Späti-Chaos in München: Warum sind Chips verboten, Gummibärchen aber erlaubt?

Für Kioske im Uni-Viertel gelten strengere Regeln: Kein Bier nach 22 Uhr, keine Chips nach 20 Uhr. Aber was ist überhaupt so schlimm an Chips? Und müssen jetzt alle Kioske Rollos für ihre Regale kaufen? Die AZ beantwortet offene Fragen. 
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Kiosbesitzer Shivan Beseh hat in seinem Kiosk an der Schellingstraße seit Neustem ein Rollo für das Chips-Regal.
Kiosbesitzer Shivan Beseh hat in seinem Kiosk an der Schellingstraße seit Neustem ein Rollo für das Chips-Regal. © Daniel Loeper
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Sein Chips-Regal muss Kioskbetreiber Shivan Beseh seit Neustem nach 20 Uhr abdecken. Auch Bier darf er nach 22 Uhr keines mehr verkaufen. Diese Auflage hat ihm das Münchner KVR gemacht, weil sein Späti im Uni-Viertel liegt und weil sich dort Anwohner über Lärm beschweren. Auch für die anderen Spätis dort gelten die neuen Regeln. Die AZ hat vor Kurzem darüber berichtet – und hat noch viele offene Fragen.

Warum müssen die Spätis im Uni-Viertel die Chips abdecken, aber nicht die Gummibärchen, die Kekse, den Kaugummi? Müssen sich jetzt Kioske in ganz München Rollos für ihre Regale kaufen? Und warum dürfen Tankstellen weiterhin Bier (und sogar Chips!) verkaufen? Und finden wirklich alle – so wie die CSU – die neuen Regeln toll?

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Die letzte Frage lässt sich am leichtesten beantworten. Die FDP ist gegen die neuen Verbote. "Spätis hat es in München eh viel zu lange nicht gegeben. Ich habe immer neidvoll nach Berlin geschaut. Jetzt sollten wir uns das bisschen Liberalität, das erst vor Kurzem entstanden ist, nicht gleich wieder nehmen lassen", sagt der Chef der FDP im Münchner Stadtrat Jörg Hoffmann.

"Es sind doch nicht die Spätis Schuld, wenn die Stadt nicht hinterherkommt"

Dass der Lärm im Uni-Viertel mehr geworden ist und dass das für Anwohner ein Problem ist, stellt Hoffmann nicht in Abrede. Doch trotzdem hält er es für falsch, darauf mit Verboten für die Spätis zu reagieren. Vielmehr müssten Polizei und Verwaltung dafür sorgen, dass nicht die ganze Nacht Feiernde auf der Straße herumlärmen. "Es sind doch nicht die Spätis Schuld, wenn die Stadt nicht hinterherkommt, dafür zu sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden", sagt Hoffmann auch.

Die übrigen Fragen sind komplexer. Gerne hätte die AZ dazu mit dem Verantwortlichen im KVR gesprochen. Doch "leider" konnte die Pressestelle kein Telefonat anbieten, sondern beantwortete Fragen schriftlich.

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Generell handle es sich bei jedem Kiosk in München um ein Einzelhandelsgeschäft, sprich Supermarkt, für den das Ladenschlussgesetz gilt. Um 20 Uhr in Bayern ist bekanntlich Schluss. Parallel können die Betreiber aber eine sogenannte erlaubnisfreie Gaststätte anmelden. Dann haben sie Privilegien. Die Kioske dürfen dann laut Paragraf 7 im Gaststättengesetz "Nebenleistungen" anbieten.

Dazu zählt, dass der Kiosk dann Flaschenbier, alkoholfreie Getränke, Tabak- und Süßwaren an jedermann über die Straße abgeben darf. Und ja: Im Gesetz ist explizit die Rede von Flaschenbier. Zumindest im Uni-Viertel hat das KVR den Bierverkauf ab 22 Uhr verboten. Überall sonst dürfen die Spätis weiterhin Flaschenbier verkaufen, aber nicht anderen Alkohol.

Was unter die Kategorie "Süßware" fällt, wird in dem Gaststättengesetz nicht näher ausgeführt. Doch offensichtlich zählt das KVR Chips nicht dazu.

Nicht überall müssen die Kioske Chips abdecken

Das heißt: Prinzipiell dürfen Spätis nirgendwo in München nach 20 Uhr Chips verkaufen – Flaschenbier, Süßwaren und Tabak jedoch schon. Außer im Uni-Viertel: Dort hat das KVR den Verkauf von Flaschenbier nach 22 Uhr verboten. Ein Rollo für ihr Chips-Regal müssen jetzt trotzdem nicht alle Kioske anbringen. Das KVR teilt mit: "Solange bei anderen erlaubnisfreien Gaststätten keine anhaltende Beschwerdelage entsteht, dürfen diese die gesetzlich nicht zugelassenen Waren zwar auch nicht verkaufen, müssen Sie aber nicht abdecken."

Für Tankstellen wiederum gelten andere gesetzliche Regeln, weil sie "Reisebedarf" abdecken. Wer Bierdurst oder Chips-Hunger hat, muss in Zukunft also zur nächsten Tanke – oder zu einem der vielen Automaten, die gerade in immer mehr Straßen in München aufgestellt werden. Dem Kioskbetreiber Shivan Beseh hilft das allerdings nicht. Er bangt derweil darum, wie lange sich sein Geschäft an der Schellingstraße noch halten kann.

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  • Der wahre tscharlie am 14.08.2025 16:46 Uhr / Bewertung:

    Vielleicht sollten wir alle mal eine Zeitreise in das Jahr 1970 machen.
    Damals gab es das "Picnic" in der Leopoldstrasse. Das erste Schnellrestaurant in München in dem man sogar Lebensmittel aus dem Automaten ziehen konnte.

    Im Netz gibt es Bilder und Texte dazu. ( Da ich nicht weiß ob die Links von mir veröffentlicht werden, müssen sich Interessierte das selber suchen)
    Das Interessante an den Fotos ist, wie die Hippies auf dem Gesteig rumhängen. Und in einem Beitrag schreibt jemand, dass ein Anwohner sogar ein Sofa dort hinstellte, damit sich die Hippies drauf ausruhen können.

    Und im Vergleich zu den Spätis frage ich mich, wann ist in München die Liberalität und das "Leben und leben lassen" verloren gegangen?

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  • Wickie712 am 14.08.2025 08:40 Uhr / Bewertung:

    Die Frage ist überhaupt, ob ein Späti wirklich nach GastG bewertet werden kann.

    In § 1 Abs. 1 steht: Ein Gaststättengewerbe im Sinne dieses Gesetzes betreibt, wer im stehenden Gewerbe
    1. Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Schankwirtschaft) oder
    2. zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft),

    Im Journalismus hätte man nun mal in der juritischen Bibliothek erfgaren können, ob es einen Kommentar zum Gesetz gibt und dann dort die Definition zum Artikel stellen können.
    So einfach § 1 Abs 1 Nr. 1 auch klingt, so ist das auch theoretische beim Supermarkt möglich.

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  • Der wahre tscharlie am 13.08.2025 17:41 Uhr / Bewertung:

    Ironische Frage......Warum sind jetzt Chips auch verboten und Gummibärchen nicht?
    Weil sie beim Draufbeissen ein lautes Knackgeräusch verursachen.

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