Geht's noch dichter? Schwabing steht auf gegen die Hinterhof-Zerstörung

Die letzten Grünfleckerl verschwinden im engsten Münchner Viertel. Am Samstag gehen die Bürger mit (fast) allen Rathaus-Parteien dagegen auf die Straße.
Irene Kleber |
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60 Bäume weg und fast der ganze Innenhof? Auf diese Wiese im Karree Ansprenger-/Degenfeld-/Karl-Theodor-Straße soll zwischen die drei Hochhäuser noch ein Haus. Und die Hochhäuser sollen verbunden werden. Die Anwohner Laurence Wuillemin (62), Dima Hightower (36), Werner Jung (69) und Marina Burwitz (58) wollen sich das nicht gefallen lassen.
Bernd Wackerbauer 8 60 Bäume weg und fast der ganze Innenhof? Auf diese Wiese im Karree Ansprenger-/Degenfeld-/Karl-Theodor-Straße soll zwischen die drei Hochhäuser noch ein Haus. Und die Hochhäuser sollen verbunden werden. Die Anwohner Laurence Wuillemin (62), Dima Hightower (36), Werner Jung (69) und Marina Burwitz (58) wollen sich das nicht gefallen lassen.
Auch zur Straße raus machen die Bewohner auf ihren bedrohten Innenhof an der Apianstraße aufmerksam.
Bernd Wackerbauer 8 Auch zur Straße raus machen die Bewohner auf ihren bedrohten Innenhof an der Apianstraße aufmerksam.
Die letzten grünen Fleckerl im Wohngebiet liegen nah beieinander. Die Mietergemeinschaften haben sich jetzt zusammengetan.
Google Maps/AZ 8 Die letzten grünen Fleckerl im Wohngebiet liegen nah beieinander. Die Mietergemeinschaften haben sich jetzt zusammengetan.
Diese Bäume im Innenhof sollen für die Bebauung fallen. Dabei ist drumherum eh schon so viel Beton.
Bernd Wackerbauer 8 Diese Bäume im Innenhof sollen für die Bebauung fallen. Dabei ist drumherum eh schon so viel Beton.
Hier wird nix gesägt im Hinterhof! Jedenfalls wünschen sich das die Anwohner an der Apianstraße.
Bernd Wackerbauer 8 Hier wird nix gesägt im Hinterhof! Jedenfalls wünschen sich das die Anwohner an der Apianstraße.
Auch diese Grünfläche im Hohenzollernkarree, auf der die Anwohnerin Edith H. hier steht, wird es wohl bald nicht mehr geben.
Bernd Wackerbauer 8 Auch diese Grünfläche im Hohenzollernkarree, auf der die Anwohnerin Edith H. hier steht, wird es wohl bald nicht mehr geben.
Lauben, Kopfsteinpflaster, Spielplatz: Noch ist hier eine der hübschesten Hinterhofidyllen Schwabings, von der Straße aus nicht einsehbar. Hier will einer der Eigentümer . . .
Bernd Wackerbauer 8 Lauben, Kopfsteinpflaster, Spielplatz: Noch ist hier eine der hübschesten Hinterhofidyllen Schwabings, von der Straße aus nicht einsehbar. Hier will einer der Eigentümer . . .
. . . ein vierstöckiges Haus reinstellen - genau da, wo Mieter Marcus Roithmaier im Foto steht. Er hat im Hochparterre sein Architekturbüro.
Bernd Wackerbauer 8 . . . ein vierstöckiges Haus reinstellen - genau da, wo Mieter Marcus Roithmaier im Foto steht. Er hat im Hochparterre sein Architekturbüro.

München - So, jetzt langt's ihnen. Jetzt haben sie die Nase voll davon, dass das nicht aufhört mit dem Zugriff auf ihr letztes bisschen Grün, mit der Gier, jedes Fitzelchen Fläche in Schwabing-West, auf dem noch kein Haus steht, gewinnbringend zuzubauen.

