Landtagswahl 2023 in München: Endet die grüne Party?

München - Der Wahlabend im September 2018 war für die Grünen ein großes Fest. Sie trugen ihren Spitzenkandidaten Ludwig Hartmann – im wörtlichen Sinne – auf Händen durch die Muffathalle. Die Grünen hatten ein Ergebnis von mehr als 30 Prozent in München hingelegt. Sie machten München plötzlich zu einem grünen Fleck auf der früher so schwarzen bayerischen Landkarte. Außerdem eroberten sie fünf von neun Direktmandaten in München.
Aber nicht nur die CSU hatte Grund zu trauern. Die SPD, die eigentlich den Anspruch hat, München zu regieren, schrumpfte plötzlich auf einen abgeschlagen dritten Platz in sich zusammen. Wird sich die große grüne Party fortsetzen? Oder gibts nach der Landtagswahl ein Erwachen mit dickem Schädel? Dagegen spricht das Ergebnis der Bundestagswahl vor einem Jahr, bei der auch die Grünen am meisten zu feiern hatten. Die AZ gibt einen Überblick, wer sich gerade wo für die Landtagswahl in Stellung bringt.
101 - Hadern
Auch in Hadern war es 2018 ein knappes Rennen zwischen den Grünen und der CSU. Doch hier konnte Georg Eisenreich sein Revier verteidigen: Seit 2003 errang er in Hadern bei jeder Wahl das Direktmandat für die CSU. Nach der letzten Wahl wurde er dafür mit dem Justizministerposten belohnt. Allerdings war auch in Hadern das Ergebnis für die CSU historisch schlecht. Nur noch rund zwei Prozentpunkte trennten Eisenreich von seinem Herausforderer Florian Siekmann von den Grünen.

Siekmann ist heute 27 Jahre alt, 2018 machte er gerade seinen Bachelor in Chemie, er war für das Studium aus einem kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz nach München gezogen. Ein Politikneuling - im Vergleich zu dem 51 Jahre alten Juristen Georg Eisenreich, der schon fünf Jahre bevor Siekmann überhaupt geboren war, in die CSU eintrat. Inzwischen ist Siekmann Sprecher für Europapolitik in der Grünen-Landtagsfraktion. Er zog 2018 über die Landesliste ein. Schafft er es diesmal womöglich tatsächlich, Eisenreich das Direktmandat abzujagen?

Das Duell wird sich auf jeden Fall wiederholen. Siekmann ist noch nicht offiziell aufgestellt. Doch bis jetzt hat er bei der Wahl diesen Sonntag keine Konkurrenz. Eisenreich wird sich nicht nur am eigenen, sondern auch am Gesamtergebnis der CSU in München messen lassen müssen. Seit Sommer 2021 soll er als Chef der Münchner CSU die Partei fit für den Landtagswahlkampf machen. Und auch die SPD versucht wieder (ebenfalls mit gleicher Besetzung wie 2018) mitzuhalten: Stadträtin Micky Wenngatz, die Chefin der SPD im Münchner Süd-Westen, wird erneut kandidieren. Bei der letzten Wahl kam Wenngatz mit 13 Prozent recht abgeschlagen auf Platz drei.

102 - Bogenhausen
Sie finden Hochhäuser sollten in München verboten werden und Sie leben in Bogenhausen, Berg am Laim oder beim Landtag? Dann ist vielleicht Robert Brannekämper (56) von der CSU der richtige Kandidat für Sie. Er sammelt Unterschriften für ein Bürgerbegehren, mit dem er die Türme an der Paketposthalle stoppen will. Eine Meinung, die gut ankommt, in einem Wahlkreis, wo es noch Häuser mit Gärten gibt? Zumindest schaffte es Brannekämper seit 2013 jedes Mal in den Landtag. Doch zuletzt nur mit einer hauchdünnen Mehrheit. Er bekam 28,8 Prozent, dahinter folgte Andreas Baier mit 26,5 Prozent. Doch diesmal ist Brannekämpers Konkurrenz eine andere. Und so ganz ist noch nicht einmal klar, wie diese aussieht.

