"Das zerstört meine Existenz": So hart greift die Stadt im Uni-Viertel durch

Um eine Sache beneideten viele Münchner Berlin lange: um ihre Spätis, wo man sich die ganze Nacht lang günstig ein Bier holen und sich damit ans nächste Straßen-Eck setzen kann. In letzter Zeit haben immer mehr solcher Kioske in München aufgemacht. Jetzt will das Rathaus diese wieder einschränken. Nicht in der ganzen Stadt, aber im Uni-Viertel, wo sich in den letzten Wochen Anwohner immer wieder über zu viel Lärm, zu viel Müll, zu viel Ballermann beschwert hatten.
In der Behörden-Sprache heißen solche Spätis "Mischbetriebe". Fünf von ihnen, alle im Uni-Viertel, haben jetzt vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) die Auflage bekommen, dass sie ab diesem Wochenende nach 22 Uhr kein Bier mehr verkaufen dürfen, anderer Alkohol war nach 20 Uhr sowieso schon verboten. So teilt es eine KVR-Sprecherin mit.
"Das zerstört meine Existenz"
Auch Shivan Baseh hat so ein Schreiben bekommen. Er betreibt an der Schellingstraße 36 einen Kiosk. Erst im März habe er ihn übernommen, erzählt er. 150.000 Euro habe er investiert. Jetzt fürchtet er, dass er dieses Geld nie wieder einnehmen kann. "Ich verliere mindestens die Hälfte des Umsatzes, wenn ich nach 22 Uhr kein Bier mehr verkaufen darf", sagt er. "Das zerstört meine Existenz." Als ungerecht empfindet Shivan Baseh auch, dass Bars weiterhin To-Go-Getränke verkaufen dürfen – er und die anderen Kioske im Uni-Viertel aber nicht. Hinnehmen will er das nicht. Er habe sich einen Anwalt genommen, sagt er.
Zu den Gründen für die neuen Regeln äußert sich das KVR so: "Anwohnende im Uni-Viertel beschweren sich massiv über Lärm und Verschmutzungen, die maßgeblich von Feiernden ausgehen, die sich rund um die Kioske aufhalten."
Die Bezirksinspektion habe wiederholt Verstöße gegen das Gaststättengesetz festgestellt und Bußgelder verhängt. Auch die Polizei habe Anzeigen erstattet. Das Allparteiliche Konfliktmanagement (AKiM) und die Moderation der Nacht (MoNa) seien immer wieder vor Ort.
Allerdings habe dieses "Maßnahmenpaket" bisher aber nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Deshalb werde den Betrieben in einem nächsten Schritt der Verkauf von Bier nach 22 Uhr untersagt. Solche einschränkenden Maßnahmen kommen laut KVR bei anhaltenden Beschwerden und festgestellten Verstößen immer wieder im Stadtgebiet zum Tragen.
"Es ist nicht mehr tragbar"
Dass das KVR neue Regeln erlässt, finden sowohl Grüne als auch SPDler und CSUler richtig. "Es ist für die Anwohnenden nicht mehr tragbar", sagt die Chefin des örtlichen Bezirksausschusses Svenja Jarchow (Grüne). "Wir müssen jetzt Dinge ausprobieren, die den Anwohnern helfen." Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sie klagen.
Auch Felix Lang, der für die SPD im Bezirksausschuss Maxvorstadt sitzt, findet die neuen Regeln richtig. Dabei hat er vor ein paar Monaten das KVR noch scharf kritisiert, als es durchsetzen wollte, dass die Schanigärten im Uni-Viertel früher dichtmachen. "Die Ruhestörung geht von den Kiosken aus, die auch dann noch Bier und Cocktails ausschenken, wenn die Kneipen schließen", sagt er.
Auch der CSU-Stadtrat Thomas Schmid begrüßt es, dass das KVR handelt. Er wohnt im Uni-Viertel – und obwohl er früher selbst gerne nachts unterwegs gewesen sei, sagt er über die Situation dort: "Das geht gar nicht. Mittlerweile ist das hier Klein-Ballermann. Der Lärm ist unerträglich." Er plädiert für ein generelles Verbot von To-Go-Getränken nach 22 Uhr im Uni-Viertel.
Sind nicht nur die Kioske Schuld?
Dass der Lärm nicht nur von Kiosken ausgeht, sondern dass auch nicht alle Gastronomen für Ruhe vor ihren Kneipen sorgen, beobachtet BA-Chefin Svenja Jarchow. Und daran, dass nach warmen Sommernächten "massenhaft Plastikbecher" in der Schellingstraße liegen, sind aus ihrer Sicht nicht nur die Spätis Schuld. Die Grünen-Chefin fordert deshalb, dass die Stadt prüfen soll, ob es eine Möglichkeit gibt, in Schanigärten und Freischankflächen Plastikbecher zu verbieten.
Außerdem sollte die Stadt mit einer Kampagne auf die Wirte und Feiernde zugehen, fordert sie. Das Alkohol-Verbot nur für die Spätis sei jedenfalls noch nicht der "Weisheit letzter Schluss".