Interview

"Geht mir nicht darum, das Geschäft kaputtzumachen": OB-Kandidat Baumgärtner zum Späti-Zoff in München

Der frühere Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) will Münchner Oberbürgermeister werden. In der AZ erklärt er, warum er über das Bier-Verbot im Uni-Viertel nicht froh ist, warum München mehr Kameras braucht und was er für Autofahrer tun will.
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Felix Müller
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Der CSUler Clemens Baumgärtner (49) will Münchner OB werden.
Der CSUler Clemens Baumgärtner (49) will Münchner OB werden. © Daniel Loeper
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AZ: Herr Baumgärtner, wann haben Sie sich zuletzt ein Bier bei einem Späti geholt?
CLEMENS BAUMGÄRTNER: Das war an der Reichenbachbrücke. Aber wann? Nicht die letzten zwei Wochen. Ich habe trotzdem Verständnis dafür, dass es Menschen gibt, die keine 4,50 Euro im Biergarten für eine Halbe bezahlen wollen, sondern 2,50 Euro am Kiosk.

Im Uni-Viertel dürfen Spätis kein Bier mehr nach 22 Uhr verkaufen. Zuvor hat die CSU zu viel Lärm und Müll beklagt und Maßnahmen gefordert. Haben Sie das KVR vor sich hergetrieben? Freuen Sie sich jetzt?
Um eines klarzustellen: Es geht mir nicht darum, den Spätis das Geschäft kaputtzumachen oder das Feiern zu verbieten. Aber die Anwohner, die erst in der Früh um drei ihren Schlaf kriegen, hatten bis dahin keine Lobby. Dass jetzt sogar der Verkauf von Chips verboten wurde, ist absurd. Aber es scheint wohl Lage des Gesetzes zu sein. Und wenn die Spätis ihr Geschäft auf ein in Teilen unzulässiges Geschäftsmodell gestützt haben, dann ist das nicht schützenswert.

Also haben Sie Verständnis für das KVR?
Nein, für das KVR habe ich kein Verständnis. Wir wollten nicht auslösen, dass in einem Studentenviertel das Feiern verboten wird, sondern dass man auch an die Anwohner denkt. Verbote wären für mich die Endstufe gewesen. Vorher hätte man den Späti-Betreibern sagen müssen: Kümmert euch darum, dass um Mitternacht vor eurem Laden Ruhe ist und dass in der Früh die Scherben weg sind.

Man hätte es also ohne Verbot lösen können?
Locker! Die Diskussion war angestoßen. Soweit ich es mitbekommen habe, haben die Späti-Betreiber eine Kompromissbereitschaft signalisiert. Sofort ein Verbot auszusprechen, ist eine Überreaktion.

Unterstellen Sie dem grün geführten KVR Freude am Verbieten?
Das hat mit Grün wenig zu tun. Ich weiß nicht, ob es eine Anweisung der KVR-Chefin war. Deswegen kann ich zu internen Vorgängen im KVR nichts sagen.

"Die Dinge werden zerredet, anstatt entschieden"

Also sind die Grünen nicht mehr der Lieblingsgegner der CSU?
Ich habe 18 Jahre lang eine schwarz-grüne Koalition in meinem Bezirksausschuss geführt. Wir haben bei vielem einen Nenner gefunden. Wenn Sie mich jetzt fragen, mit wem ich 2026 regieren will, kann ich das derzeit nicht beantworten. Denn noch ist nicht klar, wie die Listen von Grünen und SPD aussehen. Nur weil Dieter Reiter sagt, er würde gern mit der CSU…

Hat er das so zu Ihnen gesagt?
…das entnehme ich der Zeitung und ich nehme ihm das sofort ab. Das Problem ist nur, er bräuchte dazu Beschlüsse seiner SPD und seiner SPD-Fraktion. Deshalb finde ich die Aussage mutig.

