Direktmandat mit 28 Jahren: Jamila Schäfer zieht mit Ehrgeiz in den Bundestag
München – Sie sei immer noch müde vom Feiern, sagt Jamila Schäfer am Telefon. Es ist Montagmittag, sie ruft von Berlin aus an und hat nur Zeit für ein kurzes Gespräch. Denn gleich muss sie zum ersten Treffen der neuen Abgeordneten. Dass Schäfer zu ihnen gehören würde, war bereits vor der Wahl klar: Sie ist seit drei Jahren Mitglied des Bundesvorstands der Grünen. Auf der Landesliste war sie deshalb so gut platziert, dass es kaum Zweifel gab, dass sie es in den Bundestag schaffen würde.
Trotzdem gelang ihr eine Überraschung: Die 28-Jährige errang für die Grünen das erste Direktmandat überhaupt in Bayern. Ausgerechnet im Süden Münchens, dem Wahlkreis, der als Hochburg der CSU der besonders strammen Sorte galt: Peter Gauweiler, den manche noch immer den "Schwarzen Sheriff" nannten, holte hier dreimal hintereinander das Direktmandat. Und auch sein Nachfolger Michael Kuffer galt als einer, der sich stets für Verschärfungen einsetze - egal, ob es um Grenzkontrollen oder um Abschiebungen ging. Dieses schwarze Regiment hat nun ein Ende: Michael Kuffer lag 1.195 Stimmen (beziehungsweise 0,7 Prozentpunkte) hinter Schäfer.
Wie gewann Jamila Schäfer den Wahlkreis München-Süd?
Überall in München legten die Grünen zu und machten der CSU die meiste Konkurrenz. Doch nur Jamila Schäfer gelang es, im Süden mehr Erst- als Zweitstimmen zu sammeln. Wie ist das zu erklären?
Ihr guter Freund Dominik Krause meint: "Das erste Wort, das mir zu Jamila einfällt, ist, dass sie so wahnsinnig engagiert ist." Krause und sie waren von 2012 bis 2014 Sprecher der Grünen Jugend in München. Krause wurde später Stadtrat, Schäfer machte Politik in Berlin: Zuerst wurde sie Sprecherin der Grünen Jugend auf Bundesebene. 2018 schaffte sie es in den Parteivorstand. Ihr Soziologie-Studium hat Schäfer noch nicht abgeschlossen. Müsste sie wohl auch nicht.
Denn sie ist seit Jahren Berufspolitikerin. Schon vor der Wahl pendelte sie zwischen Berlin und Hadern, wo sie aufwuchs, hin und her. Sie spezialisierte sich auf Asyl- und Menschenrechtsthemen, reiste an die EU-Außengrenzen und zu den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln.
Jamila Schäfer war bei Markus Lanz im TV
Während des Wahlkampfs bekam Schäfer aber zum ersten Mal die große Bühne: Sie beantwortete Fragen von Markus Lanz und vertrat ihre Partei in der ZDF-Wahlarena. So sei sie den Menschen bekannt geworden, meint Dieter Janecek. Er verlor den Kampf um das Direktmandat zwar knapp gegen Stephan Pilsinger von der CSU. Dem nächsten Bundestag wird Janecek trotzdem angehören, weil er so gut auf der Landesliste platziert war.
Doch wird Jamila Schäfer die nächsten vier Jahre in einer Politiker-Blase in Berlin zwischen Talkshows und Sitzungen verschwinden und erst wieder auftauchen, wenn die nächste Wahl ansteht? Jamila Schäfer verneint das. Sie wolle so schnell wie möglich ein Wahlkreisbüro aufbauen. Dort sollen sich nicht nur Grüne, sondern alle Menschen melden, wenn sie Fragen zu Gesetzen und zum politischen Betrieb haben. "Ich will die Demokratie insgesamt stärken", meint Schäfer. Denn ausschlaggebend für den Sieg sei aus ihrer Sicht vor allem ihr Engagement in ihrem Wahlkreis gewesen.
Während des Wahlkampfs richtete sie eine Telefonhotline ein, unter der sie jeden Freitag zu erreichen war. Fast immer riefen um die fünf Leute an, noch mehr schrieben Nachrichten, sagt sie. Die Nummer will Schäfer behalten. Auch, wenn sie schon heute bei den Grünen zu jenen gehört, die vielleicht bald Sondierungsgespräche führen.