Ladensterben in München: Wie geht's weiter in der Altstadt?
München - Alles muss raus! Total Räumungsverkauf! Diese Schilder hängen schon seit Herbst in den Schaufenstern von Kaut-Bullinger, dem Schreibwarengeschäft an der Rosenstraße. Nach über 200 Jahren wird es Ende Februar aus der Münchner Altstadt verschwinden. Auch Münchens ältestes Spielwarengeschäft Obletter am Stachus wird bald nicht mehr zum Stadtbild gehören. Nach Corona macht ein Traditionsgeschäft nach dem anderen dicht - so ließen sich diese Nachrichten deuten.
Bisher blieb München vom großen Ladensterben verschont
Nicht gar so negativ wollen die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) und Wolfgang Fischer, der mit seinem Verein Citypartner die Interessen der Händler vertritt, die Lage sehen. Das große Ladensterben sei ausgeblieben, betonen beide bei einer Veranstaltung gestern im Münchner Presseclub über dem Marienplatz.
Trotzdem - und das streiten die zwei auch nicht ab - waren die Zeiten für die Gastronomen und Händler hart und voraussichtlich werden sie das auch noch eine Weile bleiben. Höchste Zeit also, etwas zu tun.
Aktuell ist noch deutlich weniger los als vor Corona
Denn so viel los wie vor Corona ist in München noch lange nicht: Anfang der Woche seien am Tag 78.000 Menschen durch die Fußgängerzone spaziert, sagt Fischer. "2019 waren es über 122.000 Passanten." Auch der Tourismus sei eingebrochen: Während es 2019 18,2 Millionen Übernachtungen gab, waren es 2021 nur 7,9 Millionen. Die Gäste aus dem Ausland fehlen laut Fischer noch immer.
Gleichzeitig sei nicht nur Corona Schuld, wenn Läden schließen. Vielmehr habe die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger gewirkt, der nun die Innenstadt nachhaltig verändert. Denn alleine fürs Shopping werden in Zukunft wohl immer weniger Menschen in die Altstadt fahren, wenn sie das auch daheim vom Sofa aus erledigen können.
In den Karstadt Sports zieht die Max-Planck-Gesellschaft
"Der Einzelhandel braucht nicht mehr so viel Fläche", sagt Fischer. Doch das bietet neue Chancen. Im neuen Karstadt soll es zum Beispiel nicht nur Handel, sondern auch Gastronomie und Büros geben.
Und nicht nur dort könnten in Zukunft weniger Menschen mit Einkaufstüten und mehr mit Aktenkoffern zu sehen sein: In den alten Karstadt Sports an der Neuhauser Straße wird ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft einziehen. Und in der Alten Akademie schafft der Schweizer Pharmakonzern Novartis über 9.350 Quadratmeter Bürofläche.
Mehr Zwischennutzung für mehr Abwechslung
Damit sich die Menschen aber auch in ihrer Freizeit gerne in der Innenstadt aufhalten, fordert Bürgermeisterin Katrin Habenschaden mehr Sitzflächen, mehr Grün, mehr Möglichkeiten, sich an heißen Tagen abzukühlen. Außerdem sollte es ihrer Meinung nach mehr Zwischen- und Mischnutzungen geben: das Coworking Space, das abends zum Tanzstudio wird, der Laden, in dem man abends eine Ausstellung ansehen kann.
Das größte Zwischennutzungsprojekt könnte ein paar Hundert Meter abseits der Altstadt der Gasteig werden. Zwei Jahre lang soll er saniert werden und in dieser Zeit bieten sich laut Habenschaden viele Möglichkeiten.
Messen und Ausstellungen im Gasteig?
Es gebe Interessenten, die Lust haben, dort Messen und Ausstellungen zu starten. Sie würde einen Teil der Flächen in und um den Gasteig gerne Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stellen. Am liebsten hätte es die Bürgermeisterin, wenn es dort bunt gemischt zugeht, sagt sie.
Vorantreiben soll solche Projekte, egal ob es um die Aufenthaltsqualität in der Altstadt oder um Zwischennutzungen in leeren Läden geht, ein neuer City-Manager im Münchner Rathaus, erklärt Habenschaden. Denn die Bürgermeisterin findet: Auf die Veränderungen durch das Internet und durch Corona müsse die Stadt agiler und flexibler reagieren.
Kleiner Läden haben wieder eine Chance
Dass der Wandel auch positive Effekte hat, zeigt sich bei den Mieten: Die sind laut Fischer um 30 Prozent gesunken. Vorher lagen sie auf dem Niveau von London. Leisten konnten sich das nur noch große Ketten, jetzt haben kleinere Läden wieder eine Chance.