Bayernkaserne von Münchner OB Dieter Reiter geschlossen

„Weil die anderen es nicht hinbekommen“: OB Dieter Reiter macht die Bayernkaserne dicht – „bis menschenwürdige Zustände herrschen“
von  Florian Zick
Reiter ist wegen der Situation in der Bayernkaserne von der Staatsregierung enttäuscht.
Reiter ist wegen der Situation in der Bayernkaserne von der Staatsregierung enttäuscht. © Daniel von Loeper

Wegen der anhaltend desaströsen Zustände in der ehemaligen Bayernkaserne hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) das Flüchtlingslager gestern eigenmächtig geschlossen. „Wir können da niemanden guten Gewissens mehr reinlassen“, sagte Reiter.

Die Verwaltung der Erstaufeinrichtung obliegt eigentlich dem Freistaat. Die Staatsregierung habe bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms allerdings vollkommen versagt, sagt Reiter. „Weil die anderen es nicht hinbekommen, müssen wir jetzt einspringen“, sagt der Rathaus-Chef.

Er wirft dem Freistaat „absolutes Versagen“ vor Er sei „sehr, sehr enttäuscht“ von Seehofer und dessen Kabinettskollegen, sagte Reiter. Erst vergangenen Freitag hatte der OB gemeinsam mit Sozialministerin Emilia Müller (CSU) die Bayernkaserne besucht und dabei erneut auf die untragbaren Zustände dort aufmerksam gemacht. „Leider ist es auch in mehrfachen Konsultationen nicht gelungen, die Staatsregierung zum Handeln zu bewegen“, sagte Reiter.

Die Stadt hat deshalb nun selbst einen Krisenstab für Flüchtlinge eingerichtet. Dieser hat gestern Nachmittag in einer eilig anberaumten Sitzung verfügt, dass in der Bayernkaserne vorläufig keine neuen Flüchtlinge mehr aufgenommen werden – und zwar so lange, „bis dort wieder menschenwürdige Zustände herrschen“, so Reiter.

Als Nothilfe hat der Krisenstab gestern beschlossen, neu ankommende Flüchtlinge in die Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf zu verlegen oder sie in Notunterkünften im Stadtgebiet unterzubringen. Mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks, der Münchner Feuerwehr, dem Roten Kreuz und dem Katastrophenschutz sollen auf Freiflächen wie dem Tollwood-Gelän- de im Olympiapark (siehe Kasten unten rechts) kurzfristig Zeltstädte entstehen, damit die Flüchtlinge zumindest nicht mehr – wie in den vergangenen Tagen mehrmals vorgekommen – im Freien übernachten müssen.

Die Entscheidungen müssten jetzt schnell getroffen werden, forderte Reiter, „wir können nicht noch drei Monate diskutieren“. Deswegen will die Stadt auch eigenes Personal abstellen, um die Betreuung der Flüchtlinge sicherstellen zu können. Weil die Verwaltung in der Bayernkaserne in den vergangenen Tagen komplett überfordert war, konnten viele Flüchtlinge nicht registriert werden und bekamen deshalb unter anderem auch keine Decken. Solche Zustände will Reiter in seiner Stadt nicht mehr dulden. „Es wird niemand mehr ohne Decken schlafen müssen“, versprach er.

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Die Maßnahmen sollen in erster Linie dazu dienen, die überfüllte Bayernkaserne so schnell wie möglich zu entlasten. „Wir müssen da einen besseren Abfluss schaffen“, sagte Christine Strobl (SPD), Münchens Dritte Bürgermeisterin. Deswegen will die Stadt zusätzlich zu den Zeltstädten prüfen, ob es in der Stadt nicht auch weitere Gebäude gibt, wo sich Flüchtlinge sinnvoll unterbringen ließen. Sozialministerin Müller richtet eigenen Krisenstab ein Die von Reiter harsch kritisierte Sozialministerin Emilia Müller hat gestern indes eine eigene Task-Force gegründet – samt Krisen- und Interventionsstab für die Münchner Erstaufnahmeeinrichtung.

Es brauche „einen gemeinsamen Kraftakt“, sagte Müller, um die Abläufe in der öffentlichen Verwaltung zu beschleunigen. Für Reiter dürfte das allerdings zynisch klingen. Bei einem Asylgipfel vor vier Wochen sind schließlich schon einmal möglich Maßnahmen abgestimmt worden. „Nichts von dem, was da zugesagt worden ist, wurde bisher erfüllt“, sagt Reiter. Er freut sich trotzdem über die Initiative. Nur müssten den Worten dieses Mal auch Taten folgen, so der OB.

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