Sehnsucht nach links

Das SPD-Programm klingt edel, aber nicht glaubwürdig. AZ-Politikredakteur Markus Jox über den Wahlkampfauftakt der Sozialdemokraten.
von  Abendzeitung

Das SPD-Programm klingt edel, aber nicht glaubwürdig. AZ-Politikredakteur Markus Jox über den Wahlkampfauftakt der Sozialdemokraten.

Hach, war das ein gut gelauntes rotes Geknuddel auf Gerds Geburtstagsparty: Von Mehdorn bis Münte und von Steinmeier bis Steinbrück ist die sozialdemokratische Gemeinde am Samstag nach Hannover gepilgert, um ihren Weltstaatsmann a.D. hochleben zu lassen. In ihrem Regierungsprogramm freilich, das die SPD am selben Wochenende verabschiedet und im Berliner Tempodrom gewohnt medienaffin inszeniert hat, ist von der Handschrift des Agenda- Reformers Schröder nicht allzu viel übrig geblieben. Die Lust auf Schwarz-Weiß-Malerei, die Sehnsucht nach links hat längst die Oberhand gewonnen in der SPD.

Gewiss klingt vieles in dem SPD-Manifest edel, hilfreich und gut. Wer hat schon was gegen einen anständigen Mindestlohn, gegen einen höheren Kinderfreibetrag oder gegen eine Börsenumsatzsteuer? Nur: Die Chancen, dass die SPD alles das ausgerechnet nach der Wahl im September mit absoluter Mehrheit durchsetzen kann, sind äußerst überschaubar.

Dazu kommt: Wer seine wirtschaftspolitische Programmatik nach links verschiebt und gleichzeitig ein Bündnis mit der Linken bis 2013 ausschließt, erhöht nicht gerade seine Glaubwürdigkeit. Wie aber will die SPD just mit der so heftig umworbenen Westerwelle-FDP den Spitzensteuersatz nach oben treiben? Und glaubt sie ernsthaft, in einer (keineswegs unwahrscheinlichen) weiteren großen Koalition den Lohnsteuerbonus durchsetzen zu können?

Vielleicht hat die SPD nach elf Jahren Regierungsverantwortung nonstop aber auch nur eine klammheimliche Sehnsucht nach der Opposition befallen.

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