Interview

Hans Theiss: "Die CSU ist viel weniger borniert, als manche meinen"

Hans Theiss will seine Partei offener für queere Themen machen, mehr für homosexuelle Senioren tun - und ein neues Denkmal bauen.
Autorenprofilbild Christina Hertel
Christina Hertel
|
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
12  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Hier soll ein Denkmal für die Schwulenbewegung stehen, fordert Hans Theiss (CSU).
Hier soll ein Denkmal für die Schwulenbewegung stehen, fordert Hans Theiss (CSU). © Daniel von Loeper

AZ-Interview mit Hans Theiss: Seit 2014 sitzt der Arzt im Stadtrat. Er ist stellvertretender CSU-Fraktionschef.

AZ: Herr Theiss, warum treffen wir uns hier - am Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz im Glockenbachviertel?
HANS THEISS: Ich gebe zu: Ich wusste bis vor kurzem selbst nicht, dass Karl Heinrich Ulrichs ein Pionier der Schwulenbewegung im 19. Jahrhundert war. Das war ein ganz mutiger Jurist, der 1867 auf dem Juristentag in München dafür eintrat, dass Homosexualität entkriminalisiert wird. Von diesem Mut bin ich beeindruckt. Ich wünsche mir deshalb, dass er hier durch ein Denkmal gewürdigt wird.

Sie haben außerdem ein Positionspapier verfasst, was für LGBTIQ* getan werden muss. Reicht es nicht, wenn sich Grüne und SPD darum kümmern?
Ich finde es wichtig, dass wir uns als Volkspartei, aber auch als liberale Großstadtpartei zu dem Thema äußern. Außerdem gibt es auch Bereiche in München, wo man unter grün-roter Führung zulegen kann.

Alters- und Pflegeheime für Menschen der LGBTIQ*-Community

Wo zum Beispiel?
Es müsste mehr Alters- und Pflegeheime für Menschen der LGBTIQ*-Community geben. Gerade soll eines geschaffen werden, ich würde mir allerdings mehr Einrichtungen und mehr Tempo wünschen.

Sie fordern zudem, dass homosexuelle Paare bei Adoptionen die gleichen Rechte haben sollten. Viele CSUler lehnten sogar die "Ehe für alle" ab. Wie wollen Sie das vermitteln?
Wir werden als CSU in eine Schublade gesteckt, die mich persönlich ärgert. Denn gerade die CSU München ist bei Weitem nicht so borniert, wie manche meinen. Mit dem Positionspapier will ich aber auch ein Signal in die Partei hineinsenden. Denn wenn man sich in der Partei umhört, ist da auch mehr Offenheit möglich, wenn man sich nur traut. Und beim Thema Adoption stört mich persönlich einfach die Ungleichbehandlung. Momentan ist es so: Wenn in einer heterosexuellen Ehe ein Kind auf die Welt kommt und der Ehemann nicht der biologische Vater ist, wird er dennoch automatisch als Vater anerkannt. Bei lesbischen Ehepartnerinnen ist das nicht so.

Sollten auch nicht-verheiratete homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen?
Wenn in einer Familie Liebe, Zuneigung und Verantwortung gelebt werden, ist es mir egal, ob die Eltern homosexuell, heterosexuell, verheiratet oder nicht verheiratet sind. Es geht einzig um das Wohl des Kindes. Wenn das Jugendamt überprüfen kann, dass das Paar verantwortungsbewusst ist, kann ich mir Adoption bei eingetragenen Lebenspartnerschaften vorstellen.

Beauftragter für die LGBTIQ*-Community.

Sie fordern einen Beauftragten für die LGBTIQ*-Community. Was soll er konkret tun?
Innerhalb der Community gibt es ganz unterschiedliche Wünsche und Sorgen. Das geht von Altenheimen bis zur Hasskriminalität. Ich halte es für sinnvoll, wenn jemand die Wünsche sammelt und priorisiert. Auch Polizeidienststellen sollten speziell geschultes Personal bekommen. Ich finde es wichtig, dass dort Hassverbrechen gegen Homosexuelle mit dem gleichen Stellenwert wie Hassverbrechen gegen Glauben oder Herkunft behandelt werden.

Hätte die CSU-Regierung das nicht längst tun können?
Unser Justizminister hat das Thema gut auf dem Schirm. Generell würde ich mich freuen, wenn die Bemühungen darüber hinaus verstärkt werden.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Haben Sie keine Sorge, dass das Wählerstimmen kostet?
Grundsätzlich muss ich sagen: Den Leuten in ihre sexuelle Identität reinzureden, finde ich vollkommen unmöglich. Da ist es mir egal, ob das Stimmen kostet. In München glaube ich das sowieso nicht. Schließlich macht "leben und leben lassen" München aus. In gesellschaftlichen Fragen müssen wir uns als CSU progressiv aufstellen, wenn wir bei der Kommunalwahl 2026 eine Chance haben wollen. Ob das Stimmen auf dem Land kostet, weiß ich nicht. Ich finde aber, dass wir als konservative Partei nicht stehenbleiben dürfen. Auf dem CSD 2018 habe ich allerdings auch gesagt: Toleranz ist keine Einbahnstraße. Ich würde mir wünschen, dass man denen, die noch Zeit brauchen, auch mit Toleranz begegnet.

Beim CSD 2018 wurde der Wagen der CSU blockiert. Die Community will Ihre Unterstützung wohl nicht.
Uns hat nicht die Community insgesamt blockiert, aber einige haben offensichtlich noch Vorbehalte. Womöglich fürchten sie um ihre Wählerschaft, wenn das Feindbild CSU kollabiert. Ich finde es allerdings schlimm, wenn es bloß künstlich aufrechterhalten wird.

Werden Sie heuer beim CSD mit einem Wagen dabei sein?
Die CSU-Stadtratsfraktion hatte einen Wagen beantragt. Aber die Veranstalter haben ihn aus Sorge vor Protesten abgelehnt. Das finde ich schade und kann nur sagen, dass wir Protest ausgehalten hätten. Ich freue mich aber, dass wir zum ersten Mal einen Stand auf dem Marienplatz haben werden. Da stelle ich mich gern der Diskussion.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
12 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Leserin am 14.07.2022 19:02 Uhr / Bewertung:

    Sehr zeitgemäss Herr Theiss. Was ich aber überwiegend aus der CSU Stadtratsfraktion höre und lese ist eher ewig gestrig als zeitgemäss. In einem einzelnen Thema die Positionierung modernisieren reicht nicht.

  • Andi K. am 13.07.2022 10:38 Uhr / Bewertung:

    Der gute alte FJS rotiert im Grab und würde laufend Watschen verteilen. Diese Partei ist nur noch ein trauriger Schatten ihrer einst großen Zeit.

  • Witwe Bolte am 13.07.2022 13:07 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Andi K.

    Bei den anderen Parteien ähnlich: Willy Brandt würde sich auch umdrehen, wenn er seine SPD im heutigen Zustand erleben müsste oder Petra Kelly von den Grünen.......

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.