Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer: "Wir brauchen mehr Parkhäuser"
München - Kerstin Schreyer wurde 1971 in München geboren. Seit 2020 ist die CSU-Politikerin Ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr in der Regierung Söder.
AZ: Frau Schreyer, Sie haben oft gesagt, dass die Menschen in Homeofficezeiten weiter rausziehen werden. Rechnen Sie ernsthaft mit einer Entspannung am Mietmarkt?
KERSTIN SCHREYER: Das Thema Wohnen hat während Corona eine andere Bedeutung bekommen. Mehr Platz zu haben, ist für viele viel wichtiger geworden. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung ohne Balkon ist zu zweit eben schnell zu eng, wenn beide Homeoffice machen. Wenn man weitgehend daheim arbeitet und nur noch zwei Mal die Woche ins Büro fährt, kann es sich lohnen, weiter rauszuziehen. Und die Zahlen zeigen je nach Umfrage: Acht bis zwölf Prozent der Münchner können sich das vorstellen.
Das wird bleiben nach der Pandemie?
Ja, das glaube ich. Die Menschen denken heute mehr darüber nach, wie viel Platz sie haben als früher, als viele nur zum Schlafen nach Hause gekommen sind.
Freie Wahl des Wohnorts soll Standard werden
Wenn wir mit Bürgermeistern im Umland sprechen, klingen die nicht, als wollten sie günstige Mietwohnungen im großen Stil in ihren Ortschaften.
Ich finde, die Menschen sollen entscheiden können, wo sie wohnen wollen - nicht der Oberbürgermeister Reiter und nicht irgendein anderer Bürgermeister. Das ist mein Ziel als Ministerin: Dass die Menschen überall in Bayern unabhängig von Herkunft, Alter, Einkommen selbst entscheiden können, wo sie leben wollen. Wir als Politik sollten nur den Rahmen bieten.
Der Markt wird das Angebot nicht regeln.
Der Markt alleine wird es nicht regeln. Aber es passiert jetzt schon sehr viel. 2019 und 2020 gab es so viele Baugenehmigungen und so viele fertige Wohnungen wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Weniger Investoren durch Sozialquote?
Sie würden ernsthaft sagen: Beim Bau bezahlbarer Mietwohnungen ist Oberbayern auf einem guten Weg?
Die Zahlen sprechen doch für sich. Dass Zahlen dem, der gerade eine Wohnung sucht und nicht findet, nicht helfen, weiß ich. Aber wir müssen uns auch an die Fakten halten. Und die Wohnungen entstehen eben nicht vor allem durch Politik, sondern durch die Bauunternehmer. Deshalb brauchen wir Rahmenbedingungen, unter denen die Unternehmen nicht sagen: So bauen wir nicht mehr.
Glauben Sie durch die neuen Münchner Regeln, durch die noch mehr sozial zu vergebende Wohnungen in Neubaugebieten erzwungen werden sollen, wird es zu schwer für die Bauunternehmen?
Ja, ich gehe davon aus, dass sich dann viele überlegen werden, ob es sich noch lohnt, in München zu bauen. Ich verstehe den Ansatz der Stadt, dass sie eine Sozialquote erfüllen will. Aber man muss schon aufpassen, dass man den Anreiz zu bauen, nicht so weit verkleinert, dass keiner mehr bauen will. München ist da schon hart an der Grenze.
"Die Stadt hat viel zu wenig gebaut. Diese Wohnungen fehlen"
Glauben Sie ernsthaft, es könnte Flächen geben, für die sich kein Interessent findet?
Interessenten wird es immer geben. Die Frage ist, was rauskommt - und ob die frei finanzierten Wohnungen dann nicht viel teurer werden. Zu viele Vorgaben können halt auch dazu führen, dass sich da dann kein Rentner mehr eine Wohnung leisten kann.
Die Münchner Mieten sind explodiert. Was hat die Stadt falsch gemacht?
Sie hat vor Dieter Reiter viel zu wenig gebaut. Und die Wohnungen, die da nicht gebaut wurden, fehlen jetzt.
Und heute?
Dem Oberbürgermeister kann man keinen Vorwurf machen. Inzwischen tut die Stadt, was sie kann.
Schreyer: "Wir müssen in die Höhe bauen"
Wie sehen Sie es persönlich: Muss München höher bauen?
Ja. Ich glaube, dass wir generell ein Stockwerk höher bauen müssen, Berechnungen zeigen, dass man so Münchens Wohnproblem lösen könnte. Wir haben teure Filetgrundstücke, Sportflächen, die wir nicht aufgeben wollen, Hobbys, denen man auch im Stadtkern nachgehen können soll. Ich glaube, da ist es sinnvoll, in die Höhe zu gehen. Und ein Stockwerk mehr wird das Stadtbild nicht nachhaltig verändern.
