Keine Kritik mehr? Münchner Grüne werfen OB Reiter Deal mit Söder vor

Damit Reiter OB bleiben kann, muss der Landtag die Altersgrenze kippen. Söder hat das vor. Die Grünen finden: Seitdem ist das Verhältnis der beiden kuscheliger.
Christina Hertel |
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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter am Mittwoch beim Termin im Presseclub.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter am Mittwoch beim Termin im Presseclub. © imago/Lindenthaler

München - Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat einen Wunsch: Er will Chef im Münchner Rathaus bleiben. Seine Aufgabe mache ihm großen Spaß, verkündete er bereits vergangenen Sommer. Doch damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, braucht er nicht nur die Gunst seiner Wähler. Er ist ausgerechnet auf einen Mann angewiesen: Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Künftig keine Altersgrenze mehr für OBs?

Denn bis jetzt gilt in Bayern eine Altersgrenze für Oberbürgermeister. Sie dürfen bei Amtsantritt nicht älter als 67 sein. Reiter wird im Wahljahr 2026 aber 68. Vor gut vier Wochen hat Söder schließlich überraschend verkündet, dass er die Altersgrenze abschaffen will.

Den Chefs des Grünen-Stadtverbands Svenja Jarchow und Joel Keilhauer fällt nun auf, dass sich das Verhältnis zwischen dem OB und dem Ministerpräsidenten verändert haben soll. Reiter habe „jede kritische Kommentierung Richtung Staatsregierung eingestellt“ – so heißt es in einer Pressemitteilung der beiden.

Dieter Reiter: schweigt eisern 

„Dieter Reiter hat sich in eine fatale Abhängigkeit begeben, seine politische Zukunft hängt jetzt vom Wohlwollen des Ministerpräsidenten ab“, sagt Svenja Jarchow. Und ihr Co-Vorsitzender Keilhauer fügt hinzu: Reiter schweige „laut“ zum Versagen des Freistaats beim Wohnungsbau und zur Stammstrecke. Das lege den Verdacht eines Deals nahe, sagt Keilhauer: „Keine Kritik aus München im Landtagswahlkampf im Gegenzug für eine Gesetzesänderung.“

Das Vorstandsduo der Münchner Grünen: Svenja Jarchow und Joel Keilhauer.
Das Vorstandsduo der Münchner Grünen: Svenja Jarchow und Joel Keilhauer. © Andreas Gregor/Grüne München

Was ist dran? Gab es tatsächlich eine Absprache? Dieter Reiter selbst will den Vorwurf der beiden Grünen-Chefs nicht kommentieren: „Ich gehe davon aus, dass die Absender darauf keine ernsthafte Antwort erwarten. Das kann sich doch nur um einen Faschingsscherz handeln.“

Kritik bei einem Pressetermin

Allerdings ist es schon das zweite Mal diese Woche, dass Reiter nach seinem Verhältnis zu Söder gefragt wird. Auch bei einem Gespräch im Presseclub am Mittwoch erklärte er, dass er nicht wisse, was Söder zu seiner Meinungsänderung bewogen habe.

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Bei diesem Termin kritisierte Reiter übrigens das Wohnungsbauprogramm des Freistaats – zumindest ein bisschen. Zum Beispiel sagte er, dass der Freistaat bisher nur ein paar Hundert Wohnungen gekauft, aber keine gebaut habe. Das sei „verdammt wenig“. Zugleich nahm er den neuen CSU-Bauminister Christian Bernreiter in Schutz. Er glaube, dass Bernreiter wirklich etwas bewegen will, so Reiter.

Faschingsscherz oder ernste Kritik?

Wie glücklich macht das den SPD-Spitzenkandidaten Florian von Brunn, falls eines der prominentesten Gesichter der Partei kurz vor der Wahl auf Kuschelkurs mit der CSU gehen sollte? Auch Brunn vermutet einen „Beitrag zu Fasching“ seitens der Grünen.

Die Opposition im Rathaus, die nicht dafür bekannt ist, einen besonders sanften Umgang mit dem OB zu pflegen, hält sich in diesem Fall zurück. Stefan Jagel von der Linken findet: Lieber sollten sich die Grünen um ihr eigenes Verhältnis zur CSU kümmern. „Die Grünen biedern sich doch gerade selbst immer wieder bei Söder an, weil sie unbedingt regieren wollen“, sagt Jagel.

Auch dem Fraktionschef der FDP, Jörg Hoffmann, ist nicht aufgefallen, dass Reiter seit Neuestem netter zu Söder sein soll. Er glaube nicht an eine Absprache. Statt um München gehe es dem Ministerpräsidenten um die vielen älteren CSU-Landräte, die auch aufhören müssten, wenn die Altersgrenze nicht fällt.

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Ganz ähnlich äußert sich CSU-Chef Manuel Pretzl. „Bei seiner Entscheidung hat Söder ganz bestimmt nicht auf Dieter Reiter geschaut.“ Pretzl hält die Abschaffung der Altersgrenze übrigens für richtig – auch, wenn es ein CSU-Kandidat dann im Wettkampf gegen den Amtsinhaber schwerer hat. „Wer in München OB werden will, muss alle schlagen können.“

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12 Kommentare
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  • Plato's Retreat am 17.02.2023 08:51 Uhr / Bewertung:

    Es war ein sehr geschicktes Manöver von Reiter, ausgerechnet Frau Verena Dietl zur Dritten Bürgermeisterin zu machen. Wirklich jeder sieht, dass sie gegen Frau Habenschaden keine Chance gehabt hätte.

    Und weil die CSU keinen Grünen OB:*IN in München will - das wäre auch eine Katastrophe für die bayerische Wirtschaft - schluckt Herr Söder die Kröte und sorgt dafür, dass Herr Reiter nochmal antreten darf.

  • TheBMW am 17.02.2023 08:32 Uhr / Bewertung:

    Die Grünen erwecken immer mehr den Eindruck einer Streitpartei. Der Habeck greift den Lindner an, in der Ampel kracht es permanent und auch in der Münchner Stadtspitze kracht es immer öfter. Die AZ hat ja selbst kurz nach der letzten OB-Wahl berichtet, wie sich einige langjährige Stadtratsmitglieder ob des arroganten, abschätzigen und lauten Tons der Grünen nach dem Einzug entsetzt gezeigt haben.

  • Annamirl am 16.02.2023 23:21 Uhr / Bewertung:

    Ich halte es auch für richtig, dass diese Altersgrenze aufgehoben wird. Was ist da schlecht daran?

    Es ist ein Armutszeugnis, wenn die Grünen nichts anderes zu tun haben als die geplante Aufhebung dieser Altersgrenze, die im Übrigen allen Kommunalpolitikern, egal welcher Partei sie angehören, zugute kommt, durch den Dreck zu ziehen. In München gibt es genug zu tun, wenn ich nur an die maroden Schulen, fehlenden Kita-Plätze, tägliches Kollabieren des ÖPNV ... denke. Die Verwaltung ist schlecht, schlechter, am schlechtesten, aber die Aufhebung der Altersgrenze, ja die ist jetzt wirklich ein Problem, das man angehen muss.

    Ich denke nie und nimmer, dass Reiter mit Söder gemeinsame Sache macht, und Wohnungen hat die Landeshauptstadt selber mit ihrem München-Modell genügend fast verschenkt. Nein, die konnte man nicht im Erbbaurecht vergeben, wo sie dann irgendwann einmal wieder zur Landeshauptstadt München zurückgekommen wären, die wurden weit unter ihrem Wert verkauft.

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