Münchner CSU stellt sich plötzlich gegen die SEM

Über 1.000 Menschen kommen auf die Info-Veranstaltung zur Neubauentwicklung im Münchner Nordosten. Die Empörung über die Stadt ist groß.
von  Gaby Mühlthaler, Felix Müller
Die Veranstaltung in der Theaterfabrik war gut besucht, die Stimmung teils ziemlich aufgeheizt.
Die Veranstaltung in der Theaterfabrik war gut besucht, die Stimmung teils ziemlich aufgeheizt. © Daniel von Loeper

München - Am Tag danach herrscht Ratlosigkeit im Rathaus. Was hat Bürgermeister Manuel Pretzl geritten? Was will die CSU? Wie geht’s weiter? Am Donnerstagabend hatten Rathaus-Größen mit mehr als 1.000 Münchnern (und Hunderte mussten draußen bleiben) in der Theaterfabrik über die so genannte SEM diskutiert, die Stadtentwicklungsmaßnahme Nordost.

Die soll eines Tages auf 600 Hektar Ackerland zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen Wohnungen für bis zu 30.000 Menschen ermöglichen – ein gigantisches neues Mega-Stadtviertel.

CSU-Fraktionschef Pretzl rudert zurück

Allerdings ist nur ein Viertel des Areals Eigentum der Stadt. Der Rest gehört rund 200 Grundeigentümern, darunter Bauern, die Landwirtschaft betreiben. Für deren Land hat die Stadt die Bodenpreise "eingefroren", um Spekulationsversuche zu stoppen. Theoretisch könnte auch enteignet werden.

Der Stadtrat hat kürzlich einmütig einen Wettbewerb für weitere Planungen beschlossen. Doch in der aufgeheizten Atmosphäre der Theaterfabrik änderte der CSU-Fraktionschef seine öffentliche Taktik. "Das Thema SEM ist so verbrannt, dass wir hier nicht weiterkommen", erklärt Pretzl. Und: "Wir werden keine Entwicklung gegen Münchner Bürger machen." Die Gegner der SEM hörten das freilich gerne.

Ziel der SEM ist bezahlbarer Wohnraum

Anders als Pretzl positionierten sich Vertreter von SPD und Grünen klar für die SEM-Untersuchungen. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl betonte, dass die SEM noch gar nicht beschlossen sei – und wurde ausgebuht. "Das ist ein geeignetes Instrument, 600 Hektar zu entwickeln", sagte Reissl. Das Ziel sei bezahlbarer Wohnraum für 10.000 bis 30.000 Menschen und die nötige Infrastruktur. "Dafür brauchen wir 300 Hektar. Der Wettbewerb soll klären, wie wir mit dem Bestand und den restlichen 300 Hektar umgehen." Wie die CSU schließt auch Reissl Enteignungen von Grundstückseigentümern aus.

Grünen-OB-Kandidatin Katrin Habenschaden erklärte, nur 91 Hektar bebauen zu wollen, die aus Sicht des Bund Naturschutz unbedenklich seien – allerdings mit Häusern mit bis zu sieben Stockwerken. Die Grünen kritisierten die CSU am Freitag scharf. "Ich sehe überhaupt nicht mehr, wie in der Stadt mit dieser CSU überhaupt noch bezahlbarer Wohnraum entstehen soll", sagte Katrin Habenschaden der AZ.

SPD-Fraktionschef Reissl überrascht von Pretzls Aussagen

In der SPD ist der Ärger über die CSU offenbar groß. Während sich die zweite Rathaus-Reihe in den sozialen Netzwerken die Finger mit Attacken wund schreibt, geben sich die Vorderen offiziell halbwegs diplomatisch. "Überrascht" sei er über Pretzls Aussagen gewesen, sagte Reissl der AZ.

OB Dieter Reiter teilte mit, noch vor der Sommerpause seien Zwischenergebnisse aus dem Wettbewerb zu erwarten. "Auf Basis dieser konkreten Pläne und Visualisierungen ist dann auch eine vernünftige und sachliche Diskussion mit den Bürgern möglich." Was Pretzl da treibe, sei unsachlich und unvernünftig, sollte das wohl im Umkehrschluss heißen. Reissl sagte, man werde am Montag mit der CSU grundsätzlich über die Wohnungspolitik reden müssen. Klingt nicht, als stünden harmonische Wochen bei Schwarz-Rot bevor.

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