"Dichter als wir hier im Viertel lebt keiner in München", sagt Marina Burwitz, die seit über 20 Jahren in einem der achtstöckigen Häuser an der Ansprengerstraße wohnt und für die Grünen im örtlichen Stadtviertelparlament sitzt.

Schwabing: 15.800 Menschen leben auf einem Quadratkilometer

Und sie hat recht. In Schwabing-West ballen sich sogar mehr Menschen als nebenan in der engstens bebauten Maxvorstadt. Auf einem Quadratkilometer leben hier 15.800 Menschen (Maxvorstadt 12.060, Neuhausen 7.761, Milbertshofen 5.715).

Am Samstag, um 11 Uhr, wollen sie sich alle zusammentun zum Protest: drei betroffene Mietergemeinschaften aus dem Viertel, der Bund Naturschutz und Grüne, dazu Stadträte von ÖDP, SPD und CSU, Linke-Aktivisten und der örtliche Bezirksausschuss. In der Mitte allen Ärgers, an der Apian-, Ecke Herzogstraße, stehen sie auf zur Aktion "Schützt unsere grünen Innenhöfe". Das KVR hat's genehmigt, "wir gehen da hin", sagt Marina Burwitz aufgebracht, "egal wie sehr es vielleicht regnet."

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Es regnet auch am Donnerstagmittag, als die 58-Jährige einige ihrer Mitstreiter der Mietergemeinschaft "AnDeKaT" (Ansprenger-/Degenfeld-/Karl-Theodor-Straße) zum Fototermin zusammentrommelt. Auf die Wiese, um die es geht.

Bäume sollen Neubauten weichen

Man muss sich das so vorstellen: In dem Karree stehen drei achtstöckige Würfel aus den 60er Jahren mit 132 Wohnungen. Dazwischen eine Grünfläche wie ein kleiner Park, das letzte größere Grün im Umkreis dichter Bebauung, mit Wiese, Spielplatz, Tischtennisplatte, alten Linden, Eichen, Ahorn. An die 60 Bäume haben die Mieter gezählt.

Diese Bäume im Innenhof sollen für die Bebauung fallen. Dabei ist drumherum eh schon so viel Beton.
Diese Bäume im Innenhof sollen für die Bebauung fallen. Dabei ist drumherum eh schon so viel Beton. © Bernd Wackerbauer

Im Sommer spielen Kinder hier, Anwohner sitzen im Grün, Vögel flattern und Eichhörnchen klettern herum, Igel, Fledermäuse und Insekten leben hier. Dieses Grün filtert die Abgase und den Lärm der lauten Karl-Theodor-Straße, und es spendet Schatten in heißen Sommern.

Das alles soll weg, weil die Bayern Versicherung Lebensversicherung AG (Teil der Versicherungskammer Bayern), der das Areal gehört, hier massiv hineinbauen will: Die drei Häuser sollen fünfstöckig miteinander verbunden werden, und in die Mitte soll auch noch ein fünfstöckiger Neubau. "Dann ist nicht nur diese grüne Lunge weg", sagt Marina Burwitz, "es wird auch noch stockfinster in vielen Wohnungen, sowas geht überhaupt nicht."

"Wie kann man das bloß kaputtmachen hier"

Keine 500 Meter Luftlinie entfernt, im Hohenzollernkarree entlang der Herzog-, Erich-Kästner-, Clemens- und Fallmerayerstraße, geht's den 230 Mietparteien nicht besser. Die Max-Emanuel Immobilien GmbH, die die Häuser 2016 vom Immobilienkonzern Patrizia gekauft hat, will in den Innenhof mit Spielplatz und vielen lauschigen Ecken, einen mehrstöckigen Neubauriegel mit an die 40 Wohnungen hineinstellen. Dann ist auch hier Schluss mit Hofidylle, und Platz zum Luftholen. "Entsetzlich", sagt ein Anwohner, "wie kann man das bloß kaputtmachen hier."

