Nach Anwohner-Protest: Stadt dreht Brunnen ab
München – „Da muss man schön damisch sein“, schimpft Frau Koch aus der Galeriestraße. Und auch an den Brunnen selbst ist man irritiert: „Das Plätschern entspannt einen doch eigentlich“, sagt die junge Mutter, die sich mit ihrem kleinen Sohn dort gerade auf einer Bank niedergelassen hat. Es ist elf Uhr am Vormittag. In genau neun Stunden wird im Hofgarten das Plätschern wieder verstummen. Seit Neuestem müssen nachts dort die Brunnen abgestellt werden. Anwohner hätten sich beschwert, bestätigt die für den Hofgarten zuständigen Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung.
Der Vorgang dürfte recht einmalig sein: In Mainz mussten vor ein paar Jahren die Brunnen zwischenzeitlich abgestellt werden, weil die Stadt kein Geld mehr für Wasserspiele hatte. Im Londoner Hyde Park wurde mal ein Brunnen trockengelegt, weil darin so viele Badenden ausgerutscht waren. Aber ein Plätscher-Verbot, weil Anwohnern sich um die Nachtruhe gebracht fühlen: Das ist schon extrem ungewöhnlich.
Zwar werden auch in München 14 der 188 städtischen Brunnen nachts vorsorglich abgeschaltet. Das geschieht aber vor allem in eng bebauten Gebieten: am Hohenzollernplatz inSchwabing oder am Frauenplatz vorm Dom. Beschwerden habe es aber selbst da so gut wie nicht gegeben, wo die Fontänen die ganze Nacht durchsprudeln, heißt es bei der Stadt, maximal zwei oder drei in den vergangenen 20 Jahren.
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Wo kommt also diese plötzliche Brunnen-Allergie am Hofgarten her? Auch unter den Anwohnern ist man da ratlos. Betrunkene, die nachts krakeelend durch den historischen Renaissance-Park torkeln, die Raser auf der Ludwigstraße – all das sorge weit eher für Unmut.
Aber die Brunnen? In der Galeriestraße steht im Haus mit der Nummer 2b zufällig gerade die Tür offen. Recht hellhörig sei es schon, erzählt eine Anwohnerin im Hausflur. Das Wasserplätschern habe sie aber noch nie als störend empfunden. Eigentlich sei es kaum wahrzunehmen, sagt sie – und bittet einen zum Beweis in ihr Arbeitszimmer.
Gegenüber schaut man auf die Residenz, links in einiger Entfernung auf die Staatskanzlei. Und irgendwo versteckt hinter den dichten Baumreihen liegt einer der vier Brunnen, die sich im Hofgarten um den Dianatempel gruppieren. Die Hausherrin kippt das Fenster, hält ihr Ohr an den Spalt: „Nichts vom Brunnen zu hören“, sagt sie. „Aber wenn sich jemand hier in der Straße beschwert haben sollte“, ergänzt sie, „dann wird er das kaum zugeben“.
Die Gebäudezeile in der Galeriestraße gehört fast gänzlich dem Freistaat. Es sind ausschließlich Dienstwohnungen. Wer hier lebt, hat irgendwann mal für die Schlösser- und Seeverwaltung gearbeitet – oder tut dies aktuell noch.
Von den akustischen Gegebenheiten im bayerischen Hoheitsgebiet Hofgarten hatte also mit Sicherheit jeder schon vor seinem Einzug dort Kenntnis. Das macht die Beschwerde so besonders peinlich.
Nun müssen die Münchner im Hofgarten abends also auf das Brunnenspiel verzichten: Die Boule-Spieler auf den Kieswegen, die Salsa-Tänzer im Dianatempel, die vielen verliebten Pärchen auf den Parkbänken – nach acht Uhr abends werden sie künftig nicht mehr von der Melodie des Wassers begleitet.
Auch bis zu Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat sich die nächtliche Plätscher-Sperre mittlerweile herumgesprochen. Bei den Feierlichkeiten rund um das Stadtgründungsfest ließ er verlauten, was er von der Brunnen-Posse hält. „Wenn München sonst keine Probleme hat“, sagt er, dann sei ja alles in Ordnung.
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