Bundeswehrgelöbnis auf Nazi-Paradeplätzen?
MÜNCHEN - Bayerns oberster Soldat will ein öffentliches Gelöbnis mitten in München. Als Kulisse sollen ausgerechnet zwei historisch belastete Orte dienen: der Odeonsplatz und der Königsplatz. OB Christian Ude vereitelt jetzt die Pläne.
Es ist eine geheime Kommando-Sache. Erst schickte die Bundeswehr Späher, dann Mittelsmänner ins Münchner Rathaus, um das Terrain zu sondieren. Auf höchster diplomatischer Ebene wird seit fünf Monaten mit OB Christian Ude (SPD) verhandelt. Denn es geht um vermintes Gelände: Bayerns oberster Soldat, Generalmajor Gert Wessels (59), will im Sommer Rekruten aus dem ganzen Freistaat in der Landeshauptstadt zum öffentlichen Gelöbnis aufmarschieren lassen. Als Kulisse hatte er sich ausgerechnet den Odeonsplatz oder den Königsplatz gewünscht.
Zwei historisch belastete Orte, von denen aus NS-Diktator Adolf Hitler München zur „Hauptstadt der Bewegung“ gemacht und seinen Nazi-Kult zelebriert hatte. Der OB lehnte ab und ließ die Bundeswehr zappeln. Nachdem die AZ gestern bei ihm anfragte, kam es anschließend zwischen den Emissären der Stadt und der Streitkräfte zu einem überraschenden Friedensschluss. Jetzt darf die Bundeswehr ein paar Meter neben dem Odeonsplatz im Hofgarten aufmarschieren.
Ende Juli, Anfang August sollen die Rekruten vor dem Herkulessaal der Residenz die Formel sprechen: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“ Die Worte werden dann zur Feldherrnhalle hinüberschallen, nur die Arkaden trennen sie vom Odeonsplatz.
Einen Aufmarsch direkt vor der Feldherrnhalle oder auf dem Königsplatz hatte der Münchner OB strikt abgelehnt. „Es ist ein selbstverständlicher Akt einer Parlamentsarmee, ein öffentliches Gelöbnis abzulegen. Aber diese Orte würden die Bundeswehr in ein völlig falsches Licht tauchen. Das würde ein befremdliches Traditionsbild abgeben, das sie nicht verdient hat“, sagt er zur AZ.
"Altar" der Nationalsozialisten
Die Feldherrnhalle galt im Dritten Reich als „Altar“ der Nazis. Am Morgen des 9.November 1923, einem Freitag, marschierte Hitler mit seinen Anhängern auf sie zu. Sein Putschversuch wurde gestoppt, 16 seiner Anhänger erschossen.
Nach der Machtübernahme 1933 machte der Diktator die Feldherrnhalle zum Inbegriff seiner Propaganda. An der östlichen Seite wurde eine Ehrentafel mit den Namen der Gefallenen des Putschversuchs angebracht. Jeder Münchner, der daran vorbeiging, war zum Hitlergruß verpflichtet. Die SS passte auf. Vor der Feldherrnhalle ließ Hitler regelmäßig Truppen aufmarschieren.
Den Königsplatz baute er zu seiner zentralen „Weihestätte“ aus. Zwei „Ehrentempel“ für die Sarkophage der 16 Gefallenen wurden gebaut. Der Rasen musste schweren Granitplatten weichen. Hitler ließ ihn Aufmarsch-tauglich machen. Der Königsplatz wurde zu seinem pseudo-religiösen Zentrum mit dem „Führerbau“ und dem „Braunen Haus“ in Sichtweite. Hier fand auch die Bücherverbrennung statt.
Ude fand die Stahlhelme und Fackeln bei früheren Gelöbnissen makaber
Zwar war die Bundeswehr in den 70er Jahren schon auf dem geschichtsträchtigen Königsplatz zu öffentlichen Gelöbnissen aufmarschiert. OB Christian Ude: „Als junger Rechtsanwalt musste ich abends einen Brief wegbringen und bin da hineingeraten, wie sie mit ihren Stahlhelmen und den Fackeln in der Hand da standen. Das war ganz schön makaber. Die Bundeswehr gibt sich optisch in eine Vergleichbarkeit, mit der sie wirklich nichts zu tun hat.“
Generalmajor Gert Wessels ist seit Oktober 2007 Bayerns oberster Soldat. In Sachen Gelöbnis agierte er mit Fingerspitzengefühl, in Sachen Geschichte dagegen mit wenig Sensibilität. Sogar im Landtag hielt er diese Woche noch in der CSU Ausschau nach Emissären, die ihn bei seinem Ortswunsch unterstützen.
Denn auch in der Bundeshauptstadt Berlin hatten sich die Streitkräfte letztes Jahr nach heftigen Diskussionen durchgesetzt. Auch dort ging es weniger um das Gelöbnis als um den Ort: vor dem Berliner Reichstag.
OB Ude schlug Wessels die Theresienwiese vor. Am Fuße der Bavaria, das sei ein weltweit bekannter und beliebter Platz: „ein bayerischer Platz für ein bayerisches Gelöbnis“. Auch das Sicherheitsproblem sei dort ganz einfach zu lösen. Die Busse könnten gleich neben den Rekruten parken. Doch im Juli geht dort nichts mehr. Da ist der Aufbau des Oktoberfestes bereits voll im Gange.
Gestern dann die schnelle Einigung: Der Augsburger CSU-Landtagsabgeordnete Johannes Hintersberger brachte als Kompromiss den Hofgarten ins Spiel. Denn die Zeit für die Gelöbnis-Vorbereitung drängt. Damit kann nun auch OB Christian Ude leben. Für die Münchner wird die Stadt für das Groß-Gelöbnis zum Hochsicherheitstrakt.
Angela Böhm