Sind die Münchner weniger großstädtisch, als sie glauben?
Ich glaube eigentlich nicht, dass es den Münchnern um das eine Stockwerk geht. Sie fragen sich eher: Wo soll das dann noch hinführen?
Sind denn Sie für echte Hochhäuser?
Die Frage ist immer, wann ein Hochhaus beginnt.
Sollte wieder höher gebaut werden als die 99 Meter, die einst ein Bürgerentscheid als Höchstgrenze definiert hat?
Ja, ich glaube, es muss moderat höher gebaut werden.
Wann ärgern Sie sich übers Münchner Rathaus?
Ach, ich könnte lange darüber sprechen, bei welchen Bauvorhaben die Stadt ewig verzögert hat. Aber ich habe einen anderen Politikansatz: Ich will Lösungen für die Probleme.
"Die Stadt darf dem Staat nichts vorwerfen"
Die Stadt schiebt vieles auf den Freistaat.
Wenn Herr Reiter will, dass wir öffentlich aufzählen, wer was gemacht hat, lehne ich mich wirklich entspannt zurück. Die Liste, was im Münchner Rathaus verzögert wurde, ist sehr lang. Und ich verstehe die Stadt, dass sie die Gartenstädte erhalten und dort nicht noch mehr Wohnraum schaffen will, auch. Die Gartenstädte sind wichtig für das Gesicht Münchens. Fakt ist: Die Stadt wollte nicht, dass der Freistaat zwischen 600 und 900 Wohnungen in Hartmannshofen baut. Dann sollte sie es uns nicht vorwerfen. Ich verstehe das sehr gut, aber wir müssen da sauber spielen.
Verstehen Sie, dass die Stadt sich ärgert, dass Sie als einziges Bundesland gegen die Vorkaufsrechte gestimmt haben, mit denen die Stadt von Luxussanierung bedrohte Mieter schützen könnte?
Die Vorwürfe sind unseriös. In der Bauministerkonferenz waren alle einer Meinung.
Aber nur Bayern hat anders abgestimmt als die anderen.
Ja, aber nur, weil es zu dem Gerichtsurteil noch keine Begründung gab und ich die erst lesen wollte. Wenn Herr Reiter uns dafür angreift, will er offenbar davon ablenken, dass er selbst zu spät oder gar nicht geliefert hat.
Schreyer: "Bei Stadt München dauern Verfahren besonders lange"
Dann haben Sie ja jetzt hier in der AZ die Möglichkeit zu sagen: Per se finde ich es die richtige Strategie, wenn die Stadt Mietshäuser aufkauft.
Wir schauen uns jetzt erstmal die Begründung für das Urteil an, ob das ein Einzelfall war oder uns in Bayern betrifft. Wenn wir das ausgewertet haben, dann werde ich mich dazu äußern. So geht seriöse Politik. Ich glaube, Herr Reiter will von seinen nicht erledigten Hausaufgaben ablenken.
Wollen Sie uns da vielleicht doch eine nennen, von der Liste aus Ihrer Schublade?
In München höre ich von den Bauträgern, dass es fünf bis sieben Jahre dauern kann, bis eine Baugenehmigung da ist.

Diese Klagen gibt es aus anderen Städten nicht?
Ich höre aus Nürnberg oder Augsburg nichts Vergleichbares. Auf dem Land macht man eben eine Sonder-Gemeinderatssitzung. Die Stadt München ist mit ihren Verfahren schon ganz besonders behäbig.
In München stehen Büroflächen leer. Sehen Sie Potenzial gegen den Wohnungsmangel?
Ja, da haben wir schon einiges erreicht. Und natürlich wird es da noch mehr Potenzial geben, weil die Wirtschaft darauf reagieren wird, dass Menschen, die nicht mehr jeden Tag im Büro sind dort keinen festen Arbeitsplatz für sich alleine brauchen.
Flexibilität ist das Wort der Stunde
Wo ist noch zusätzliches Potenzial?
Wir müssen flexibel denken. In Solln haben wir auf Häuser ein Stockwerk aus Holz gesetzt. Grundsätzlich will ich barrierefrei bauen, aber gerade in München mit der Wohnungsnot muss man es vielleicht auch mal anders machen. Dort haben wir zum Beispiel auf den sehr teuren Aufzugbau für das aufgestockte Stockwerk verzichtet. Dann ist das oberste Stockwerk eben für Studenten ohne Behinderung - und die brauchen dann nicht woanders eine Wohnung. Vielleicht haben sie ja auch kein Problem damit, über einer Kneipe zu wohnen - wo eine Familie mit kleinen Kindern nicht leben mag.
