Cannabis-Legalisierung – Gemeinde will "Hanf-Megastore" bei München verhindern: "Hier gibt es bereits Drogenprobleme unter Jugendlichen"

Im Nordosten von München hat der größte Hanf-Laden der Region eröffnet. Hier könnte es schon bald auch Cannabis zu rauchen geben. Doch die Gemeinde kann das noch verhindern – mit einer überraschenden Aktion.
von  Hüseyin Ince
Wenzel Vaclav Cerveny bei der Eröffnung seiner "Natur Erlebnis-Welt". Er steht neben der Hazelbox Snitch, entwickelt von Philipp Frost. Darin kann man das Wachstum von Hanfpflanzen beschleunigen, durch perfekte Licht- und Abluftverhältnisse. Kosten: ab 1700 Euro. Auch Cerveny möchte solche Boxen in seinem Cannabis-Club aufstellen.
Wenzel Vaclav Cerveny bei der Eröffnung seiner "Natur Erlebnis-Welt". Er steht neben der Hazelbox Snitch, entwickelt von Philipp Frost. Darin kann man das Wachstum von Hanfpflanzen beschleunigen, durch perfekte Licht- und Abluftverhältnisse. Kosten: ab 1700 Euro. Auch Cerveny möchte solche Boxen in seinem Cannabis-Club aufstellen. © abz

München - Am Donnerstagmorgen sieht sich Wenzel Vaclav Cerveny fast am Ziel seines großen Traumes. Ein Teil davon ist wahr geworden. Cerveny, der vor fast sieben Jahren bereits einen Hanf-Shop in der Münchner Einsteinstraße eröffnet hat, konnte im ehemaligen Rewe-Markt in der Aschheimer Saturnstraße 61 einziehen, auf etwa 800 Quadratmetern, genannt: "Natur Erlebniswelt, der etwas andere Bioladen".

Nach so einem "Hanf-Megastore", wie er es nennt, mit mehr als 1000 Hanfprodukten aller Art, suchte er schon seit Jahren. Er verkauft legale Produkte, ohne Rauschwirkung, von Hanf-Spaghetti über Hanf-Cremes, Tee, Kaffee, Kleidung, Handtücher bis hin zu Hundeleckerlis, aber auch überlange Tabak-Papers oder Wasserpfeifchen, mit denen man Tabakwaren verrauchen kann – die aber natürlich vor allem unter Cannabis-Konsumenten beliebt sind.

Michael Werla und Christiane Hecht bei der Eröffnung. Werla verkauft Gin mit Hanf, Hecht ist spezialisiert auf Hanf-Bettwäsche.
Michael Werla und Christiane Hecht bei der Eröffnung. Werla verkauft Gin mit Hanf, Hecht ist spezialisiert auf Hanf-Bettwäsche. © abz

Riesiger Hanf-Laden im Nordosten von München: "Hoffentlich hört die Hexenjagd bald auf"

Ein zweiter Teil des Traumes ist Cerveny wahrscheinlich viel wichtiger. Er möchte hier im Münchner Nordosten ab April im gleichen Gebäude seinen Hanf-Club "Chillout.Club Anbau Verein" in Betrieb nehmen, nachdem an diesem Freitag der Bundestag ein neues Gesetzespaket verabschiedet. "Durch die Entkriminalisierung hört hoffentlich die Hexenjagd auf", sagt Cerveny.

Er fühlt sich zu Unrecht von den Behörden verfolgt, erzählt von den 25 Razzien, die seit 2017 schon bei ihm stattgefunden hätten. Die Polizei habe dabei Waren im Wert von 25.000 Euro beschlagnahmt, die er bis heute nicht zurückbekommen habe. "Das war ein großer Schaden, ein ganzer LKW voller Hanf-Waren", sagt er. Etwa 200.000 Euro habe er bislang für Anwälte gezahlt.

Das Mindestalter für den Aschheimer Hanf-Club: 25 Jahre

Der Bundestag hat am Freitag darüber entschieden, dass THC-haltiges – also berauschendes - Hanf teilweise legalisiert und entkriminalisiert wird, auch mit neuen Eigenbedarfsgrenzen. Erwachsene haben künftig die Möglichkeit, als Mitglied in einem Club – wie ihn Cerveny bereits gegründet hat – 50 Gramm THC-haltiges Cannabis pro Monat im eigenen Verein zu kaufen.

Max Peter Graf von Montgelas. Er ist für die Brauerei Unertl da, die ein Hanfbier namens "Chill A Bissl" produziert und bei Cerveny in Aschheim verkauft.
Max Peter Graf von Montgelas. Er ist für die Brauerei Unertl da, die ein Hanfbier namens "Chill A Bissl" produziert und bei Cerveny in Aschheim verkauft. © abz

"Ich bestehe auf strengen Jugendschutz", sagt Cerveny, "in meinem Verein darf man erst ab 25 Mitglied werden." Und er sagt auch: "Sogar in meinen Hanf-Laden lass ich niemanden rein, der unter 18 ist, ich will nicht, dass ein Minderjähriger mit einem Feuerzeug durch die Schule läuft, auf dem ein Hanfblatt zu sehen ist. Da ist doch sofort klar, wo das herkommt."

