Vom Abriss zur Aufwertung: Münchens großer Umbau vor Olympia
Was wäre München ohne seine Fußgängerzone? Oder seinen Olympiapark? Heute kann man sich die Stadt ohne diese Orte kaum mehr vorstellen. Sie sind wohl die prägnantesten Verschönerungen, die die Stadt durch die Olympischen Spiele 1972 erfahren hat. Es gibt aber freilich noch mehr.
München damals: lebendig und attraktiv
Im München nach dem Krieg und vor Olympia war viel in Bewegung. Wiederaufbau und damit verbunden auch viel Abriss, zunehmender Verkehr und die Idee der autogerechten Stadt (die in München aber nicht so konsequent umgesetzt wurde wie in anderen deutschen Städten), Wohnungsnot und Zuwanderung, beschäftigten die Stadt.
Und: München war damals ziemlich jung und dementsprechend lebendig und attraktiv. Die Stadt wollte sich ausbauen, umbauen, modernisieren und natürlich auch herausputzen.
Einen Stadtentwicklungsplan gab es zu der Zeit bereits, der war aber auf Jahrzehnte ausgelegt. Dank der Gelder, die dann fließen würden, sah man in der Ausrichtung Olympischer Spiele eine große Chance, dem notwendigen Ausbau der Infrastruktur einen gewaltigen Schubs zu geben.
Ganze Stadtviertel schick gemacht und aufpoliert
Und tatsächlich ging dann alles sehr schnell: Die Bewerbung im Herbst 1965, mitten in der Amtszeit des (ebenfalls recht jungen) OB Hans-Jochen Vogel (SPD), wurde binnen weniger Wochen ausgearbeitet. Und nur vier Monate später, Anfang 1966, für München entschieden – sportlich, im wahrsten Sinne.
Die Stadt wurde zu einer gigantischen Baustelle, wie es heute wohl kaum noch umsetzbar wäre. Ganze Stadtviertel wurden in den Jahren vor Olympia schick gemacht und aufpoliert. Innenstadtnahe, heutige mehrmals durchgentrifizierte In-Viertel wie Haidhausen oder das Gärtnerplatzviertel waren damals noch richtige Glasscherbenviertel. Eine der größten Baustellen entstand natürlich auf dem Oberwiesenfeld, einst ein alter Flugplatz, wo der Olympiapark und seine diversen Sportstätten entstanden. Bis heute genießen die Münchnerinnen und Münchner die traumhaft schöne Parkanlage mit ihren sanften Hügeln, dem See und den ikonischen Zeltdachkonstruktionen.

Erstes autofreies Einkaufsareal Deutschlands
Gravierende Veränderungen, die bis heute nachwirken, gab es auch in der Innenstadt. Allen voran die Fußgängerzone in der Neuhauser- und Kaufinger Straße. Ihre Einrichtung wurde 1966 im Zuge der Olympiaplanung beschlossen. Die Eröffnung am 30. Juni 1972, pünktlich zu den Spielen, wurde mit einer großen Dackelparade begangen und war Hans-Jochen Vogels letzte Amtshandlung als OB.

Mit der Fußgängerzone bekam München als erste Stadt Deutschlands ein zentrales, autofreies Einkaufsareal. Heute schaut man gebannt auf alte Fotos, in denen sich Tram und Pkw über den Stachus, durchs Karlstor und über den Marienplatz schieben.
Bis zu 75.000 Autos täglich waren es in den 60er Jahren. Eine Passantenfrequenz von an die 200.000 Menschen am Tag in Spitzenzeiten, auf die es die Münchner Fußgängerzone heute bringt, wäre so sicher niemals möglich geworden. Und auch nicht, dass man hier in voller Breite bummeln, flanieren und auch draußen sitzen kann.

Parkplätze wurden in Grünflächen umgewandelt
Der Stachus, vorher oft ein wahrer Verkehrsmoloch, wurde zum Platz mit dem Rondell und dem großen Brunnen, wie wir ihn heute kennen, geschaffen vom Architekten und Stadtplaner Bernhard Winkler, der als "Vater der Fußgängerzone Münchens" bezeichnet wird. 1972 schuf er außerdem auch den Wasserglockenbrunnen am Frauenplatz, heute Wasserpilzbrunnen genannt. Und in der Fußgängerzone wurde der kleine Platz mit dem Richard-Strauß-Brunnen geschaffen, am Marienplatz der heute noch vorhandene Kräutlmarktbrunnen beim Alten Rathaus.

Doch nicht nur die Fußgängerzone wurde rechtzeitig zu Olympia fertig, auch das Siegestor wurde endlich wieder hergestellt. Seine Quadriga, eine Bavariafigur auf einem von Löwen gezogenen Vierergespann, war im Krieg schwer beschädigt worden. Sie wiederherzustellen hatte zwei Jahre gedauert. Nun kehrte sie auf ihren Platz auf dem Tor zurück. Viele Münchner schauten damals der stundenlangen Aktion zu.
Und auch sonst wurde die bis dahin noch vom Verkehr geplagte Innenstadt aufpoliert. Die Rathausfassaden wurden saniert, Karlstor und Isartor restauriert. Schon damals wurden Parkplätze in Grünflächen umgewandelt, etwa an der Herzog-Wilhelm-Straße, am Sendlinger Tor entstand ein kleiner Park. Begrünt wurde beispielsweise auch an der Münchner Freiheit und am Bonner Platz.

Das Olympische Dorf: Ein fortschrittliches Projekt
Zu der modernen Stadt, die München damals werden wollte, gehört auch moderne Architektur. Das Olympische Dorf etwa. Aus heutiger Sicht architektonisch vielleicht nicht im klassischen Sinn schön, ist es doch bis heute ein in vielen Punkten fortschrittliches Projekt. Eine kleine Stadt in der Stadt, zum Wohnen, aber auch mit Einkaufsmöglichkeiten, Kultur, Kitas und Schulen. Mit viel Grün und vor allem: autofrei.
Heute werden neue Quartiere wieder so konzipiert. Und auch das BMW-Hochhaus am Petuelring gehört in diese Riege. Es wurde ebenfalls 1972 pünktlich fertig und gilt heute durchaus als eines der Wahrzeichen der Stadt. Der 100-Meter-Turm des Wiener Professors Karl Schwanzer galt damals als "kühl kalkuliertes Experiment und Meilenstein der Architektur", so BMW, und setzte Maßstäbe der modernen Büroarchitektur.
Viele alte Häuser abgerissen
Wurde wirklich alles schöner? Auch der Mittlere Ring und der Altstadtring wurden damals geschaffen. Viele alte Häuser wurden dafür abgerissen und Straßenverläufe angepasst, das sorgte für Ärger und gefällt auch heute sicher nicht allen, schuf aber andererseits den Platz für die Fußgänger in der Innenstadt.