Ärgernis Corona-Soforthilfe: "Ständig die Kriterien zu ändern, ist reine Willkür"
München - Martin P. (75) fällt ein Stein vom Herzen. Der Betreiber eines kleinen Friseurgeschäfts am Max-Weber-Platz (AZ berichtete) s die Corona-Soforthilfe von 2020 aller Voraussicht nach nun doch nicht zurückzahlen.
Rückzahlung von Corona-Hilfe: 37.500 Münchner Kleinunternehmer von Neu-Regelung betroffen
"Die Anspannung ist weg", sagte Martin P. am Mittwoch erleichtert. Für ihn hätte die Rückzahlung der 9.000 Euro neue Schulden bedeutet. In der Pandemie, in der er gezwungen wurde, 16 Wochen lang zuzusperren, war er trotz der finanziellen staatlichen Hilfe kaum über die Runden gekommen.
Die Staatsregierung hatte ein Einsehen – wenigstens mit den Kleinen. Am Dienstag verkündete sie, dass ein Teil der insgesamt 260.000 betroffenen Soloselbstständigen und Kleinunternehmer in Bayern (davon 37.500 in München) die Soforthilfe aus dem ersten Lockdown 2020 doch nicht zurückzahlen muss.
Aiwanger verspricht: Jeder dieser Fälle wird einzeln geprüft
"Wer wenig verdient und seine Existenz gefährdet sieht, kann ab 1. Juni den Erlass der Rückzahlung der Corona-Hilfen online beantragen", teilte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit. Jeder dieser Fälle werde einzeln geprüft, die wirtschaftliche Situation berücksichtigt.
Nicht zahlen muss demnach, bei wem "das tatsächlich von einem Betrieb erzielte Ergebnis nach Steuern in dem Bereich unter 25.000 (Alleinstehender ohne Unterhaltspflichtige) bzw. bis 30.000 Euro (mit einem Unterhaltspflichtigen)" liege.
Friseurin kritisiert: "Wir anderen haben brav Steuern bezahlt und das Nachsehen"
Eine gute Nachricht für die Kleinunternehmer und Soloselbstständigen, die 2020 sehr wenig verdienten. Doch es gibt auch viel Kritik an der neuen Regel. Die Ausnahme greife zu kurz, sagt etwa Caroline Kriegsmann.
Auch sie ist soloselbstständige Friseurin und durfte im ersten Coronajahr monatelang ihren Beruf nicht ausüben. Doch ihre Einnahmen, als sie arbeiten durfte, lagen über 30.000 Euro. "Diejenigen, die jetzt von der Rückzahlung ausgenommen werden, zahlen sowieso keine Steuern", sagt sie. "Wir anderen haben brav bezahlt und das Nachsehen", sagt sie enttäuscht.
Sanne Kurz: "Das Kabinett versucht nun, Schadensbegrenzung zu betreiben"
Ursprünglich war von einer Rückzahlung gar keine Rede gewesen. Versprochen hatte die Staatsregierung schnelle, unbürokratische Hilfe. Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen kritisiert: "Die Söder-Regierung hat in der Pandemie Versprechungen gemacht, die sie jetzt nicht halten will."
Das Kabinett versuche nun "Schadensbegrenzung" zu betreiben und spalte dabei in "vermeintlich ärmere" und "reichere" Betroffene. Auch der Mittelstand hält mit Kritik nicht hinterm Berg. Achim von Michel vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) Bayern, sagte zur AZ: "Ständig die Kriterien zu ändern, ist frech – reine Willkür." Der Verband lehnt eine Rückzahlung kategorisch ab und empfiehlt, erst mal gar nicht zu zahlen.