Für die Grünen gibt es zwei potenzielle Kandidaten: Fabian Sauer und Nico Westphal. Sauer ist allerdings etwas bekannter. Er ist im Ortsverband Bogenhausen aktiv, arbeitete als Moderator und Reporter unter anderem für Antenne Bayern. Und auch den Landtag kennt Sauer schon: Er ist Pressereferent in der Grünen-Landtagsfraktion. Sein Fokus liegt unter anderem auf Digitalpolitik und Zukunftsthemen, während Brannekämper eher dafür bekannt ist, Bewährtes behalten zu wollen. Auch die SPD hat ihre Kandidaten noch nicht festgelegt. Sicher ist, dass der Chef des Bezirksausschusses in Berg am Laim Alexander Friedrich antreten will. Er ist auch für die Pressearbeit der Rathaus-SPD zuständig. Sein Herausforderer heißt Johannes Uretschläger. Er ist bei der SPD Oberföhring aktiv.

103 - Giesing
Bitter enttäuscht dürften an dem Wahlsonntag im September 2018 mindestens zwei Giesinger Kandidaten gewesen sein: Andreas Lorenz von der CSU, der da sein Landtagsmandat verlor. Und Florian von Brunn, der im Vergleich zu der vorherigen Wahl fast 20 Prozentpunkte einbüßte. Er erzielte gerade mal zwölf Prozent in dem Stimmkreis, zu dem auch das ehemalige Arbeiterviertel Sendling gehört, wo eigentlich die Kernwählerschaft der SPD lebt. Doch sowohl Andreas Lorenz, als auch Florian von Brunn haben sich danach von ihrer Wahlschlappe erholt: Lorenz zog Anfang des Jahres als Nachrücker doch wieder in den Landtag ein. Und Florian von Brunn führt als Chef der Bayern-SPD sogar deren Gesamt-Wahlkampf an. Florian von Brunn und Andreas Lorenz wollen beide wieder in Giesing antreten. Und auch ihre stärkste Konkurrentin ist gleich geblieben. Sie heißt Gülseren Demirel und war zuvor Chefin der Grünen im Münchner Stadtrat. 2018 wurde sie mit 31,7 Prozent der Stimmen direkt in den Landtag gewählt. Nie zuvor schnitten die Grünen in Stimmkreis Giesing so gut ab. Und nie zuvor schaffte es eine Frau mit Migrationshintergrund, direkt in den Landtag gewählt zu werden. Die vergangenen vier Jahre kümmerte sich Demirel vor allem um Flucht- und Migrationspolitik. Selbst aus der Opposition heraus habe sie in diesen Bereichen viel Verbesserungen erreichen können, sagte sie vor kurzem zur AZ, doch sie betonte damals auch, wie viel es noch zu tun gibt. Zum Beispiel setzt sich Demirel dafür ein, dass Migranten leichter eine Arbeitserlaubnis bekommen.

104 - Milbertshofen
Wäre da nicht diese Altersgrenze – dann könnte die nächste bayerische Ministerpräsidentin Katharina Schulze heißen. Da ist sich so mancher sicher. Allerdings muss der bayerische Landeschef mindestens 40 Jahre alt sein, Schulze ist momentan erst 37. Schulze muss sich also mit anderen Posten zufrieden geben: Sie ist Fraktionschefin der Landtagsgrünen und ist auch in diesem Wahlkampf wieder die Spitzenkandidatin der Grünen. Schon 2018 gelang es ihr, in Milbertshofen das Direktmandat zu holen – mit fast 35 Prozent der Stimmen. Erst vor kurzem wurde sie wieder für diesen Stimmkreis nominiert. Alle anderen Kandidaten dürften es also schwer haben gegen Schulze.

Kein Wunder vielleicht, dass die CSU noch gar keine Namen nennen mag. Aus Parteikreisen ist zumindest zu erfahren, dass Tanja Pickert, die das letzte Mal angetreten ist, noch nicht abgesagt hat. Die SPD hingegen hat sich festgelegt: Für sie will erneut Ruth Waldmann antreten. 2013 schaffte sie es für die SPD, das Direktmandat in ihrer Heimat Milbertshofen zu holen. 2018 hingegen kam sie nur noch auf Platz 3. Trotzdem konnte Waldmann über die Landesliste der SPD in den Landtag einziehen. Dort kümmert sie sich vor allem um Gesundheitspolitik.


