"Ein guter Tag für München": So freut sich das Rathaus

Am Beginn dieses Abends will sich niemand zu sicher geben. In einem Saal im Kreisverwaltungsreferat kommen ab 17.30 Uhr die zusammen, die in den vergangenen Wochen dafür geworben haben, dass sich München für Olympische Spiele bewirbt. Ein paar Stadträte von Grünen, SPD und CSU, der Sportreferent, die Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) sind da. Es gibt Brezn in Form der Olympischen Ringe. Ein Grünen-Stadtrat hat als Glücksbringer den Stoffhund Waldi mitgebracht, das Maskottchen der Spiele von ‘72.
„Es könnte knapp ausgehen“, meint Beppo Brem, der Sportpolitiker in der Grünen-Fraktion. Leicht positiv sei sein Gefühl zwar, sagt CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. „Spannend wird es aber, weil durch die Briefwahl sicher viele schon früh gewählt haben. Aber die Kampagne erst spät so richtig Fahrt aufgenommen hat.“ Und auch OB Dieter Reiter (SPD) will sich um 18.30 Uhr erst einmal hauptsächlich über die hohe Wahlbeteiligung freuen. Er erinnert daran: Nicht einmal bei der OB-Wahl, als er gegen den CSUler Seppi Schmid in die Stichwahl musste, haben so viele Münchner abgestimmt. Dann verschwindet er wieder.

Als er etwa eine Dreiviertelstunde später wieder in den Saal kommt, weiß man schon, bevor er ans Mikro tritt, wie die Sache ausgegangen sein muss. Er kann sich das Grinsen kaum verkneifen. Von weiter hinten hört man Leute lachen. Auf das Ergebnis, das Reiter dann verkündet, hätte aber wohl kaum jemand gewettet – nicht einmal Reiter selbst und auch nicht Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Sie hätten gewettet, verriet Reiter. Beide auf unter 60 Prozent. Söder sei sogar noch „defensiver“ gewesen.
Die Überraschung: Es stimmten dann doch über 60 Prozent mit Ja – und zwar in allen Bezirken, sogar in Bogenhausen, wo das Olympische Dorf entstehen soll, worüber viele Anwohner nicht begeistert sein dürften.
"Die Unkenrufe haben nicht verfangen"
„Das ist ein guter Tag für München“, sagt Reiter. Die „Unkenrufe“, die „an den Haaren herbeigezogenen Gegenargumente“ hätten nicht verfangen – auch, „wenn wir uns von den Medien nicht besonders gut begleitet gefühlt haben, insbesondere von manchen Münchner Zeitungen“. Diese Medien hätten aus einem Haar in der Suppe zum Teil ein ganzes Büschel gemacht, sagte Reiter.
Den anderen deutschen Städten (Hamburg, Berlin und die Region Rhein-Ruhr), die sich noch um Spiele bewerben, gab Reiter im Prinzip den Rat, ihre Bewerbung zurückzuziehen. Das Münchner Ergebnis sollte für sie ein „Denkanstoß“ sein, findet er. „Wir werden sehen, wie die anderen Städte damit umgehen.“ München jedenfalls werde nun seine Bewerbung konkretisieren.
„Wir werden unser Konzept nun nachschärfen“, sagt Sportreferent Florian Kraus (Grüne) der AZ. Denn schließlich sei die Bewerbung in sehr kurzer Zeit entstanden. Ursprünglich sollte es eine gesamtdeutsche Bewerbung geben. Dann entschied sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) um. Und plötzlich traten mehrere Städte in einen Wettbewerb ein. Im Herbst 2026 will der DOSB seine Entscheidung treffen. Einen „Wahnsinns-Rückenwind gebe das Ergebnis des Bürgerentscheids, ist sich Kraus sicher. „Da wird Hamburg (wo es auch noch einen Entscheid geben soll) nicht rankommen.“
"München hat eine gute Chancen"
Nicht ganz so sicher, wie viel das Ergebnis des Bürgerentscheids am Ende wirklich bringt, ist die Leichtathletin Christina Hering, die auch ins KVR gekommen ist. Ganz einfach, weil sie nicht wisse, nach welchen Kriterien das IOC entscheide. „Ich glaube aber München hat eine gute Chance.“ Denn schließlich kann München seine Sportanlagen von 72 wieder nutzen. „Und das hilft bestimmt.“
Auch Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die im Rathaus für Sport zuständig ist, findet: „Mit diesem Ergebnis beim Bürgerentscheid kann München selbstbewusst ins Rennen gehen. Das ist ein starkes Signal gegenüber den anderen Städten.“
Dietl scheint sichtlich erleichtert. Bevor das Ergebnis verkündet wurde, hatte sie erzählt, dass sich die vergangenen Wochen angefühlt hätten wie eine Kommunalwahl. Ständig Veranstaltungen, Interviews, Diskussionen, Termine. „Nur, dass wir diesmal alle an einem Strang gezogen haben“, sagte Dietl. „Und dann schlagen wir uns wieder die Köpfe ein“, scherzte die CSU-Stadträtin Ulrike Grimm. „Na, wir ja eh nicht“, antwortete Dietl darauf.
"Wir brauchen wieder eine positive Zukunftserzählung"
Weniger entschieden als CSU und SPD hatten die Grünen für Olympia geworben. Anfangs hatte sich Bürgermeister Dominik Krause, der OB-Kandidat der Grünen, noch sehr klar für Olympia ausgesprochen. Doch nachdem sich seine Partei nicht positionieren wollte, hörte man von ihm zu Olympia immer weniger. Diesen Sonntag verbrachte er zu Hause – arbeitend, wie es hieß. Am Abend verschickte Krause per Mail das Zitat, dass er sich freue: „Wir brauchen wieder eine positive Zukunftserzählung. Olympia könnte ein Ziel sein, auf das wir als Stadt gemeinsam hinfiebern.“
Ähnlich äußert sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bei der Wahlparty im Bayerischen Landessportverband. Er sprach von einem „Schub für Lebensfreude“.
Als die AZ dort gegen 20.30 Uhr ankommt, ist der Ministerpräsident schon weg. Dafür steht der CSU-OB Kandidat Clemens Baumgärtner noch mit Olympiaschal um den Hals und einer Tasse Kaffee in der Hand herum. Im Saal läuft der Pop-Hit Summer of 69, es gibt Sekt und Schnittchen.

Er freue sich, dass 2040 die drei größten Ereignisse gleich hintereinander stattfinden könnten, sagt Baumgärtner: Olympische Spiele, Paralympische Spiele und dann die Wiesn. Damit das klappt, müsse München nun aber Vollgas geben – „und nicht auf die anderen Bewerber draufhauen“.
Gehört habe er auch, dass es beim Engagement der Stadt für Olympia schon noch Luft nach oben gebe. Dass sich Reiter mehr hätte einbringen müssen, sagt Baumgärtner nicht. Dass er große Lust darauf habe, ab März 2026 als OB die Münchner Olympia-Bewerbung voranzutreiben, sagt er schon.
Der nächste Wahlkampf, er hat also schon begonnnen.