Dieter Reiter setzt auf Frauen-Power
München - Konkrete Zielzahlen in einem Wahlprogramm bergen für die Parteien immer auch eine Gefahr: Sie müssen sich daran messen lassen. Umso mehr sticht eine Zahl heraus, die die SPD in ihr Kommunalwahlprogramm geschrieben hat.
Dort ist auf Seite 20 zu lesen: „Wir werden dafür sorgen, dass bei Vorständen, Aufsichtsräten, Geschäftsführungen der städtischen Gesellschaften eine Frauenquote von 40 Prozent eingeführt wird.“
Wie ist die Lage jetzt? Und wie kann so ein Ziel erreicht werden? Darüber hat die AZ mit SPD-OB-Kandidat Dieter Reiter geredet.
DIE AUSGANGSLAGE
Bei der Stadtverwaltung selbst liegen – anders als bei den städtischen Unternehmen – schon jetzt 47 Prozent der Führungspositionen in Frauen-Händen. 16,6 Prozent der Chef-Jobs werden in Teilzeit ausgeübt. Zur Einordnung dieser Zahlen sollte man allerdings wissen, dass die weiblichen Stadt-Beschäftigten insgesamt mit knapp 58 Prozent deutlich in der Überzahl sind.
Für Dieter Reiter ist das, gerade im Vergleich mit der freien Wirtschaft, „ein guter Wert“. Er sagt aber auch: „Wenn es mehr Frauen gibt als Männer in der Stadtverwaltung, dann müsste eigentlich auch der Führungsanteil adäquat sein.“
Bei den zahlreichen städtischen Gesellschaften (siehe Kasten) ist die Lage eine andere: „Da sind wir im Durchschnitt bei 31 Prozent“, sagt Dieter Reiter. „Das ist nicht schlecht, aber ausbaufähig.“
Deshalb sei im Wahlprogramm festgeschrieben worden: „Wir wollen eine Steigerung um ein Viertel.“
DER ZEITRAHMEN
Klappen soll das innerhalb der nächsten Legislatur, also bis 2020. Wobei Reiter sagt: „Es darf auch schneller gehen.“ Für die darauf folgende Wahlperiode könne er sich dann die „Parilösung“ vorstellen. Sprich: eine Frauen-Quote von 50 Prozent.
DIE UMSETZUNG
Ist denn angedacht, die Quote in Satzungen oder Gesellschaftsverträge reinzuschreiben? Reiter winkt ab: „Ich glaube nicht, dass wir das wirklich durch harte Regelungen werden erreichen können.“ Wie soll es dann gehen?
Am einfachsten ist es noch auf Ebene der Aufsichtsräte, denn die Parteien bestimmen selbst, wen sie in diese Gremien entsenden. Schon heute ist der Frauenanteil dort höher als bei den Geschäftsführungen.
Wenn es nach der Wahl, im Mai oder Juni, darum gehe, neue Aufsichtsratsmandate zu vergeben, müsse man „das Thema Frauenquote aktiv anpacken“, sagt Reiter. Die Grundlage dafür sei gegeben: Die Hälfte aller Kandidaten auf der SPD-Stadtratsliste sind Frauen.
Bei den Geschäftsführungen wird es dagegen mit Sicherheit länger dauern, bis Frauen besser repräsentiert sind. Zwar sind die Verträge von Geschäftsführern auf fünf Jahre befristet, die Möglichkeit für einen Wechsel ist also theoretisch gegeben.
Aber Reiter sagt deutlich: „Wir werden jetzt niemanden entlassen, bloß weil er ein Mann ist.“ Wenn es aber Anlass gebe, über die Fortsetzung des Vertrages nachzudenken, dann „muss man bei der Neubesetzung für eine absolute Chancengerechtigkeit sorgen und muss auch gegebenenfalls bei gleicher Eignung wirklich die Frau bevorzugen“.
Das sieht auch die SPD-Bürgermeisterin Christine Strobl so: „Bei gleicher Qualifikation müssen wir in Zukunft Frauen auswählen.“
Beim Tierpark, wo ein neuer Chef gesucht wird, würde sie das gerne gleich in die Praxis umsetzen.
