Die München-Bilanz der Sondierungsgespräche
München/Berlin - Inzwischen haben SPD, Grüne und FDP grundsätzlich zugestimmt, dass sie eine Koalition bilden wollen. Grundlage dafür ist ein Sondierungspapier, das die Parteien in den vergangenen Tagen ausgehandelt haben.
Sondierungsgespräche: Was drei Münchner Politiker von SPD, Grünen und FDP sagen
Von Wohnungs- bis zur Energiepolitik sind darin die groben Ziele dessen festgehalten, was die neue Regierung umsetzen möchte. Die drei Münchner Abgeordneten Jamila Schäfer von den Grünen, Sebastian Roloff von der SPD und Daniel Föst von der FDP ziehen darüber in der AZ eine Bilanz.
Sie erzählen, was für München voraussichtlich dabei herausspringt, mit welchen Punkten sie noch nicht zufrieden sind - und was ihre Parteien ihrer Meinung nach bei den Koalitionsverhandlungen noch herausholen müssen.
FDP: "Verwaltung digitalisieren"

Mit dem Ergebnis der Sondierungen ist Daniel Föst, der Chef der FDP Bayern, zufrieden - vor allem, weil er auf einen Aufbruch hofft.
Der 45-Jährige sagt: "Das Sondierungspapier ist eine Kampfansage an den Status Quo und darauf können wir stolz sein. Im Wahlkampf habe ich eine große Unzufriedenheit, besonders unter den jungen Wählern, gespürt. Das Ergebnis der Sondierungen ist eine gute Grundlage für eine Koalition, die den Stillstand im Land beendet.
Zum Beispiel wollen wir die Dauer der Genehmigungsverfahren halbieren. Davon würden Städte wie München besonders profitieren - denn auch hier dauern viele Projekte zu lange. Es hieß schon vor 16 Jahren, als ich in die FDP eingetreten bin, dass München eine Zweite Stammstrecke braucht. Heute ist sie immer noch nicht fertig. Außerdem werden wir die Digitalisierung der Verwaltung komplett neu aufsetzen. Das werden alle spüren, wenn Behördengänge und Bürokratie schnell und virtuell gehen. Auch Genehmigungsverfahren von Klimaschutzmaßnahmen werden durch Digitalisierung schneller und effizienter."
Grüne: "Schuldenerlass für Kommunen"

Im Münchner Süden gewann Jamila Schäfer als erste Grüne in Bayern ein Direktmandat. Die 28-Jährige ist Mitglied des Bundesvorstands. Deshalb nahm sie bei den Sondierungen an Vor- und Nachbesprechungen teil.
Ihre Bilanz: "Ein Erfolg ist, dass der Bund ab jetzt mehr in Bildung investieren darf. Davon profitiert auch München. Denn gerade während Corona hat sich gezeigt, wie schlecht es an vielen Münchner Schulen um die Digitalisierung steht. Außerdem sollen Kommunen einen Schuldenerlass bekommen. Unter welchen Bedingungen dies geschehen soll, haben wir noch nicht fertig ausverhandelt.
Ich bin aber dafür, dass auch Städte wie München etwas davon haben - zum Beispiel, wenn sie Immobilien kaufen wollen. Es darf nicht passieren, dass München sein Vorkaufsrecht nicht nutzen kann, weil das Geld wegen der schwierigen Haushaltslage nicht reicht. Als Münchnerin sehe ich noch einige Punkte, die wir bei der Wohnungspolitik konkretisieren müssen. Wir konnten uns zwar darauf einigen, 100.000 Sozialwohnungen im Jahr zu bauen. Doch das alleine wird nicht helfen. Da brauchen wir noch mehr konkrete Maßnahmen im Koalitionsvertrag."
SPD: "Ich hätte mir einen Mietendeckel gewünscht"

Ein Poster von Olaf Scholz hängt nicht über seinem Bett, sagte Sebastian Roloff (38) vor Kurzem im Radio. Als Linker innerhalb der SPD konnte er mit Scholz, der als Finanzminister an der Schwarzen Null festhielt, wenig anfangen. Auch mit den Ergebnissen der Sondierungen ist Roloff, der aus der Oberpfalz stammt, in Giesing lebt und seit kurzem sein Abgeordnetenbüro in Berlin einrichtet, nur zum Teil zufrieden.
"Für Großstädte wie München haben wir viel herausgeholt, um den Druck auf den Wohnungsmarkt zu entschärfen. Wir haben uns darauf geeinigt, pro Jahr bundesweit 400.000 Wohnungen zu bauen, davon sollen 100.000 sozial gefördert sein. Das wird zu spürbaren Entlastungen vor allem in den Ballungsräumen führen. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis diese Wohnungen fertig sind. Kurzfristig wird die neue Koalition leider keine Abhilfe schaffen, damit die Mieten nicht noch weitersteigen.
Denn einen Mietendeckel oder Verschärfungen im Mietrecht, die ich mir als Sozialdemokrat gewünscht hätte, wird es nicht geben. Das war mit der FDP nicht möglich. Doch wenn das Sondierungspapier so umgesetzt wird, könnten auch viele Münchner Unternehmen von neuer Förderung profitieren. Wenn ein Unternehmen heute zum Beispiel Zubehör für Dieselfahrzeuge herstellt und in Zukunft Elektro-Motoren bauen will, kann es mit der neuen ,Transformationsförderung' Geld vom Staat erhalten. Das könnte er nutzen, um zum Beispiel seine Mitarbeiter zu qualifizieren."