Kohl: "In München hat er sich immer sehr wohl gefühlt"
München - Freud und Leid liegen manchmal so nah beieinander: Theo Waigel steht gerade mitten im festlichen Trubel, als die AZ ihn gestern auf dem Handy erreicht. Seine Frau Irene feiert gerade ihren 60. Geburtstag. Für eine Erinnerung an seinen "engen Freund" Helmut Kohl nimmt sich Theo Waigel aber dann doch kurz Zeit.
Ihn und den Altbundeskanzler habe weitaus mehr verbunden als nur eine politische Partnerschaft, sagt Waigel. Fast zweieinhalb Jahrzehnte haben die beiden Unions-Politiker eng zusammengearbeitet. Waigel war Vorsitzender der CSU, Landesgruppenchef im Bundestag und vor allem: fast zehn Jahre lang Kohls Finanzminister. "Das hat uns eng zusammengeschweißt", sagt Waigel.
Doch nicht nur politisch funkten die beiden auf einer Wellenlänge. Auch privat verstanden sich der "Dicke aus Oggersheim" und der gebürtige Schwabe ausgezeichnet.
1994 heiratet Waigel seine Irene - und Kohl ist mit dabei
Regelmäßig schaute Kohl in Waigels alter Heimat vorbei. Sie weihten das Behindertenzentrum in Ursberg ein und stiegen gemeinsam auf den Falkenstein. Auch 1994 bei Waigels Hochzeit in Seeg im Ostallgäu war Kohl dabei.
Bis zuletzt hielten die beiden Kontakt. Sie telefonierten - und als das nicht mehr ging, ließ Waigel seinem Weggefährten über dessen zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter Nachrichten überbringen. "Er sollte wissen, dass seine Freunde immer zu ihm stehen", sagt Waigel. Sie hätten sich immer aufeinander verlassen können, sagt Waigel. Natürlich habe es auch mal Stunk gegeben, dann etwa, wenn ein CSUler mal wieder über die Stränge schlug. Der Frühaufsteher Kohl habe in der Regel dann schon um sieben, halb acht zum Hörer gegriffen. Das habe sich aber immer alles schnell wieder glätten lassen, sagt Waigel.

Gemeinsam auf Stimmenfang: Theo Waigel (l.) und Helmut Kohl 1989 auf dem Marienplatz bei einer Kundgebung zu den Europawahlen. Foto: imago
Auch während der Spendenaffäre hielten die beiden zusammen. "Ich bin da keinen Zentimeter von seiner Seite gewichen", erinnert sich Waigel. "Kohl hat diesen Fehltritt selbst schwer bedauert", sagt Waigel. Da habe es keinen Grund gegeben, noch nachzutreten.
Lieber als an die Spendenaffäre denkt Waigel aber natürlich an die guten Momente zurück, an die Gelage auf dem Oktoberfest, die gemeinsamen Liederabende mit Edda Moser im Franziskaner oder die Brotzeiten im Bratwurstglöckl.
Die bayerische Küche und das Bier hätten Kohl sehr gut geschmeckt, sagt Waigel. "Er hat sich in München immer sehr wohl gefühlt."
Der Altkanzler hatte fast schon ein weiß-blaues Herz
Überhaupt, die Bayern: Für die habe Kohl als Pfälzer ein besonderes Gespür gehabt, sagt Waigel. Kohl sei stets klar gewesen, dass die Union im selbstbewussten Freistaat nur mit einer eigenständigen CSU genügend Punkte machen würde. Allein schon deshalb sei ihm bewusst gewesen, dass man es sich mit den Bayern nicht verscherzen dürfe, so Waigel.
Der Umbau der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf in eine Forschungsanstalt sei Kohls Einsatz zu verdanken gewesen, sagt Waigel. Zudem habe der Altkanzler das Milliardenprojekt "Jäger 90" durchgeboxt und den Weltgipfel 1992 nach München geholt - politische Erfolge Kohls, von denen Bayern letztlich massiv profitiert habe. Helmut Kohl habe fast schon ein weiß-blaues Herz gehabt, findet Waigel.
Zuletzt gesehen haben sich die beiden vor etwa zwei Jahren. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hatte da zu einer Jubiläumsfeier für Kohls berühmtes 10-Punkte-Programm zur Wiedervereinigung Deutschlands eingeladen. Volker Rühe, Rudolf Seiters, Michael Glos - die alten Kämpen aus der Kohl-Ära: Alle waren sie da. Waigel muss jetzt wieder zurück zur Geburtstagsfeier seiner Frau. Nur eines noch: Natürlich habe es beim Jubiläum des 10-Punkte-Programms Pfälzer Küche gegeben. Dass die Gäste nach Art seiner Heimat bewirtet werden. Das war Kohl dann doch irgendwie wichtig.