DAS PROBLEM
„Wir entscheiden das als SPD nicht alleine“, sagt Strobl. Schließlich sitzen in den Aufsichtsräten auch Mitglieder anderer Parteien oder Arbeitnehmer-Vertreter. „Die SPD kann den anderen natürlich nicht vorschreiben, wen sie da reinschicken.“
Genosse Reiter meint daher: „Man muss versuchen, Akzeptanz zu schaffen für eine solche Politik.“
Wichtig ist die Geschlechterverteilung in den Aufsichtsräten auch, weil sie die Vorstände und Geschäftsführer bestellen. So ist zum Beispiel Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) davon überzeugt: „Mehr Frauen in den Aufsichtsräten werden zu mehr Frauen in den Vorständen führen.“
Eine „Ultima Ratio“, also ein letztes Mittel, falls die Quote in den Führungsebenen der städtischen Gesellschaften nicht vorankommt, weiß Dieter Reiter auch schon. Schon jetzt gibt es Zielvereinbarungen, in denen für die jeweiligen Unternehmen der angestrebte Frauenanteil festgehalten ist
. Das Erreichen dieser Ziele sei gelegentlich mit der Honorierung verbunden. Und vielleicht, so sagt Reiter, müsse man irgendwann dazu übergehen, zu sagen: „Dann ist eben dieses Ziel im Geschäftsführervertrag nicht erreicht. Und es macht sich entsprechend durch Abzüge bei der leistungsorientierten Bezahlung bemerkbar.“
Ein Problem bei der Umsetzung der Quote schaffen aber auch die Frauen selbst: In dem sie sich schlicht weniger um Führungspositionen bewerben als Männer. Warum?
Reiter: „Ich glaube, dass das zum einen an den Rahmenbedingungen liegt und dass Frauen auch immer sehr selbstkritisch sind.“ Die Rahmenbedingungen, also etwa flexible Arbeitszeiten, könnten noch weiter verbessert werden.
Das Selbstvertrauen müssen die Frauen selbst haben.
"Eine Quote im Kopf"
Eine Frauenquote sucht man im Kommunalwahlprogramm der CSU vergeblich. Einen Passus zur „Frauenpolitik“ gibt’s aber – und das, wie CSU-OB-Kandidat Josef Schmid sagt, „erstmals“. Dieser Abschnitt trage auch seine Handschrift.
Dort ist zu lesen: „Im Berufsleben leiden Frauen immer noch unter fehlender Gleichberechtigung, insbesondere bei Aufstiegsmöglichkeiten und Bezahlung.“
Der OB solle deshalb das Gespräch mit der Wirtschaft suchen. Zudem müsse die Stadt Erzieherinnen oder Pflegerinnen den Zugang zu preisgünstigen Wohnungen ermöglichen. Der Ausbau der Kinderbetreuung solle weiter hohe Priorität haben. Im Programm steht: „Dazu gehört auch die Unterstützung von Münchner Arbeitgebern, damit flexible Arbeitszeitmodelle angeboten werden.“ Die CSU wolle dazu eine Initiative ergreifen.
Warum keine Quote? „Mit Zahlen hat man fixe Marken, die dann auch erreicht werden müssen“, sagt Josef Schmid. Es sei doch aber nicht entscheidend, ob’s am Schluss dann ein Prozentpunkt mehr oder weniger sei. „Für mich gibt’s die Quote im Kopf.“
Er wisse, dass es für Frauen viel schwieriger sei. „Mir geht es darum, das Thema Frauen voranzubringen.“
"Die Zeit ist reif"
Bei den Grünen rennt Dieter Reiter natürlich offene Türen ein. Auch sie haben die Frauen-Quote in ihr Programm reingeschrieben. „Die Zeit ist reif!“, heißt es dort auf Seite 46. Es sei an der Zeit, von freiwilligen Appellen zu gesetzlichen Regelungen zu wechseln.
Nur dann werde sich die Anzahl von Frauen in den Unternehmen sowie in den Aufsichtsräten erhöhen. Mit einem Ausrufezeichen ist im Programm der Satz versehen: „Dies muss auch für die kommunalen Unternehmen gelten!“ Eine mindestens 40-Prozent-Quote bis 2020 in allen Führungsetagen und in den Unternehmen müsse das Ziel kommunaler Gleichstellungspolitik sein.
„Dazu ist es notwendig, gerade auf der mittleren und oberen Hierarchieebene bei gleicher Qualifikation bevorzugt Frauen einzustellen.“
Außerdem sollte die Stadt Aufträge bevorzugt an Betriebe vergeben, die eine aktive Frauenförderung nachweisen.
Insoweit sind sich Rote und Grüne also ziemlich einig. Wobei die Ökos auch gleich selbst mit positivem Beispiel vorangehen, was die Besetzung von Spitzenpositionen angeht: Sie schicken mit Sabine Nallinger schließlich eine Kandidatin in den Wettstreit um den OB-Sessel.
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