Inhaltlich sind Sie dem OB ähnlich. Wie soll da eine Wechselstimmung entstehen? Wo unterscheiden Sie sich denn?
Dass ich handle. Als Wirtschaftsreferent habe ich meine Projekte durchgebracht. Das nehme ich von dieser Koalition, an deren Spitze der OB steht, nicht wahr. Dinge werden zerredet, anstatt entschieden.

Clemens Baumgärtner (CSU) im Interview mit den AZ-Redakteuren Christina Hertel und Felix Müller im Augustinerkeller.
Clemens Baumgärtner (CSU) im Interview mit den AZ-Redakteuren Christina Hertel und Felix Müller im Augustinerkeller. © Daniel Loeper

Wo ist Reiter gescheitert?
Bei der Sobon (Anmerkung der Redaktion: Die Sozialgerechte Bodennutzung bestimmt, wie viele Sozialwohnungen Bauherren schaffen müssen). Er hat angekündigt, die strengeren Regeln, die Grüne und SPD beschlossen haben, zugunsten von mehr Wohnungsbau zurückzudrehen. Das ist nicht passiert.

Reiter schimpft gerne über seine Verwaltung – obwohl er die Verantwortung trägt. Wie würden Sie diese Rolle ausüben?
Als Wirtschaftsreferent habe ich mich immer vor meine Leute gestellt. Mir würde nicht einfallen, Mitarbeiter in den Medien an den Pranger zu stellen. Schließlich ist der OB der Chef der Stadtverwaltung.

Wer sich wie fortbewegt, soll jeder selbst entscheiden.


Auch nicht das Mobilitätsreferat?
Ich bin mit vielem, was Mobilitätsreferent Georg Dunkel tut, nicht einverstanden. Aber das muss ich ihm persönlich sagen und als OB eingreifen.

Eine Studie zeigt: Über die Hälfte ihrer Wege legen die Münchner zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Mit dem Auto nur noch 24 Prozent, zehn Prozent weniger als bei der letzten Befragung. Warum ist der Radfahrer trotzdem der Lieblingsfeind der CSU?
Ist er nicht. Aber es werden immer noch signifikant mehr Kilometer in Lkws und Autos zurückgelegt. Politik ist für mich nicht, den Menschen vorzuschreiben, wie sie sich zu bewegen haben.

Holte Superstars wie Taylor Swift und Adele nach München – und die IAA ins Zentrum: Clemens Baumgärtner (CSU) war sechs Jahre lang Wirtschaftsreferent.
Holte Superstars wie Taylor Swift und Adele nach München – und die IAA ins Zentrum: Clemens Baumgärtner (CSU) war sechs Jahre lang Wirtschaftsreferent. © Sigi Müller

Aber es schreibt doch niemand etwas vor.
Ich will keine Politik machen, die Tatsachen schafft und den Menschen dadurch faktisch vorschreibt, welches Verkehrsmittel sie zu benutzen haben.

Werden mit einer CSU-Regierung noch neue Radwege gebaut?
Mit Sicherheit. Die Frage ist, wie schauen sie aus? Sicher nicht so wie an der Zeppelinstraße mit einem Gartenzaun. Wenn in der Straße jetzt ein Laster steht, um etwas auszuladen, kommt kein Rettungsfahrzeug mehr durch. Einen solchen Fahrradweg würde es mit mir nicht geben.

"Ich bin für eine weitere Tiefgarage am Isartor."

Sie reden viel darüber, was Grüne und SPD falsch machen. Was ist denn Ihre Vision für den Verkehr in München?
Meine Vision heißt: Erst mal nachdenken, bevor man für teures Geld Verkehrswege umbaut, und sicherstellen, dass alle zügig und sicher von A nach B kommen. Konkret bin ich zum Beispiel für eine weitere Tiefgarage am Isartor. Die müsste freilich ein privater Betreiber bauen. Über die Umsatzsteuer würde die Stadt Geld einnehmen und die, die mit dem Auto in die Stadt fahren, würden keine Parkplätze an der Oberfläche benötigen. Das würde funktionieren. Die Tiefgarage am Thomas-Wimmer-Ring ist permanent voll. Oder zum Beispiel eine digitale Grüne Welle statt dem "Zeitdieb" Stau.