Wie gefallen Ihnen Münchens Neubaugebiete? So vom Flair her: Würden Sie gerne in Freiham leben?
Ich habe den Vorteil, dass ich sehr gerne wohne, wo ich wohne. Daher stellt sich die Frage nicht. Ich finde, in München haben sehr verschiedene Ecken alle ihr Flair. Die Menschen sind nicht gleich, jeder muss für sich finden, wo er leben will.
Reden wir über Verkehr. Soll die Innenstadt autofrei werden?
Münchens?
Münchens.
Ich finde, wir sollten den Städten und Gemeinden in dieser Frage nichts vorschreiben.
Schreyer: "Man muss überlegen wo Autos hindürfen sollen und wo nicht"
Ihre Meinung zu München interessiert uns trotzdem.
Ich habe mir Professoren angehört. Für ganz autofreie Innenstädte spricht eigentlich keiner, wenn von autoarm. Die Städte müssen sich fragen, was sie mit der Innenstadt wollen. In einer Straße mit besonders hochpreisigen Angeboten muss ich Autos reinfahren lassen. Wer ein teures Schmuckstück kauft, will direkt dorthin fahren.
Also sorgen Sie sich um die armen Luxusmarken auf der Maximilianstraße, weil Parkplätze wegfallen sollen?
Die Maximilianstraße hat einen gewissen Flair. Die Kunden wollen mit dem Auto hin. Man sollte die Innenstadt nicht komplett autofrei machen - sondern überlegen, in welche Bereiche man den Verkehr lenkt und in welche nicht.
Und in welche nicht?
Es muss auch Bereiche geben, in denen Musik ist, Cafés, man sich gerne aufhält. Da stört der Autoverkehr. Und anderswo ist es anders. Übrigens nicht nur, wo es um Luxus geht. Auch eine Waschmaschine nehmen Sie nicht mit der S-Bahn mit heim.
"Ich habe noch keinen Handwerker mit seinen Sachen in der S-Bahn gesehen"
Sie haben die Stadt scharf angegriffen für den Plan, Parkgebühren zu erhöhen.
Wenn Handwerker nicht mehr parken können, werden sie sich genau überlegen, ob sie den Auftrag annehmen - oder lieber einen im Umland. Und ich habe noch keinen Handwerker seine Sachen in die S-Bahn laden sehen.
Was ist in München schlimmer: im Stau zu stehen oder in der S-Bahn zu stehen?
Wenn die S-Bahn nach Corona wieder voller wird, finde ich es schon unangenehm. Deshalb war es mir wichtig, die Außenäste zu ertüchtigen, den Takt zu verdichten und wir haben Züge aus Hannover gekauft. Die S-Bahn muss mehr fahren und braucht mehr Komfort. Da ist Luft nach oben. Das größte Problem für den Verkehr in der Stadt ist aber im Moment ein anderes.
Welches?
Die Leute fahren ewig im Kreis, um einen Parkplatz zu finden. Das macht Lärm und Abgase. Deshalb wäre es klug, nicht weniger Parkplätze zur Verfügung zu stellen - sondern mehr.
Schreyer: "Das Auto zu verteufeln, führt am Ende zu mehr Lärm und Abgasen"
Also lieber Parkplätze als Schanigärten?
Nein, ich bin für Schanigärten. Aber das Auto einfach nur zu verteufeln, führt eben dazu, dass die Leute dann im Kreis fahren und Lärm und Abgase produzieren. Wir brauchen neue Parkgaragen und Parkhäuser.
Wann wird der Südring ertüchtigt, wann halten endlich Regionalzüge an der Poccistraße?
Die vom Freistaat bei der Deutschen Bahn beauftragten Planungen sind bereits weit fortgeschritten. Klar ist insgesamt: Wir brauchen sehr viel Geld für München und ich will mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen. Aber am Ende entscheidet der Landtag.
Sie gelten als Seilbahn-Fan. Ernsthaft ein Projekt, um Münchens Verkehrschaos in den Griff zu kriegen?
Wir brauchen einen Mix aus Angeboten. Natürlich die Zweite Stammstrecke - aber auch die Seilbahn.
Sind Sie zuversichtlich?
Ja. Die Seilbahn mag exotisch klingen, aber es gibt sie in anderen Ländern schon in vielen Städten. Sie ist naheliegend, um die Isar zu queren. Natürlich müssen wir so planen, dass den Leuten nicht ins Wohnzimmer geschaut wird. Aber ich glaube, wir werden alle noch damit fahren. Wir werden alle genial finden, dass es sie gibt.