Und noch ein dritter Fall bringt die Schwabinger so auf, dass sie dazu 2.000 Protestunterschriften gesammelt haben. Es könnte nämlich bald einer der zauberhaftesten Hinterhöfe im Viertel zerstört werden: der hinter den Altbauten an der Apian-/Ecke Herzogstraße.

Die letzten grünen Fleckerl im Wohngebiet liegen nah beieinander. Die Mietergemeinschaften haben sich jetzt zusammengetan.
Die letzten grünen Fleckerl im Wohngebiet liegen nah beieinander. Die Mietergemeinschaften haben sich jetzt zusammengetan. © Google Maps/AZ

Eine Zierkirsche, ein Aprikosen- und Walnussbaum, stehen da, eine Brandschutzmauer ist mit Efeu bewachsen, gemütliche Sitzecken gibt es auf altem Kopfsteinpflaster und einen kleinen Spielplatz.

"Hier sitzen wir mit der tollen Hausgemeinschaft zusammen", sagt Mieter Marcus Roithmaier, "hier trifft sich die ganze Nachbarschaft beim Hofflohmarkt, hier wird gespielt und gelebt und Luft geholt."

Für Studentenwohnungen sollen uralte Bäume gefällt werden

Nun will aber einer der beiden Eigentümer, die sich das Fleckerl teilen, einen vierstöckigen Neubau hineinstellen, uralte Bäume fällen und damit die ganze gewachsene Idylle kaputtbaggern, für Studentenwohnungen, wie es heißt.

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"Das darf nicht passieren", sagt CSU-Stadträtin Evelyne Menges, deren Tiernotrettungsverein dort im Sommer die Kündigung bekommen (und glücklicherweise um die Ecke ein neues Zuhause gefunden) hat. "Jedes Fleckerl Grün zählt in Schwabing", sagt sie, "jeder Baum, jede Frischluftschneise. Was hier im engen Schwabing passiert, ist völlig unverhältnismäßig, das dürfen wir nicht passieren lassen."

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  • KRM am 18.10.2020 21:25 Uhr / Bewertung:

    "Auf einem Quadratkilometer leben hier 15.800 Menschen (Maxvorstadt 12.060, Neuhausen 7.761, Milbertshofen 5.715)."

    Fast der ganze Olympiapark liegt im Stadtteil Milbertshofen / Am Hart. Wird die riesige Fläche herausgerechnet schaut es düster aus: der letzte grüne Bolzplatz am Frankfurter Ring wurde für "Wohnen für Alle" geopfert, Milbertshofen hat die meisten Sozialleistungsbezieher und den höchsten Ausländeranteil, etc. Milbertshofen ist bereits jetzt so dicht bebaut, dass so gut wie keine Nachverdichtung möglich ist.

    Traurig um jede Grünfläche die vernichtet werden ! Aber bei den qm-Preisen bei Kauf oder Miete bleibt den Eigentümern oftmals keine andere Wahl, um einen Gewinn zu erzielen .....

  • Kritischer Beobachter am 18.10.2020 15:26 Uhr / Bewertung:

    Alle Parteien, die jetzt gegen die Neubauten Sturm laufen, sind für mehr bezahlbaren Wohnraum in München. Wie passt das zusammen? Mehr Wohnraum bedeutet zwangsläufig Verdichtung und Bebauung der letzten Freiflächen. Wer das nicht will, darf nicht mehr Wohnraum versprechen. Allerdings sollte Schluss sein mit Luxuswohnungen, wie sie jetzt gerade wieder am Nochherberg genehmigt wurden. Kleinere Einheiten, nicht protzig, sondern sozial wären sinnvoll.

  • MaxlH am 18.10.2020 12:18 Uhr / Bewertung:

    Alle jubeln doch, dass BMW im FIZ Jobs für 20000 Leute schafft. Die Menschen müssen doch irgendwo wohnen, und da ist Schwabing das naheliegenste Viertel.
    Man kann halt nicht gegen Wohnungsbau sein, und woanders den kapitalistischen Wolf auf die Wiese lassen. Da fehlt's den Münchnern an der Verhältnismäßigkeit - schon seit jeher.

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