Es stimmt doch nicht, dass die Parkhäuser in der Innenstadt permanent voll wären. Noch immer parken viele lieber an der Straße, weil es günstiger ist.
Diese Storys, dass der öffentliche Raum hergeschenkt würde, ärgern mich. Eine Stunde Parken kostet in der Tiefgarage vier Euro.

Der OB-Kandidat will deutlich mehr Busse.

In der Altstadt auf der Straße kostet es 2,50 Euro, also fast halb so viel.
Jedenfalls ist das Narrativ falsch, dass die Parkgarage so teuer wäre und dass sie keiner benutzen würde. Je zentraler sie ist, desto beliebter wird sie natürlich.

Neue Tram- oder U-Bahn-Linien wollen Sie nicht versprechen?
Ich hätte gerne einen Ausbau der U-Bahn, aber das kann sich die Stadt im Moment nicht leisten. Meine Idee ist eine Bus-Offensive.

Jetzt sollen aber wohl Buslinien gestrichen werden, weil sie nicht mehr finanzierbar sind.
Der Umbau der Lindwurmstraße kostet 17 Millionen Euro. Der Umbau des Platzes am Museum Lichtspiele kostet 3,4 Millionen. Was kostet ein Bus? Circa 250.000 Euro! Das ist für mich keine Frage, da eher 80 neue Busse zu kaufen.

"Die Stadtwerke müssen Wohnungen bauen."

Die Busse müsste auch jemand fahren, aber Personal ist teuer und schwer zu finden.
Richtig. Die Stadtwerke müssten für ihre Mitarbeiter Wohnungen bauen – zum Beispiel über dem U-Bahn-Betriebshof in Fröttmaning.

Sprechen wir über Olympia. Auch die CSU ist ein Befürworter. Wie zufrieden sind Sie denn mit dem Wahlkampf dafür?
Es gibt ein dreistufiges Konzept, aber derzeit sieht man nur Plakate dagegen. Der Stadtrat hat 1,8 Millionen Euro freigegeben, um für Olympia zu werben. Aber bis jetzt gibt es nur eine Homepage, die kaum jemand kennt. Der Entscheid ist schon in zwei Monaten. Ich bete zu Gott, dass die Pro-Kampagne bis dahin noch die Leute erreicht. Denn sonst hätte man sich das Geld sparen können.

"Frauen fühlen sich im Bahnhofsviertel unsicher"

Kann sich München Olympia überhaupt leisten?
Olympia kann viel für den Ruf Münchens leisten. Olympia wird Gäste anziehen, die Attraktivität steigern. Und wir werden von Bund und Land sicher Geld bekommen. Wir werden auch selbst investieren müssen. Aber das haben andere Städte auch geschafft.

Im Zentrum Ihres Wahlkampfs steht das Thema Sicherheit. Fühlen Sie sich im Alltag in München unsicher?
Fraglos ist München in weltweiten Vergleichen eine der sichersten Städte. Aber von Jüngeren, gerade von Frauen, höre ich immer wieder, dass sie sich im Bahnhofsviertel, bei der Feierbanane, im Nußbaumpark unsicher fühlen. Für mich ist dabei die polizeiliche Kriminalitätsstatistik nur ein Aspekt. Denn wenn die Polizei nicht kommt, gibt es auch keinen statistischen Fall. Für mich ist relevant, was ich sehe, zum Beispiel in der Schillerstraße. Ich will das nicht skandalisieren. Das würde der Arbeit der Polizei nicht gerecht, aber an ein paar Stellen ist sie verbesserungsfähig. Im Alten Botanischen Garten wurde zur letzten Wiesn ein Mensch totgetrampelt. Vorher wollte keiner öffentlich über das Thema Sicherheit reden. Aufgabe von Politik ist aber, auch unangenehme Themen anzusprechen. Jetzt sieht man, dass es am Alten Botanischen Garten besser wird.

