Mit Blick auf Berge und Bilder

Der Professor der Archäologie (67) leitete 17 Jahre die Staatlichen Antikensammlungen und die Glyptothek. Er lebt mit seiner Familie in Schwabing
Von Raimund Wünsche
Seit ich nicht mehr der Direktor bin, hat sich gar nicht so viel für mich geändert. Ich arbeite ja immer noch in der Glyptothek, von meinem Büro aus kann ich auf die Terrasse des Cafés sehen. All das Verwaltungszeug und den Ärger habe ich nicht mehr, und weniger Termine. Für manch einen ist die Pensionierung ja ein großer Bruch – wenn man es gewohnt war, die Puppen tanzen zu lassen und plötzlich tanzen die nicht mehr. Aber die steinernen Figuren haben nie getanzt.
Ich schreibe gerade an einem Aufsatz und dann an einem kleinen Büchlein. Nur der Schluss mit den Fußnoten und so weiter, das macht mir gar keinen Spaß, da brauche ich Disziplin. Wenn das Wetter so schön bleibt, gehe ich am Wochenende wandern. Allein oder zu Zweit, auf den Heimgarten bei Murnau. Wenn’s gut läuft noch über den Grat zum Herzogstand – und wenn’s ganz gut läuft, holt uns da jemand mit dem Auto wieder ab. Ich bin gern draußen. Auch dadurch, dass ich relativ oft am Schreibtisch sitze. Wandern hat etwas Meditatives und Anstrengendes. Und der Blick ist einfach herrlich, Berge in einer Dreierkette, das Laub.
Wenn das Wetter mäßig gut ist, gehe ich Radeln. Vom Englischen Garten Richtung Norden bis nach Freising. Eine schöne Strecke, kaum Steigungen. In Freising kann man ein bisserl was anschauen, einen schönen Dom haben die da. Da kehre ich im Bräustüberl Weihenstephan ein – und wenn man nach dem zweiten Hellen greift, hat man eventuell keine Lust mehr zu radeln. Dann kann man sich einfach in die S-Bahn setzen.
Wenn ich abends nicht zu platt bin, gehe ich vielleicht noch in den Osterwaldgarten in der Keferstraße. Die haben gutes bayerisches Essen. am besten, wenn man richtig Hunger hat, eine halbe Ente mit Bier oder Rotwein dazu. Und natürlich ist der Weinbauer in der Fendstraße eine gute Adresse für bayerische Küche, da trifft sich halb Schwabing, der ist immer voll. Tolle Schnitzel gibt es da.
Wenn’s leichter sein soll, gehe ich in das Kalypso in der Agnesstraße. Dann gibt’s griechischen Fisch und Salat dazu. Und die haben eine nette Atmosphäre dort, nicht so überkandidelt. Ich habe lange Zeit in Griechenland gelebt, die Küche ist mir sehr vertraut.
Discos sind für mich nicht mehr so attraktiv. Aber ich bin zum Beispiel gern im Alfonso’s – ein Live Music Club in der Franzstraße. Unglaublich klein, wie ein Wohnzimmer, und die Leute, die dort hingehen sind wirkliche Liebhaber, viele von denen könnten selbst mit der Gitarre auf der Bühne stehen. Auch das Podium in der Wagnerstraße hat ein nettes Programm und liegt gleich bei mir um die Ecke.
Sonntags gehe ich gern in Ausstellungen, „ästhetische Messe“ nenne ich das. In überschaubare, die ich konzentriert erfassen kann. In der Alten Pinakothek läuft gerade eine nette kleine Ausstellung über Perugino, Raffaels Lehrmeister. Oder ich spaziere ins Franz-Marc-Museum in Kochel am See. Natur draußen und auf den Bildern, dort noch einen Kaffee trinken.
Aber wenn das Wetter am Sonntag ganz schlecht sein sollte, kommt mein Alternativplan zum Tragen: Dann mache ich endlich meine Steuer.