD) spüren. Am Dienstagmorgen kommen darum etwa 300 von ihnen zu einer spontanen Kundgebung vor dem Rathaus zusammen. Einige haben laut der Polizei ihre Taxis auf dem Weg zum Marienplatz stehen lassen, zum Teil mitten auf der Straße.

Auf ihren Schildern ist "Fairer Wettbewerb statt Sozialdumping" und "Uber, Lobby, Reiter" zu lesen. Auf anderen Plakaten ist der OB höchstpersönlich abgebildet, versehen mit dem Spruch "Wer hat uns verraten?".

Kritik an OB Reiter: Münchner Taxler fühlen sich von der Stadtspitze verraten

Bei der Lautstärke des Protests – das Pfeifkonzert ist geradezu ohrenbetäubend – ist sicher: Reiter muss die Taxler hören. Trotzdem kommt er der konstant wiederholten Parole „Dieter raus!“ nicht nach. Dafür gehen einige der Demonstranten kurzzeitig rein in den Innenhof des Rathauses. Als sie die Kundgebung gegen 12 Uhr beenden, kündigen die Versammlungsleiter bereits die nächste Demo für den folgenden Tag an.

Die Taxifahrer liessen alles stehen und liegen, zeitweise war auch der Taxifunk aus.
Die Taxifahrer liessen alles stehen und liegen, zeitweise war auch der Taxifunk aus. © privat

Der Grund für ihre Wut: Noch am Freitag bestätigte eigentlich Micky Wenngatz, SPD-Stadträtin und stellvertretende Chefin der Taxikommission, der AZ, dass der Stadtrat am Dienstag für die Taxi-Konkurrenz von Uber und Co. einen Mindestpreis einführen wird. „Wir glauben, dass nur so gewährleistet werden kann, dass es keine prekären Arbeitsverhältnisse bei Mietwagen gibt“, sagte sie zur AZ.

Den Vorschlag, diesen Mindestpreis für Mietwagen einzuführen, haben Grüne und SPD vergangenen Sommer gemeinsam in den Stadtrat eingebracht. So sollte die harte Konkurrenz gegenüber den Taxis etwas entschärft werden, die einen solchen Mindestpreis bereits haben.

Bedenken von OB Reiter: Stadtrat führt keinen Mindestpreis ein für Uber & Co.

Die Entscheidung dazu war schon im April vorgesehen doch Oberbürgermeister Dieter Reiter äußerte in einem Interview Bedenken.

Rund 300 Taxler demonstrieren am Marienplatz.
Rund 300 Taxler demonstrieren am Marienplatz. © privat

Am Montagabend dann kursierte plötzlich ein Änderungsantrag, den die SPD gemeinsam mit der CSU eingebracht hat – und der dann am Dienstag auch so beschlossen wurde.

Statt dem Mindestpreis beschließt die Stadt, mit den Anbietern wie Uber lediglich eine freiwillige Vereinbarung abzuschließen, dass diese einen gewissen Preiskorridor einhalten werden.

Wenn die Unternehmen diese Vereinbarung bis in einem Jahr nicht unterzeichnen, soll erneut der Mindestpreis im Stadtrat diskutiert werden.

"Gelinde gesagt naiv": Grüne kritisieren SPD-Absage zum Mindestpreis

"Die Vorstellung, mit Uber und Co. faire Löhne verhandeln zu können, ist gelinde gesagt naiv", sagt dazu Sibylle Stöhr, die Grünen-Stadträtin und Vorsitzende der Taxikommission. Hinter dem Umschwenken der SPD vermutet Stöhr "große Kampagnen" von Uber, die viele Kunden und "offenbar auch den Oberbürgermeister und einige Mitglieder des Stadtrats" verunsichert hätten.

Ähnlich kritisch die Worte der Stadträtin Marie Burneleit (Die Partei): "Ideenloser kann die Politik des OBs nicht mehr werden", findet sie.

OB Reiter erklärt sein erneutes Umschwenken nach dem ersten im April damit, dass es richtig sei, "keinen Schnellschuss zu probieren, sondern sich ausführlich um die gesamte Tarifstruktur zu kümmern und zu überdenken, was man verbessern kann".

Seine "Lieblingslösung" sei es, "für beide Bereiche die Gebühren nicht zu verteuern".

"Freiwillige Vereinbarung hat sich bewährt": Mietwagen-Plattform erfreut über Entscheidung

Sehr erleichtert über die Entscheidung im Stadtrat zeigt sich hingegen der Taxi-Konkurrent "Bolt". Eine "freiwillige Vereinbarung hat sich in anderen Städten als wirksames Instrument für vertrauensvolle und transparente Zusammenarbeit bewährt", schreibt eine Bolt-Sprecherin.

Anders als Uber und "Bolt" positioniert sich der Fahrdienstanbieter "Freenow" für einen Mindestpreis: "Plattformen tragen Verantwortung - auch für die Menschen, die für sie fahren. Wer dauerhaft unter dem Kostenniveau vermittelt, handelt nicht zukunftsfähig", sagt Freenow-Chef Alexander Mönch.

"Dieter Reiter hat versagt": Taxler stinksauer auf Münchner Oberbürgermeister

Und die Taxler? Die fühlen sich "verraten von einem Bürgermeister, der eingeknickt ist vor dem Lobbydruck von Uber", sagt Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi. "Heute war Rückgrat gefragt und Dieter Reiter hat versagt". Der Oberbürgermeister habe sich als „Uber-Bürgermeister entpuppt“.

Andreas Utech-Jauris ist seit 25 Jahren im Taxigeschäft.
Andreas Utech-Jauris ist seit 25 Jahren im Taxigeschäft. © jk

Andreas Utech-Jauris ist seit 25 Jahren im Taxigeschäft tätig und am Dienstag am Marienplatz: "Es wird existenzbedrohend, weil wir nicht gleich behandelt werden", sagt er.

Samina ist Nachttaxlerin in München
Samina ist Nachttaxlerin in München © jk

Die Nachttaxlerin Samina stimmt ihm zu und befürchtet: "Wenn Uber das Monopol bekommt, bestimmt Uber die Höchstpreise. Dann fährt nur noch Uber."

Redaktionelle Mitarbeit: Johanna Kippe

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