"So einen Zustand will ich nicht hinnehmen"


Verlagert sich die Szene nicht vielmehr woanders hin?
Diese These gibt es. Die Polizei sagt aber: Die Leute, die am Alten Botanischen Garten gedealt haben, kommen nicht nur aus München, sondern auch aus Augsburg, Nürnberg, Frankfurt und noch von weiter her.

Wenn Leute sagen, Baumgärtner macht einen auf Law & Order, ist das für Sie ein Kompliment?
Nein, das ist eine Worthülse. Ich will, dass wir den öffentlichen Raum nicht einer kriminellen Klientel überlassen. Ein Unternehmen am Stachus lässt seine Mitarbeiter nicht mehr alleine um 20 Uhr in die Tiefgarage. So einen Zustand will ich nicht hinnehmen.

Was wollen Sie tun?
Einer meiner Lösungsansätze ist einer, der in vielen Städten schon x-fach durchexerziert wurde: eine stärkere Überwachung des öffentlichen Raumes.

Das klingt, als seien Sie für eine massive Ausweitung von Kameras, nicht nur punktuell?
Solange solche Hotspots existieren, bin ich für mehr Kameras. Das, was an der Schillerstraße passiert, hat nichts mehr zu tun mit einer etwas dichteren Kriminalität. Das ist ein anderer Planet. Ich will nicht, dass die Schillerstraße oder eine andere Straße verkommt. Die Stadt muss Kameras hinstellen, damit alle wissen, dass Straftaten aufgenommen und verfolgt werden. Im Alten Botanischen Garten ist zu lange nichts passiert, obwohl die Menschen schon lange über den Zustand dort geklagt haben. Ich höre mir solche Dinge an und würde entsprechend handeln. Das ist das, was mich von Dieter Reiter, aber auch von Dominik Krause unterscheidet.

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  • kartoffelsalat vor 37 Minuten / Bewertung:

    "Politik ist für mich nicht, den Menschen vorzuschreiben, wie sie sich zu bewegen haben."

    Nachdem bisher vielen Gruppen die Mobilität auf Rad- und Gehwegen unmöglich gemacht wird ist vom Brillen-Baumi also Großes hinsichtlich selbstbestimmter Mobilität zu tun.

    Herrlich dieser faktenferne Populismus. Ein Punkt besser als der andere.

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  • kartoffelsalat vor 42 Minuten / Bewertung:

    "Sicher nicht so wie an der Zeppelinstraße mit einem Gartenzaun. Wenn in der Straße jetzt ein Laster steht, um etwas auszuladen, kommt kein Rettungsfahrzeug mehr durch."

    Vor der Neuverteilung war der Fahrbahnrand beidseitig zugeparkt. Über geparkte PKW konnten Rettungsfahrzeuge einfach drüber fliegen oder wie stellt sich der lustige Brillenonkel das vor?

    Würde es klappen Radwege auch ohne Zäune/Poller von Falschparkern freizuhalten würden die übrigens wunderbare Rettungswege darstellen. Im Gegensatz zu Kraftfahren können Radlfahrer nämlich sehr unkompliziert & schnell Platz machen.

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  • kartoffelsalat vor einer Stunde / Bewertung:

    "Die Tiefgarage am Thomas-Wimmer-Ring ist permanent voll."

    Wann genau ist denn dieses "permanent". Jetzt gerade (Montag, 15:23) sind dort 400 Plätze frei.

    In diesem Moment sind in den Parkhäusern im Zentrum Münchens 1.716 (38 %) Parkplätze frei.

    https://autokorrekturmuc.de

    Da brauchts keine eingebildeten Narrative dafür, dass wir den öffentlichen Raum ohne Not verscherbeln & blockieren lassen.

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