Münchens OB Reiter klingt bedrückt wie selten: Stadtrat unterbricht Sitzung nach Wiesn-Schock

Um kurz vor neun Uhr am Mittwoch trudeln die Stadträte ein, tagen kurz hinter verschlossenen Türen im großen Rathaus-Sitzungssaal. Das ist immer so, bei jeder Vollversammlung. Und so wie immer dürfen um zirka 9.20 Uhr auch die Journalisten rein. Eigentlich wollte der Stadtrat darüber diskutieren, wie es am Samstag dazu kommen konnte, dass die Wiesn so voll war, dass sie gesperrt werden musste. Doch im Saal spürt man schnell: So wie immer ist heute nichts.
OB Dieter Reiter (SPD) verlässt gleich zu Beginn der Sitzung den Saal – wegen "der Lage im Münchner Norden“, wie er sagt. Dort war es am frühen Morgen zu einer Explosion gekommen. Auch Wiesn-Chef Christian Scharpf (SPD) ist nicht im Saal. Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) beginnt, die Sitzung zu leiten.
Nach ein paar Minuten gibt Reiter bekannt: Das Oktoberfest bleibt heute mindestens bis 17 Uhr geschlossen. Es sei nicht zu verantworten, Menschen auf das Festgelände zu lassen. Es gebe eine konkrete Sprengstoffdrohung, die im Zusammenhang mit der Tat im Münchner Norden stehe. Einen Brief des Täters, in dem er auch das Oktoberfest erwähne. Am Nachmittag soll entschieden werden, ob die Wiesn heute noch geöffnet werden kann. Reiter klingt so ernst und bedrückt wie sonst nie.
Wer kann sich da noch konzentrieren?
Trotzdem geht die Sitzung zuerst weiter. Einer spricht zum Aus des MVG-Rads. Ein anderer über Olympia-Plakate, die nicht den Regeln der städtischen Plakatierungsverordnung entsprechen sollen. Bis CSU-Chef Manuel Pretzl dafür plädiert, die die Sitzung für 15 Minuten zu unterbrechen. Kann sich ja gerade eh keiner konzentrieren, wenn die Nachrichten auf den Handys aufploppen, immer mehr Fragen eingehen. Gleichzeitig kann auch niemand hier im Sitzungssaal viel tun, außer auf die Ergebnisse der Polizei zu warten. Seltsam fühlt sich das ganz offensichtlich an.
Nach der Pause schlägt der OB vor, dass Wiesn-Chef Scharpf heute doch keine Fragen zu den Vorfällen am Samstag beantworten muss. "Angesichts der Lage ist es für uns selbstverständlich, dass wir diese Debatte nicht führen“, sagt CSU-Chef Pretzl. Scharpf darf schließlich den Saal verlassen. Beim Rausgehen klopfen ihm Mitarbeiter der SPD auf die Schulter.
Die Sitzung geht weiter. Bürgermeister Krause übernimmt die Leitung. Der OB hat den Saal verlassen. Erst am Mittag kommt er zurück. In den Händen hält er einen Zettel mit Notizen, informieren will er die Stadträte aber erst nach der öffentlichen Sitzung hinter verschlossenen Türen. Doch viel Neues, so erfährt es die AZ später, verrät er nicht. Ein Familiendrama, wahrscheinlich.
Eine Pressekonferenz oder wenigstens eine Pressemitteilung verschickt Reiter an diesem Nachmittag nicht mehr. Dafür dreht er ein Instagram-Video: "Das Festgelände wird ab 17.30 Uhr wieder für alle Besucher geöffnet“, sagt er darin.