Coronavirus: Die Folgen für Münchner Gastronomen

Die Folgen des Coronavirus treffen Gastwirte mit voller Wucht. In wenigen Wochen könnte eine Pleitewelle kommen. Über eine Branche, die dringend Ideen braucht, um zu überleben.
Emily Engels
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Viel Bier – und oben drauf gibt es eine AZ.
Daniel von Loeper Viel Bier – und oben drauf gibt es eine AZ.

München - Rund 5.000 Gaststätten und 800 Hotels gibt es in München. Und von einem Tag auf den anderen musste die Stadt stillstehen. Die Betriebe schlossen ihre Türen und Kassen, als der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Art "Ausgangssperre light" verkündete. Hotels, Herbergen, Bars, Kneipen, Wirtshäuser und Lokale: Sie müssen nun eine Zeit überstehen, von der keiner weiß, wie lange sie dauert.

Handlungsmöglichkeiten für Wirte

"Das überlebt nicht jeder", sagt Christian Schottenhamel, Sprecher des Dehoga-Kreisverbandes München (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). Wenn sich die Situation bis spätestens Ende April nicht ändert, "werden wir hier eine beispiellose Pleitewelle erleben", sagt der Co-Chef des Nockherbergs. Die Dehoga hat bereits einen offenen Brief an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) geschrieben. Darin wird die Stadt dazu aufgerufen, die Wirte nicht zu vergessen und sie nach allen Kräften zu unterstützen. Am Nockherberg seien alle 160 Mitarbeiter freiwillig in eine 60-Prozent-Kurzarbeitsregelung übergetreten. "Bei der Dehoga rufen regelmäßig heulende Wirte an, die nicht mehr weiterwissen", so Schottenhamel, "wir machen ihnen Mut, versuchen erst einmal zu zeigen, was sie alles tun können."

Die Palette der Möglichkeiten ist gar nicht so klein. Einige Beispiele: Soforthilfe beim Staat beantragen, den Angestellten Kurzarbeit anbieten, beim Finanzamt die Erstattung der vorausgezahlten Umsatzsteuer beantragen, mit dem Vermieter eine Aussetzung der Pacht verhandeln: "Es gibt schon Reaktionsmöglichkeiten, aber zum Beispiel die Soforthilfe dauert ja, bis sie bewilligt ist und auf dem Konto landet", so Schottenhamel. Es könne daher für viele seiner Kollegen zu spät sein, bis sie Unkosten ausgleicht. Aber, so betont Schottenhamel, man solle ihn nicht falsch verstehen: "Ich finde die Reaktion der Staatsregierung völlig angemessen, um die Verbreitung des Coronavirus aufzuhalten."

Lieferservice statt Bartresen

Viele Gastwirte von eher kleineren Lokalen stellen nun auf Lieferservice um. Zu ihnen gehört Maximilian Heisler, der das "Frisches Bier" am Schlachthof betreibt. Er liefert nun seine Biersorten und Snacks, die er normalerweise am Tresen verkauft, per Lastenrad bis nach Hause – und legt dieser Tage zu jeder Lieferung auch eine Ausgabe der Abendzeitung gratis dazu. Heisler betreibt den Laden mit Tilman Ludwig von Tilmans Biere – und verkauft dessen Biere wie auch andere Biere kleiner Brauereien.

Viel Bier – und oben drauf gibt es eine AZ.
Viel Bier – und oben drauf gibt es eine AZ. © Daniel von Loeper

"In den ersten Tagen wurden wir von Bestellungen überrannt", so Heisler. Er ist optimistisch, so diese schwierige Phase irgendwie zu überstehen. "Aber ich vermisse meinen Tresen", sagt Heisler, "als Wirt gibt es für mich nichts Schöneres, als netten Gästen ein Bier einzuschenken und ein wenig mit ihnen zu plaudern, falls ich gerade Zeit habe." Diese Tage sehnt er herbei.

Bar Gabanyi: Ausgesetzte Pacht

Freundlichen Gästen ein Getränk mixen und bei Gelegenheit zu plauschen, dazu Salziges und Deftiges bis spät in die Nacht, einmal pro Woche Livemusik: Die Bar Gabanyi von Stefan Gabanyi ist dessen Lebenstraum, den er nach langen Jahren als Barchef bei der Barlegende Charles Schumann verwirklicht hat. Die Soforthilfe ist schon beantragt. Aber bei dem ganzen Totalausfall macht er sich Sorgen, vor allem um die Freiberufler, die bei ihm arbeiten und auch die Musiker. "Künstler verdienen eh schon wenig in dieser teuren Stadt. Die trifft das alles noch viel härter als mich", so Gabanyi.

So spontan wie Heisler kann der erfahrene Barmann nicht sein. "Ich gebe den Leuten in meiner Bar ein besonderes Lebensgefühl, mit dem Ambiente im Souterrain, gutem Whiskey, kreativen Drinks und professionellen Barkeepern. Das gibt es nicht to Go oder per Lieferservice nach Hause", so Gabanyi, "immerhin hatte ich Glück mit meinem Vermieter. Ich konnte aushandeln, die Pacht erst einmal auszusetzen."

Café Katzentempel : Digitaler Spendenaufruf

Thomas Leidner und Kathrin Karl, Geschäftsführer vom Café Katzentempel in der Türkenstraße, nutzen die digitale Welt, um schwere Zeiten zu überstehen. Lohn, Miete, die Versorgung der Katzen: All das kostet. Über die Internetseite "Gofundme" haben sie deshalb einen Spendenaufruf gestartet. Die Idee: Wer jetzt spendet, bekommt später etwas dafür zurück.

Für jede Spende ab zehn Euro gibt‘s einen Gutschein. Für Spenden ab 50 Euro gibt es noch kleine Geschenke wie Katzentempel-T-Shirts dazu. Kathrin Karl sagt: "Die Krise ist für uns alle hart, aber wir sind schon jetzt überwältigt, wie viel Unterstützung wir erfahren." Mit der Kampagne wolle sie zeigen, "dass man nie den Kopf in den Sand stecken darf".

Einen Aspekt verdrängen mache noch. Schottenhamel nicht. Er fürchtet nicht nur die Gegenwart, in der Stillstand herrscht. Er sorgt sich auch, was danach kommen mag. "Bis alle wieder so wie vor der Coronakrise in die Wirtshäuser gehen, in den Hotels übernachten, essen, trinken, feiern – das wird Wochen, Monate, wenn nicht Jahre dauern", fürchtet er.

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