Münchens schwules Wohnzimmer
Vor drei Jahren stieg auf der Hans-Sachs-Straße ein ungeplantes Straßenfest, viel zu viele Gäste wollten dort die Wiedereröffnung des Nil feiern. „Die Leute hatten wirklich darauf gewartet“, sagt Manfred Krischer. Er hatte seinen Gäste ihr Wohnzimmer zurückgegeben. „Klar kann man sagen, es gibt doch unzählige Kneipen“, sagt Krischer, „aber für gewisse Leute eben doch nicht so viele.“
Krischer hatte das Nil verpachtet, als er an Krebs erkrankte, ab da lief die Kneipe nicht mehr so besonders. Als Jahre später Krischers Partner starb, zog es ihn zurück in die Gastronomie – in der Szene ist er bekannt wie ein bunter Hund, über die Stadtgrenzen hinaus. „Jeden Tag im Laden stehen, das ist eine Berufung für mich“, sagt er. „Wichtig ist, dass man ein großes Herz hat für die Menschen. Das ist es.“
Jetzt turnt er wieder durch sein lichtdurchflutetes Lokal mit Loungebereich und großem Tresen, energetischer und aufgedrehter als mancher Student, und das mit Anfang 70. 1989 eröffnete er das Nil zum ersten Mal. Eine schwule Kneipe mit großer Fensterfront. „Macht auf, macht auf, habe ich gesagt, wir müssen uns befreien“, sagt Krischer und breitet die Arme aus. „Alle anderen Kneipen waren vernagelt und dunkel, das war in den 80ern so.“
Der 80er-Jahre-Stil von damals ist gewichen. Zum Relaunch wollte Krischer warme Farben und seinen Tresen zurück, den die Pächter versetzt hatten, „da sammelt sich doch alles“. Sein bester Freund Thomas Winzker kümmerte sich um die Umsetzung. Einen ägyptischen Look hat das Nil bekommen, womit der Name jetzt auch eine Bedeutung hat. Eine goldene Scheibe an der Wand symbolisiert den Sonnengott, das erdige Rot, in dem das Nil gehalten ist, ist an ägyptischen Schmuck angelehnt. Hieroglyphen ziehen sich durch das Lokal, eine davon bedeutet „Bier“.
In der Lounge-Ecke hängt als Reminiszenz an alte Zeiten eine bunte Gäste-Szene am Tresen des Nil vom US-Maler und Gast David Bennett.
Auf den Sofas lässt sich gemütlich ein großer Cappuccino (3,20 Euro) trinken, um 15 Uhr sperrt Krischer auf. Zu essen gibt es zwei Tagesgerichte an der Tafel, echte Klassiker sind das Putenschnitzel im Cornflakesmantel mit Pommes (8) oder die hausgemachten Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat (6,80), „Convenience gibt es hier nicht“, sagt Manfred Krischer.
Das Augustiner kommt vom Fass (0,4 für 3 Euro), die Cocktailkarte ist umfangreich – das zieht bei weitem nicht nur schwules Publikum ins Viertelwohnzimmer. „Hier waren immer schon alt und jung, arm und reich, Männlein und Weiblein“.
Weil sie gern bei ihrem Manfred vorbeischauen, dem bunten Vogel mit dem großen Herz.
Hans-Sachs-Straße 2, täglich 15 – 3 Uhr, www.cafenil.com, Tel.: 23 88 95 95
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