Olympia in München? Viel Glanz – aber wer zahlt die Milliardenrechnung?
München - Von einer Atmosphäre wie ´72 träumen gerade viele im Rathaus und im Landtag. "Ich mache alles, was Olympia nützt", versprach Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sogar, als er am Dienstag mit OB Dieter Reiter (SPD) das Bewerbungskonzept für Olympische Sommerspiele 2036, 2040 oder 2044 vorstellte. Das Papier verspricht nicht nur einen massiven ÖPNV-Ausbau, sondern auch Tausende Wohnungen.
"Wenn das alles so käme, wäre es fantastisch", sagt sogar Christian Hierneis. Er sitzt für die Grünen im Landtag, ist Chef des Bund Naturschutz und eigentlich ein großer Olympia-Gegner. Und es folgt auch gleich ein Aber: "Die Bewerbung ist ein Traumschloss. Woher soll das Geld für all das kommen?"
Olympia in München? Diese ÖPNV-Projekte sollen kommen
Etwa für den ÖPNV-Ausbau – denn ohne könnte München die Touristenmassen kaum bewältigen. An einem Spitzenwettkampftag erwartet die Stadt 1,1 Millionen Fahrgäste zusätzlich – fast dreimal so viele wie an einem Spitzen-Wiesntag. Angedacht ist ein S-Bahn-Ring im Norden (247 Millionen), eine Verlängerung der U4 bis zum neuen Olympischen Dorf im Münchner Nordosten (1,2 Milliarden) und eine neue Linie U9, für die es noch keine Kostenschätzung gibt.

Die Stadt rechnet mit einer hohen Förderquote. SPD-Chef Christian Köning fordert, Bund und Freistaat dürften die Stadt bei all dem nicht im Regen stehen lassen. Christian Hierneis wiederum fragt sich, ob nicht auch in anderen deutschen Städten U-Bahnen gebaut werden müssten. Warum sollten die Milliarden nur nach München fließen?
Auch ÖDP-Chef Tobias Ruff hält die Planungen für unrealistisch. Die Stadt müsste aus seiner Sicht im großen Stil Ingenieure und Verkehrsplaner einstellen, um die Projekte zu stemmen. Für die U4-Verlängerung haben zum Beispiel noch nicht einmal die Planungen so richtig begonnen.
Der Grund für das Olympische Dorf gehört der Stadt nicht ganz
Eine längere U4 wäre aber notwendig, um das Olympische Dorf im Nordosten zu erschließen. Dieses soll auf eine Fläche, die die Stadt schon seit Jahren für eine neue Siedlung im Blick hat. Zwischen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen plant die Stadt ein Quartier für bis zu 30.000 Menschen. Insgesamt ist die Fläche 600 Hektar groß.

Auf etwa 27 Hektar davon käme das Olympische Dorf. Während der Spiele soll es für fast 19.000 Menschen ausgelegt sein. Sie sollen in Appartements schlafen, die die Stadt nach den Spielen zu 4000 Wohnungen für 10.500 Einwohner umbauen will. Mit dem Bau des Olympischen Dorfes müsste die Stadt nach Einschätzung des Planungsreferats Mitte der 2030er Jahre anfangen.
Das Problem ist nur: Vorher muss die Stadt die Eigentümer überzeugen, dass sie ihre Flächen verkaufen. Denn der Grund gehört der Stadt nur zu 80 Prozent. ÖDP-Chef Ruff steht mit den Eigentümern in Kontakt und weiß: Sie wollen nicht verkaufen. Er kann sich schwer vorstellen, dass München mit einem Konzept punkten kann, in dem ihr nicht mal das Grundstück für das Olympische Dorf gehört.
930 Millionen kosten die temporären Sportstätten
Die nachhaltigsten Spiele aller Zeiten haben Reiter und Söder bei ihrer Pressekonferenz versprochen. Schließlich – so lautet ihre Argumentation – würden praktisch alle Wettkämpfe in bestehenden Stadien ausgetragen. Allerdings müssen temporäre Anlagen gebaut werden – insgesamt schätzt das Rathaus die Kosten dafür auf zirka 930 Millionen.
Zum Vergleich: Die Sanierung des Gasteigs soll etwa gleich viel kosten. Zum Beispiel kommen temporäre Stadien in den Olympiapark für Volleyball und fürs Bahnradfahren. Der Plan ist auch, in der Messe in Riem Wettkämpfe stattfinden zu lassen. Zum Beispiel Boxen. Platz für 6.000 Zuschauer soll in Riem entstehen. Ob das dem IOC reicht? Bei den Spielen in Paris sahen 15.000 Menschen die Boxwettkämpfe.
Und das ist nicht die einzige Disziplin, in der Olympische Spiele kleiner ausfallen würden: Die Tennis-Anlage in Paris hatte eine Kapazität für 34.000 Zuschauer, am Center Court für über 15.000. Im neuen Tennisstadion, das der Verein Iphitos gerade plant, sollen eigentlich 7.500 Plätze entstehen. Im Konzept ist von 10.000 die Rede – auch hier müsste die Stadt also zusätzliche Tribünen aufstellen.
Ebenso wie im Dantebad, das unter anderem für Kunstschwimmen vorgesehen ist, und in dem laut Bewerbungskonzept rund 5.000 Zuschauer rein sollen. Momentan hat die Tribüne 1.000 Plätze.

Auch in die bestehenden Sportstätten müsste die Stadt viel investieren. Für die Sanierung der Regattastrecke in Oberschleißheim veranschlagt die Stadt 99 Millionen, für die Schießanlage 50 Millionen, für das Grünwalder Stadion 40 Millionen.
NRW plant ein neues Olympiastadion
Und klar: Nicht nur, wenn es nach Söder und Reiter geht, ist München die beste aller Bewerberstädte. Doch die anderen legen sich auch ins Zeug: NRW hat gerade Pläne für ein neues temporäres Olympiastadion für 40.000 Zuschauer vorgelegt, dessen Tribünen später für Wohnungen und Büros umgebaut werden sollen. Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wirbt damit, dass ansonsten 95 Prozent der Sportstätten vorhanden seien. Berlin und Hamburg wollen ebenfalls Vorhandenes nutzen. In Hamburg fehlt allerdings ein Olympiastadion – anders als in Berlin.