Gefälschte Impfpässe: Prozess gegen ehemaligen Heilpraktiker in München startet
München - Ein ehemaliger Heilpraktiker aus Unterhaching bei München soll in der Pandemie zahlreiche falsche Corona-Impfausweise ausgestellt haben. Nun wird dem 71-Jährigen, dessen Zulassung als Heilpraktiker vor vielen Jahren wegen fehlender Zuverlässigkeit widerrufen worden war, seit Dienstag (9.30 Uhr) vor dem Landgericht München I der Prozess gemacht.
Auf den von April 2021 an ausgestellten falschen Impfausweisen soll er sich als Arzt eines Instituts für Mineraldiagnostik und Umweltkrankheiten bezeichnet haben.
Angeklagter kommt mit selbst gebastelter Alubrille zum Prozess
Der erste Eindruck ist verblüffend: Mit einer selbst gebastelten Alubrille auf der Nase sorgt der Angeklagte für Schmunzeln im Gerichtssaal.
Dann aber wird es schnell ernst: Der 71-Jährige soll in 71 Fällen mit einer ihm nicht zustehenden Berufsbezeichnung Impfnachweise erstellt haben. Die Empfänger bekamen eine Schutzimpfung gegen Covid-19 nur auf dem Papier.
22.000 Euro eingenommen: Heilpraktiker fälscht Impfausweise
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann unter anderem Missbrauch von Titeln, Ausübung der Heilkunde ohne Erlaubnis und unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen vor. Nach Überzeugung der Ermittler hatte er die Ausweise zum Nachweis einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus im Auftrag der betreffenden Personen gefertigt und dafür auch Geld bekommen, insgesamt mehr als 22.000 Euro.
Zudem soll er bei einem Kind Immunisierungen gegen Masern, Mumps und Röteln im Impfpass eingetragen haben, obwohl er diese nicht durchgeführt hatte.
Die ehemalige Heilpraktiker ist wegen Missbrauchs von Titeln, des unbefugten Ausstellens von Gesundheitszeugnissen, unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Ohne die notwendige Lizenz zu haben, soll er in 105 Fällen verschreibungspflichtige Medikamente an die von ihm behandelten Personen verschrieben haben. Ein Großteil der Medikamente wie Tilidin, Codein und Diazepam sind in der Betäubungsmittelszene als Drogenersatzstoffe geläufig und werden dort illegal gehandelt.
Heilpraktiker ist mehrere Jahre ohne Befugnis tätig
Seit 1982 war der Angeklagte als Heilpraktiker tätig. Wegen fehlender Zuverlässigkeit und weil er eine mögliche Gefahr für seinen potenziellen Kundenkreis darstelle, entzog ihm die Stadt München 2009 seine Lizenz.
Seitdem praktizierte der 71-Jährige ohne Befugnis als Heilpraktiker in Unterhaching. Die falschen Impfnachweise soll er im Zeitraum von April 2021 bis März 2022 ausgestellt haben. Am 19. Mai 2022 erließ das Amtsgericht München einen Haftbefehl gegen den Mann. Seitdem sitzt er in U-Haft in der JVA Stadelheim.
Staatsanwaltschaft fordert fünf Jahre Haft
Da sich Verteidiger Franz Xaver Wittl noch mit seinem Mandanten besprechen muss, will sich der Angeklagte am ersten Prozesstag noch nicht zu den Vorwürfen äußern. Er wäre aber offen für eine Aussage, wenn das Gericht und die Staatsanwaltschaft sich auf einen Deal einlassen würden, erklärt der Verteidiger. Die Verhandlung ist auf elf Tage angesetzt.
Dabei könnte ein vollumfängliches Geständnis zu einer geringeren Strafe führen. Wittl spricht im Rechtsgespräch von einer „Drei vor dem Komma“, während die Staatsanwältin eher in Richtung fünf Jahre Haft tendiert. Gegen zwei Mitarbeiterinnen einer Apotheke, von denen er die Arzneimittel bekommen haben solle, wird ebenfalls ermittelt.
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