Mosis Mörder: Seine Ex schreibt ihm noch
MÜNCHEN - Vor fünf Jahren erdrosselte Herisch A. den Paradiesvogel Rudolph Moshammer. In Straubing sitzt er seine lebenslange Haftstraße ab, Halt geben ihm sein Bruder, sein Glaube und die Briefe seiner Ex-Freundin
Am 13. Januar 2005 prallten kurz vor Mitternacht die Leben von zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten: hier der 64-jährige Modemacher Rudolph Moshammer, dort der irakische Flüchtling Herisch A. Der damals 25-Jährige lebte seit drei Jahren in München, hatte Probleme mit Glücksspiel und einen Job in einem Schnellrestaurant. Herisch fuhr mit Moshammer nach Grünwald – und erdrosselte ihn mit einem Kabel. Heute sagt er, dass er das unendlich bedauert. Und: Dass er kein Geld aus dem Haus von Moshammer mitgenommen hat.
Herisch hatte an diesem Januarabend wieder Geld verspielt, er war am Hauptbahnhof unterwegs, da hielt der Rolls Royce mit Moshammer am Steuer. Der Mann bot ihm Geld für Sex, Herisch stieg ein. Was sich in der Villa zutrug? Die Version des Täters, der am 21. November 2005 vom Landgericht München I wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt worden ist, weicht von der des Gerichts ab. Im Verfahren sagte er aus: „Herr Moshammer hat mich geschlagen. Ich war wütend, griff zum Kabel...“ Es hatte Streit um den Liebeslohn gegeben, doch das Gericht glaubte Herisch nicht, dass Moshammer als erster aggressiv geworden ist.
Auch fünf Jahre nach der Tat sagt Herisch noch: Moshammer hat mich angegriffen
Dr. Adam Ahmed ist der Anwalt von Herisch A., er besucht ihn regelmäßig in Straubing und spricht mit ihm über den Fall. Auffallend: Herisch A. bleibt auch fünf Jahre nach der Tat bei seiner Darstellung, dass Moshammer auf ihn losgegangen sei. Der Richter glaubte ihm das nicht, vielmehr soll Herisch A. den Modeschöpfer hinterrücks angegriffen haben. Fakt ist: Der 64-jährige Moshammer wurde von hinten mit einem Verlängerungs-Kabel erdrosselt; der Zug war so heftig, dass das Kabel riss. Daran haftete die DNA von Herisch A.
Im Straubinger Gefängnis führt Herisch A. ein unauffälliges Leben. Frühmorgens aufstehen, dann frühstücken, Hofgang, Kontakt zu Mitgefangenen und gemeinsames Kochen. Er betet viel, abends unterhält er sich mit anderen Häftlingen und sieht fern. Besonders schätzt er den Kontakt zu Landsleuten.
Sein Anwalt erzählt: „Wir sprechen deutsch miteinander.“ Bis zu einer Stunde dauern seine Besuche bei Herisch A., der seine Sprachkenntnisse durch einen Kurs stark verbessern konnte. Arbeit hat er im Gefängnis keine mehr: Er hat Teile montiert für die Automobilindustrie, doch durch die Wirtschaftskrise ist auch im Gefängnis viel weniger zu tun.
„Seine Stimmung ist stabil“, sagt Ahmed. „Er ist gefasst und weiß, welche Strafe er abzusitzen hat.“ Schlimm ist die Untätigkeit, gerne würde Herisch A. eine Berufsausbildung machen – doch die Plätze dafür sind rar. Eine echte Freude ist es für ihn, wenn er Briefe aus Rumänien bekommt: Die Heimat seiner letzten Freundin Maria-Magdalena G., die im Sommer dorthin zurückgegangen ist. Sie hat sich von Herisch getrennt, sie schreibt ihm regelmäßig. Anfangs hat sich Herisch auch Freude über die Briefe von völlig Fremden, die ihm ins Gefängnis schreiben – um ihn aufzumuntern. Mittlerweile sind sie ihm gleichgültig. Er kennt diese Leute doch nicht.
Sein Anwalt kämpft weiter - vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Sein Anwalt setzt sich weiter für ihn ein, die Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde im Juli 2006 verworfen, derzeit läuft noch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ahmed: „Bei der ersten Vernehmung wurde Herisch gesagt, die DNA vom Tatort stimmt überein mit der DNA, die von ihm in der Datenbank gespeichert ist.“ Herischs Freundin Natalie B. hatte ihn angezeigt wegen Vergewaltigung, die Anzeige aber wieder zurückgezogen. „Die DNA hätte nicht mehr gespeichert sein dürfen“, sagt Ahmed. Für ihn ein Verstoß gegen die Menschenrechte.
Frühestens nach 15 Jahren kann Herisch A. in den Irak abgeschoben werden, echten Halt gibt ihm derweil seine Familie – die er auch am stärksten vermisst. Über seine Eltern spricht er auch gegenüber seinem Anwalt nicht. Auch nicht über Natalie B., die eine Tochter von ihm hat. Das Mädchen wird Ende Januar sieben Jahre alt. Aber über seinen älteren Bruder spricht er. Dass er sich auf ihn verlassen könne. Sich über dessen Briefe aus Norwegen freut und die Besuche. Drei-, viermal im Jahr.
Katharina Rieger