Kleine Bayernpartei plötzlich ganz groß – was hat's gebracht?

Es war am 30. März diesen Jahres, als der bis dahin recht unscheinbare Stadtrat Richard Progl seinen großen Auftritt hatte: Progl war gerade dabei, Medienvertretern im Rathaus die Zukunftsstrategie der Bayernpartei nahezubringen, als hinter ihm die Türe aufging und durch den Spalt zwei CSU-Stadträte lugten. "Unsere neuen Parteimitglieder", sagte Progl und strahlte, als hätte man ihn gerade zum Oberbürgermeister ehrenhalber ernannt.
Nur SPD, CSU und Grüne haben mehr Sitze im Stadtrat
Es sollte in diesen unruhigen Tagen nicht die einzige Überraschung bleiben. Zusammen mit den beiden CSU-Überläufern Eva Caim und Mario Schmidbauer erklärte nämlich auch Johann Altmann von den Freien Wählern seinen Wechsel. Und ein paar Tage später folgte dann auch noch der Ex-SPDler Josef Assal.
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Seit dieser kleinen Revolution sitzt die bei der Kommunalwahl 2014 von den Wählern gerade mal mit 0,5 Prozent der Stimmen bedachte Bayernpartei plötzlich zu fünft im Stadtrat. SPD, CSU und Grüne haben mehr Sitze – dann kommen aber gleich die weiß-blauen Patrioten, deren großpolitisches Hauptanliegen es ist, den Freistaat Bayern vom Bund loszulösen.
Die Bayernpartei – ein Auffangbecken für die Enttäuschten?
In den Tagen nach den Überläufen ist viel geredet worden über die Bayernpartei als Auffangbecken für die Enttäuschten. Caim, Schmidbauer, Altmann und Assal – alle hatten mit ihren Stammparteien so ihre Händel gehabt. Aber, das betonte jeder einzelne von ihnen, die Streitereien allein seien nicht der Grund gewesen für den Wechsel.
Nun ist es auf den Tag genau hundert Tage her, dass die Bayernpartei diese wahnsinnigen Zuwächse verzeichnen konnte. Zeit also für eine kleine Bestandsaufnahme: Haben die Enttäuschten bei ihrer neuen politischen Heimat tatsächlich frischen Mut gefasst – oder ging auch bei der Bayernpartei der alte Trott einfach weiter?
18 Anträge und Anfragen hat die Bayernpartei in den vergangenen gut drei Monaten im Rathaus eingereicht – was zumindest keine ganz katastrophale Zahl ist. In den drei Monaten zuvor waren insgesamt nur fünf Anträge mit dem weiß-blauen Löwen-Wappen signiert. Da war Partei-Haudegen Richard Progl aber auch noch als Alleinkämpfer unterwegs.
Mehr Leute, mehr Aktivität – das ist also schon allein logisch sehr gut zu erklären. Die Grünen zum Beispiel haben in der gleichen Zeit aber ein zigfaches an Anträgen gestellt. Und der ganz große politische Aufschlag war auch nicht dabei.
Gegen nackte Haut und gegen Rucksäcke auf der Wiesn
Mal ein Antrag gegen zu viel nackte Haut auf dem Christopher-Street-Day, mal eine Einmischung in den Streit um den Kulturstrand – und diese Woche der Versuch, Rucksäcke und große Taschen von der Wiesn zu verbannen. Das war's im Wesentlichen.
Johann Altmann, der neue Partei-Frontmann im Rathaus, zieht trotzdem eine positive Leistungsbilanz. Die ersten hundert Tage seien "sehr gut gelaufen", sagt er. Die Stimmung in der Fraktion sei super, das Arbeitsklima top – und was die ganz großen Themen betrifft: In den Anfangstagen habe sich die neu zusammengewürfelte Truppe erst mal sortieren müssen. Deshalb habe man sich vorläufig nur "den kleinen Problemen vor der Haustüre" annehmen können.
In den anderen Fraktionen lästert man gerne
In den übrigen Stadtratsfraktionen wertet man das etwas anders. Er habe von der Bayernpartei von vornherein nicht viel erwartet und sei insofern voll und ganz bestätigt worden, sagt etwa Richard Quaas (CSU). Und FDP-Stadtrat Michael Mattar setzt hinzu: "Die Bayernpartei hat an Gewicht nicht zugenommen, bloß weil das jetzt mehr Leute sind."
Im Stadtrat gilt die Bayernpartei immer noch ein bisschen als Fremdkörper. Ihm sei immer noch nicht ganz klar, was diese Gruppierung überhaupt im Rathaus wolle, sagt Grünen-Chef Florian Roth. Das kommunalpolitische Profil sei ihm überaus schleierhaft. Zur Loslösung Bayerns habe er jedenfalls noch keine Initiative vernommen. Dabei könne man zur Förderung der bayerischen Tradition doch auch in der Stadt so viel unternehmen.
Vielleicht werden die Ziele schon in ein paar Wochen etwas klarer. Zwei der Überläufer vom März sind bei der Bayernpartei ratzfatz in die Chefetage aufgestiegen. Der frühere CSU-Mann Mario Schmidbauer ist inzwischen Vorsitzender des Münchner Bezirksverbands, das ehemalige Freie-Wähler-Mitglied Johann Altmann sein Stellvertreter.
Ende des Monats werde es eine Vorstandssitzung geben, in der ein Zehn-Punkte-Plan verabschiedet werden soll, sagt Schmidbauer. Wohnen, Verkehr, die Kliniksanierung – alles, was für München gut und wichtig ist, soll dort seinen Niederschlag finden. "Sie werden noch ihr weiß-blaues Wunder erleben", verspricht der 64-Jährige.
Dass in dem Papier dann auch Bayerns Unabhängigkeit eine Rolle spielen wird, ist eher unwahrscheinlich. Aber sie stünden durchaus alle zu dieser Kernforderung der Bayernpartei, sagt Altmann. Denn so wie das derzeit alles laufe, mit Bayern, Deutschland und Europa, da wäre eine Loslösung vielleicht nicht das Schlechteste.