Herrmann: Kein Schnaps mehr an der Tanke

Delikte haben um 3,7 Prozent zugelegt. Innenminister Herrmann erwägt Verkaufsverbot für harte Alkoholika nach Ladenschluss: „Limo und Bier ja – aber keine Flasche Wodka“.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Illustration
imago Illustration

MÜNCHEN - Delikte haben um 3,7 Prozent zugelegt. Innenminister Herrmann erwägt Verkaufsverbot für harte Alkoholika nach Ladenschluss: „Limo und Bier ja – aber keine Flasche Wodka“.

Erst saufen – dann zuschlagen. Bei rund 65000 aller im letzten Jahr in Bayern geklärten Straftaten spielte Alkohol eine Rolle. Besonders häufig waren die Täter bei Körperverletzungen alkoholisiert. Vor allem Jugendliche und Heranwachsende trinken sich offenbar erst gezielt Mut an, ehe sie auf ihre Mitmenschen losgehen. Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein unhaltbarer Zustand. Bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik 2009 kündigte er einschneidende Gegenmaßnahmen an – etwa ein nächtliches Verkaufsverbot für harte Sachen ähnlich wie in Baden-Württemberg.

Die Statistik spricht gerade in Sachen Promille und Kriminalität eine deutliche Sprache. Insgesamt waren rund 16 Prozent aller erwischten Täter alkoholisiert. Mit 18 Prozent war das zum Beispiel mehr als jeder sechste Jugendliche. Herrmann: „Bei den heranwachsenden Tatverdächtigen ist die Situation noch alarmierender: Über 30 Prozent in dieser Altersgruppe hatten zur Tatzeit Alkohol im Blut.“ Koma-Saufen und Flatrate-Partys sind nur zwei der Schlagworte, die dem Innenminister dazu einfallen.

Beim Zoom auf das Thema Gewaltdelikte wird die Sache noch krasser: 41 Prozent aller Tatverdächtigen standen unter Alkoholeinfluss, bei den Heranwachsenden mehr als 55 Prozent. Diese Daten lassen für den CSU-Politiker nur einen Schluss zu: „Alkohol ist der Aggressionsverstärker Nummer eins!“

Woran liegt das, wieso stieg die Zahl der angetrunkenen Täter im letzten Jahr gegenüber 2008 schon wieder um 3,7 Prozent? Der Innenminister hat einen Hauptgrund ausgemacht: die ständige Verfügbarkeit von hochprozentigem Alkohol vor allem zur Nachtzeit. „In der Phase des ,Vorglühens’ – wie man das heute nennt – decken sich junge Erwachsene mit Schnaps und Alcopops ein und geben diese auch an Jugendliche weiter.“

Abhilfe kann nach Ansicht Herrmanns nur ein nächtliches Verkaufsverbot für harte Sachen bringen, durch die Unterbrechung der „Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit“. Erreichen will er das durch die Ausnahme von der Ausnahme bei der Novellierung des Gaststättengesetzes. Lokale oder Tankstellen mit der Lizenz für den Außer-Haus-Verkauf auch außerhalb der üblichen Verkaufszeiten dürften dann nach dem normalen Ladenschluss nichts Hochprozentiges mehr verkaufen. Herrmann zur AZ: „Limo und Bier ja – aber keine Flasche Wodka.“

Der Innenminister bezieht sich bei seinem Vorstoß auf eine neue Bestimmung in Baden-Württemberg, wo zwischen 22 Uhr und 5 Uhr kein Alkohol mehr verkauft werden darf. Die Reaktionen darauf sind bisher gemischt. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Rüdiger Seidenspinner, ist dafür. Er erklärte, durch die neue Regelung wolle man auch „ein Stück weit die Gewaltproblematik bekämpfen“. Jürgen Ziegner, Chef des Zentralverbandes des Tankstellengewerbes glaubt, dass die Regelung nichts nutzen wird: „Die Zielgruppe, die öffentlich Alkohol missbraucht, hat ein Handy mit Uhrzeit und wird sich vor 22 Uhr eindecken“, mutmaßt er. Und befürchtet, ein Verkaufsverbot von Alkohol würde die Existenz vieler Tankstellen gefährden.

Innenminister Herrmann lässt sich von solcher Klientel-Kritik nicht beirren: „Wir wollen das in Baden-Württemberg sorgfältig beobachten und die Verbote in unsere Gesetzgebung einbringen.“

Rudolf Huber

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.