105 - Moosach
Mit einem hauchdünnen Vorsprung von nur 63 Stimmen hat Benjamin Adjei von den Grünen bei der letzten Wahl das Direktmandat in Moosach geholt. Erstaunlich war damals vieles. Erstens: Adjei kegelte Mechthilde Wittmann aus dem Landtag, die dort die CSU seit 2013 vertrat und die als Integrationsbeauftragte manchem bekannt gewesen sein dürfte. Adjei hingegen lebte damals nicht mal im Münchner Stadtgebiet, sondern in Taufkirchen. Er surfte auf der grünen Welle mit, die über die Stadt schwappte. Trotzdem musste er zwölf Tage lang zittern, ob er wirklich gewonnen hatte. Denn wegen einer Panne musste das KVR nachzählen. Ob's diesmal wieder so ein Krimi wird? Zumindest ist Adjei (der inzwischen übrigens in München wohnt) seit vergangenem Wochenende wieder offiziell nominiert.

Doch sein Gegner bei der CSU ist auch diesmal nicht zu unterschätzen: Alexander Dietrich wird antreten. Bis vor ein paar Monaten war der Mitte-40-Jährige, gebürtig aus Moosach, noch als Personalreferent für die städtischen Mitarbeiter verantwortlich. Kritik an seiner Arbeit wurde keine laut, er scheiterte an seinem Parteibuch. Grüne und SPD wollten ihn deshalb nicht wieder wählen. Für die SPD wird auch diesmal wieder Diana Stachowitz antreten. Sie sitzt seit 2008 im Landtag. Bei der letzten Wahl verlor die SPD in ihrem Stimmkreis allerdings fast 20 Prozent.

106 - Pasing
Bei der letzten Landtagswahl gab's in Pasing ein Duell zweier Münchner Ex-Bürgermeister: Hep Monatzeder von den Grünen trat gegen Josef Schmid von der CSU an. Damals gewann Schmid, Monatzeder zog trotzdem in den Landtag ein. Dieses Duell wird sich nicht wiederholen – obwohl seit Mittwochabend offiziell klar ist, dass Schmid wieder in Pasing kandidiert.

Doch diesen Sommer gab Monatzeder kurz vor seinem 70. Geburtstag in der AZ bekannt, dass er sich in den Ruhestand verabschiedet. Vielleicht nimmt Grünen-Stadträtin Julia Post seinen Posten in Pasing ein.

Doch sie muss sich bei der Aufstellungsversammlung am 9. Oktober gegen zwei Herausforderer durchsetzen: Lendita Musliji und Nico Westphal. Julia Post ist allerdings die bekannteste der drei Kandidaten. Seit 2020 sitzt sie im Münchner Stadtrat und setzt sich dort für eine grünere und faire Wirtschaft ein. Auch Josef Schmid wird versuchen, durch seine Wirtschaftskompetenz zu punkten: Er war ab 2014 Münchner Wirtschaftsreferent und wirbt gerne damit, dass damals die Steuereinnahmen sprudelten. Also wird es wieder ein schwarz-grünes Duell? Bei der letzten Wahl lag die SPD zumindest recht abgeschlagen mit 12,4 Prozent auf dem dritten Platz. Allerdings gibts bei den Sozis diesmal Neues. Auch Florian Ritter, der seit 2013 im Landtag sitzt, will aufhören. An seiner Stelle bewirbt sich Raoul Koether, der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins in Pasing – seinem Geburtsort.

Auch Katja Weitzel, die im Bezirkstag sitzt, will antreten. Entscheiden werden die Delegierten bei der Aufstellungsversammlung nächste Woche.
107 - Ramersdorf
Der Stimmkreis München-Ramersdorf ist schwarz – seit Jahrzehnten. Seit 2008 errang der CSUler Markus Blume hier immer das Direktmandat und er hat das auch kommenden Herbst vor. Bis Anfang des Jahres war der 47-Jährige noch Generalsekretär der CSU, einer der wichtigsten Männer hinter Ministerpräsident Markus Söder. Dann bildete dieser sein Kabinett um und Blume bekam einen weitaus weniger öffentlichkeitswirksamen Job: Er wurde Minister für Wissenschaft und Kunst. Ein Nachteil im Wahlkampf? Fakt ist: Der Abstand zu den Grünen war bereits bei der Wahl 2018 so gering wie nie.

Deren Kandidatin Sanne Kurz, die auch diesmal wieder antritt, errang rund 24 Prozent, Blume etwa 30. Zehn Jahre vorher holte die CSU hier noch über 50 Prozent. Dabei hat Markus Blume gegenüber Sanne Kurz viele Vorteile: Blume ist in dem Wahlkreis aufgewachsen, saß sogar fast 20 Jahre für die CSU im örtlichen Bezirksausschuss. Kurz stammt aus der Pfalz und ist erst 2017 bei den Grünen eingetreten. Ein Jahr später zog die Filmemacherin über die Landesliste in den Landtag ein. Das Duell der beiden wird sich im Herbst wiederholen.

