Geht's noch dichter? Schwabing steht auf gegen die Hinterhof-Zerstörung
München - So, jetzt langt's ihnen. Jetzt haben sie die Nase voll davon, dass das nicht aufhört mit dem Zugriff auf ihr letztes bisschen Grün, mit der Gier, jedes Fitzelchen Fläche in Schwabing-West, auf dem noch kein Haus steht, gewinnbringend zuzubauen.
"Dichter als wir hier im Viertel lebt keiner in München", sagt Marina Burwitz, die seit über 20 Jahren in einem der achtstöckigen Häuser an der Ansprengerstraße wohnt und für die Grünen im örtlichen Stadtviertelparlament sitzt.
Schwabing: 15.800 Menschen leben auf einem Quadratkilometer
Und sie hat recht. In Schwabing-West ballen sich sogar mehr Menschen als nebenan in der engstens bebauten Maxvorstadt. Auf einem Quadratkilometer leben hier 15.800 Menschen (Maxvorstadt 12.060, Neuhausen 7.761, Milbertshofen 5.715).
Am Samstag, um 11 Uhr, wollen sie sich alle zusammentun zum Protest: drei betroffene Mietergemeinschaften aus dem Viertel, der Bund Naturschutz und Grüne, dazu Stadträte von ÖDP, SPD und CSU, Linke-Aktivisten und der örtliche Bezirksausschuss. In der Mitte allen Ärgers, an der Apian-, Ecke Herzogstraße, stehen sie auf zur Aktion "Schützt unsere grünen Innenhöfe". Das KVR hat's genehmigt, "wir gehen da hin", sagt Marina Burwitz aufgebracht, "egal wie sehr es vielleicht regnet."
Es regnet auch am Donnerstagmittag, als die 58-Jährige einige ihrer Mitstreiter der Mietergemeinschaft "AnDeKaT" (Ansprenger-/Degenfeld-/Karl-Theodor-Straße) zum Fototermin zusammentrommelt. Auf die Wiese, um die es geht.
Bäume sollen Neubauten weichen
Man muss sich das so vorstellen: In dem Karree stehen drei achtstöckige Würfel aus den 60er Jahren mit 132 Wohnungen. Dazwischen eine Grünfläche wie ein kleiner Park, das letzte größere Grün im Umkreis dichter Bebauung, mit Wiese, Spielplatz, Tischtennisplatte, alten Linden, Eichen, Ahorn. An die 60 Bäume haben die Mieter gezählt.

Im Sommer spielen Kinder hier, Anwohner sitzen im Grün, Vögel flattern und Eichhörnchen klettern herum, Igel, Fledermäuse und Insekten leben hier. Dieses Grün filtert die Abgase und den Lärm der lauten Karl-Theodor-Straße, und es spendet Schatten in heißen Sommern.
Das alles soll weg, weil die Bayern Versicherung Lebensversicherung AG (Teil der Versicherungskammer Bayern), der das Areal gehört, hier massiv hineinbauen will: Die drei Häuser sollen fünfstöckig miteinander verbunden werden, und in die Mitte soll auch noch ein fünfstöckiger Neubau. "Dann ist nicht nur diese grüne Lunge weg", sagt Marina Burwitz, "es wird auch noch stockfinster in vielen Wohnungen, sowas geht überhaupt nicht."
"Wie kann man das bloß kaputtmachen hier"
Keine 500 Meter Luftlinie entfernt, im Hohenzollernkarree entlang der Herzog-, Erich-Kästner-, Clemens- und Fallmerayerstraße, geht's den 230 Mietparteien nicht besser. Die Max-Emanuel Immobilien GmbH, die die Häuser 2016 vom Immobilienkonzern Patrizia gekauft hat, will in den Innenhof mit Spielplatz und vielen lauschigen Ecken, einen mehrstöckigen Neubauriegel mit an die 40 Wohnungen hineinstellen. Dann ist auch hier Schluss mit Hofidylle, und Platz zum Luftholen. "Entsetzlich", sagt ein Anwohner, "wie kann man das bloß kaputtmachen hier."
Und noch ein dritter Fall bringt die Schwabinger so auf, dass sie dazu 2.000 Protestunterschriften gesammelt haben. Es könnte nämlich bald einer der zauberhaftesten Hinterhöfe im Viertel zerstört werden: der hinter den Altbauten an der Apian-/Ecke Herzogstraße.

Eine Zierkirsche, ein Aprikosen- und Walnussbaum, stehen da, eine Brandschutzmauer ist mit Efeu bewachsen, gemütliche Sitzecken gibt es auf altem Kopfsteinpflaster und einen kleinen Spielplatz.
"Hier sitzen wir mit der tollen Hausgemeinschaft zusammen", sagt Mieter Marcus Roithmaier, "hier trifft sich die ganze Nachbarschaft beim Hofflohmarkt, hier wird gespielt und gelebt und Luft geholt."
Für Studentenwohnungen sollen uralte Bäume gefällt werden
Nun will aber einer der beiden Eigentümer, die sich das Fleckerl teilen, einen vierstöckigen Neubau hineinstellen, uralte Bäume fällen und damit die ganze gewachsene Idylle kaputtbaggern, für Studentenwohnungen, wie es heißt.
"Das darf nicht passieren", sagt CSU-Stadträtin Evelyne Menges, deren Tiernotrettungsverein dort im Sommer die Kündigung bekommen (und glücklicherweise um die Ecke ein neues Zuhause gefunden) hat. "Jedes Fleckerl Grün zählt in Schwabing", sagt sie, "jeder Baum, jede Frischluftschneise. Was hier im engen Schwabing passiert, ist völlig unverhältnismäßig, das dürfen wir nicht passieren lassen."