Cerveny ist seit mehr als einem Jahrzehnt ein Verfechter der Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis, obwohl er selbst nicht konsumiere. "Ich trinke auch kaum Alkohol", sagt er. In den Clubs, wie sie die Bundesregierung plant, sieht er nur Vorteile: kontrollierte Abgabe, Aufklärung und Verdrängung des Schwarzmarktes etwa. Schließlich darf auch jeder – tritt das Gesetz in Kraft – bis zu zwei Hanf-Pflanzen zu Hause züchten, die den Eigenbedarf locker decken würden.

"Hanf-Shop? Kein Problem. Aber kein Cannabis-Club!"

Doch da ist eben noch der Faktor Aschheim, hier regiert die CSU, jene Partei, die bekanntlich strikt gegen eine Legalisierung von Cannabis ist. Und hier kämpft man mit ungewöhnlichen Mitteln, um einen Cannabis-Club zu verhindern: nämlich mit einem Spielplatz, der gerade direkt am Gebäude der Gemeinde gebaut wird. Das Rathaus ist keine 200 Meter von Cervenys Hanf-Club entfernt, ebenfalls in der Saturnstraße. Doch Gemeinderat und die Hanf-Welt trennen gefühlt noch einige Lichtjahre.

Paul Stoiber stellt Pesto her, einige davon beinhalten Hanf.
Paul Stoiber stellt Pesto her, einige davon beinhalten Hanf. © abz

"Wir haben absolut nichts gegen den Bio-Hanfladen", versichert der Geschäftsleiter des Aschheimer Rathauses, Christian Schürer im Namen des Gemeinderates: sieben CSU-Mitglieder, sieben von den Freien Wählern, vier Grüne und zwei von der SPD. Aber einen Cannabis-Club mit Abgabe-Mengen bis zu 50 Gramm wolle man im Ort einfach nicht.

Am vergangenen Donnerstag erst habe der Gemeinderat beschlossen, dass ein Spielplatz vor das Rathaus gebaut werde. Auch wenn es Schürer so nicht formuliert, scheint die Idee dahinter zu sein, dadurch den Cannabis-Club zu verhindern.

Auch die Aschheimer Grünen stimmten für einen Spielplatz in der Nähe der Hanf-Welt

Denn im Gesetzesentwurf der Bundesregierung steht, dass im Umkreis von 200 Metern von Spielplätzen solche Clubs verboten sind. Ob dieser Aschheimer Beschluss mehrheitlich gefasst wurde? "Einstimmig!", betont Schürer. Auch die Grünen? "Ja, auch die Grünen", sagt er, was dann doch etwas erstaunt. Fragt man Schürer, weshalb der Spielplatz so kurzfristig gebaut werden solle, stellt er das nicht als Maßnahme gegen den Cannabis-Club dar. Er sagt: "Wir haben hier viele Familien im Ort und wollen den Kindern künftig die Möglichkeit geben zu spielen, wenn die Eltern auf Dokumente oder Termine warten".

Cerveny ist leicht schockiert, hört am Donnerstag zum ersten Mal von dem Spielplatz vor der Gemeinde. Er sammelt sich kurz: "Ich habe ohnehin gehört, dass diese 200-Meter-Regel aufgeweicht und eine 50-Meter-Regel daraus wird", weiß er. Zudem habe er seinen Club schon längst gegründet. Sobald er dürfe, könne er innerhalb von zwei Wochen loslegen. Es seien quasi schon Tatsachen geschaffen, er glaube nicht, dass ein nachträglich gebauter Spielplatz in der Nähe das verhindern könne.

"Ich bin nicht grundsätzlich gegen Cannabis"

Am Donnerstagnachmittag kommen dann auch noch einige Aschheimer Senioren an die Saturnstraße 61, entschiedene Gegner des potenziellen Cannabis-Clubs: Reiner Schillmeier, Mathilde Haberl und Ulrich Wein. Sie vermeiden es sogar, auch nur einen Fuß auf den riesigen Parkplatz der Natur Erlebniswelt zu setzen – so wirkt es zumindest.

Reiner Schillmeier, Mathilde Haberl und Ulrich Wein: Sie sind gegen einen Cannabis-Club, der in Aschheim entstehen könnte.
Reiner Schillmeier, Mathilde Haberl und Ulrich Wein: Sie sind gegen einen Cannabis-Club, der in Aschheim entstehen könnte. © Hüseyin Ince

Sie sorgen sich, dass die Abgabe-Menge von 50 Gramm pro Monat dazu führt, dass das Rauschmittel an Jugendliche weitergegeben wird. "Hier gibt es schon Drogenprobleme unter Jugendlichen", sagt Schilllmeier. Und er sei nun wirklich nicht grundsätzlich gegen Cannabis. "Die Mutter meiner Lebensgefährtin bekommt das verschrieben", sagt er. Und Haberl sagt: "Meine Tochter ist Richterin und urteilt oft in Betäubungsmittel-Delikten. Sie sagt: In sehr vielen Fällen war Cannabis die Einstiegsdroge."

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.