Oder hat am Ende doch die SPD eine Chance? Für die Sozialdemokraten wird wieder Markus Rinderspacher antreten. Er ist seit 2008 Landtagsabgeordneter und war fast zehn Jahre lang Fraktionsvorsitzender. Bei der letzten Wahl holte er 14 Prozent. Verglichen mit dem Rest Bayerns war das sogar ein gutes Ergebnis. Insgesamt kamen die Sozis auf neun Prozent.

108 - Schwabing
Auch Schwabing war 2018 einer dieser Stimmkreise, wo das Ergebnis für die CSU besonders bitter war: Ludwig Spaenle, bis dahin bereits seit zehn Jahren bayerischer Kultusminister und Chef der Münchner CSU, flog aus dem Landtag. Später konnte er nachrücken und wurde Beauftragter gegen Antisemitismus. Seinen Job als Vorsitzender der CSU-München gab er allerdings später ab.

Denn der große Sieger nach der Wahl waren auch hier die Grünen. Christian Hierneis erlangte für die Ökopartei rund 35 Prozent der Stimmen. Für Hierneis war es das erste Mal, dass er in den Landtag einzog. Umweltpolitik macht der 59-Jährige allerdings schon lange. Seit 2002 ist er Vorsitzender des Bund Naturschutz in München, er engagierte sich gegen die dritte Startbahn am Flughafen und dagegen, dass die Olympischen Spiele in München stattfinden. Im Herbst 2023 will Spaenle noch einmal versuchen, Hierneis zu schlagen.

Wer für die SPD in diesem Kampf mitmischt, steht allerdings noch nicht fest. Klar ist nur: Isabell Zacharias, die 2018 aus dem Landtag flog, und die inzwischen für einen Hospizdienst arbeitet, will nicht zurück in die Politik. Für ihren Platz gibt es drei Bewerber: SPD-Stadtrat Lars Mentrup, der sich viel um Digitalpolitik kümmert, Julia Worch und Felix Lang. Die beiden Letzteren gehören dem Bezirksausschuss Maxvorstadt an.

109 - Mitte
Nach der letzten Wahl war München plötzlich nicht mehr schwarz - sondern wurde grün. Und zwar am allergrünsten im damals neugegründeten Stimmkreis München Mitte. Ludwig Hartmann, der auch diesmal wieder gemeinsam mit Katharina Schulze als Spitzenkandidat der Grünen in Bayern antritt, holte hier 44 Prozent. Das war mehr, als die Grünen im hippen Berliner Kreuzberg schafften. Die CSU lag damals mit weitem Abstand von 26 Prozentpunkten auf dem zweiten Platz. Gibt's hier im Herbst 23 wieder so ein Fest für die Grünen? Zumindest dürfte es keine Trauerfeier werden. Denn Ludwig Hartmann wird auch dann wieder in München Mitte kandidieren.

Der Stimmkreis umfasst übrigens anders als der Name vermuten lässt gar nicht die Altstadt, sondern die Stadtbezirke Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt und Schwanthalerhöhe, sowie Teile von Au-Haidhausen und Untergiesing-Harlaching. Die Kandidaten müssen also sowohl viele junge Gutverdiener im durchgentrifizierten Glockenbachviertel als auch Leute aus dem Bahnhofsviertel überzeugen. Im bürgerlichen Lager versucht die FDP diesmal, mit einem prominenten Namen zu punkten: Susanne Seehofer, die Tochter des Ex-Ministerpräsidenten Horst Seehofer, tritt hier für die FDP an.

Auch die CSU setzt mit Susanne Hornberger, die PR-Arbeit für die CSU-nahe Hanns-Seidl-Stiftung macht, auf eine Frau.

Noch völlig unklar ist die Lage bei der SPD. Da stellen sich gleich fünf Kandidaten zur Wahl. Darunter ist der Ex-Landtagsabgeordnete Andreas Lotte. Auch Michael Ott, der 2018 kandidierte, will es noch einmal probieren. Und mit Daniela Di Benedetto könnte noch eine Frau ins Rennen gehen.