Ansturm auf Münchner Hausarzt-Praxen: "40 Prozent haben Corona"
München - München schnieft, krächzt und hustet. Während das Oktoberfest mit bislang vergleichsweise mauem Besucherandrang ins Finale geht, können sich die Hausarztpraxen kaum noch retten vor Patienten mit Erkältungssymptomen. Viren legen gefühlt halb München flach: In Firmen lichten sich die Reihen, auch viele Kinder sind krank. "Die Erkältungswelle geht durch die Decke", sagt Dr. Oliver Abbushi, Bezirksvorsitzender des bayerischen Hausärzteverbands (BHÄV).
Der Internist, der mit drei Kollegen in der Bahnhofstraße in Oberhaching praktiziert, muss wie viele Hausärzte derzeit Überstunden machen. Die Gründe für die "Viren-Explosion" liegen auf der Hand: ein viel zu kalter, ungewohnt nasser September, die traditionelle Quelle für die massenhafte Verbreitung von Viren aller Art: das Oktoberfest. Und obendrein noch Corona.
Wegen Maskenpflicht: Kein Kontakt mit Erkältungs- und Grippeviren zuletzt
Die Viren haben heuer auch noch leichteres Spiel als in früheren Jahren: "Die Menschen sind in den letzten zwei Jahren nicht mit Erkältungs- und Grippeviren in Kontakt gekommen wegen der Maskenpflicht. Deshalb ist die Immunität in der Bevölkerung aktuell schwach", sagt Dr. Abbushi. "Jetzt, wo wir keine Masken tragen und wieder in großen Gruppen zusammenkommen, breiten sich Viren schneller aus als sonst."
Ideale Bedingungen also auch für SARS-CoV-2 auf der Theresienwiese: Wo Tausende zusammen schunkeln, tanzen, singen und aus kaltgespülten Krügen trinken und dann leicht bekleidet frierend heim durch den Regen müssen.
Abbushi: "Sind am Beginn einer großen Coronawelle"
Die Infektsprechstunde von Oliver Abbushi und seinen Kollegen ist voll. "Mindestens 40 Prozent derer, die mit Erkältungssymptomen zu uns kommen, sind Corona-positiv", sagt er. Von den Patienten, die berichten, dass sie auf dem Oktoberfest waren, ist die Quote in seiner Praxis sogar noch höher: "Viele Wiesnbesucher klagen über Erkältungssymptome. Mehr als die Hälfte von ihnen sind dann auch Corona-positiv", sagt er.
Dass die Zahlen derart steigen, überrascht den Arzt dann aber doch. "Wir sind am Beginn einer großen Corona-Welle", ist er sich sicher. "Außerdem steht uns eine starke Grippe-Welle bevor." Der Arzt rät allen über 60 und chronisch Kranken, sich gegen Covid und Grippe impfen zu lassen.
Corona oder Wiesngrippe? Gibt kein sicheres Unterscheidungsmerkmal
Zahlen des Robert-Koch-Institut (RKI) belegen die neue Corona-Welle: Am Donnerstag lag die offizielle Inzidenz für München bei fast 700 (genau: 695,8). Binnen einer Woche ist die Zahl um 172 Prozent nach oben geschnellt. Doch tatsächlich ist sie noch höher, meinen Experten. Denn: Nicht alle mit Corona-Symptomen machen einen PCR-Test; diese Fälle werden somit offiziell gar nicht erfasst. Dr. Abbushi betont: "Für Patienten mit Symptomen ist der PCR-Test beim Arzt kostenlos."
Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal, ob man sich Corona oder die Wiesngrippe geholt hat, gibt es nicht, so der Arzt: "Aber verdächtig ist immer, wenn es mit Kratzen im Hals losgeht." Ihm ist wichtig, darauf hin zu weisen, dass es mittlerweile ein wirksames Covid-Medikament gibt: "Wir empfehlen Risikopatienten Paxlovid. Es senkt das Risiko eines schweren Verlaufs um 70 Prozent. Man muss es aber innerhalb von fünf Tagen nehmen." Seit einigen Wochen haben die Hausärzte Paxlovid vorrätig. Man bekommt es also ohne extra in die Apotheke zu müssen.
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