Reichensteuer: Angriff auf die Reichen!
Berlin - Das Wachstum lahmt, nur die Schulden werden immer mehr. Eine Koalition aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und weiteren Verbänden fordert jetzt, die Wohlhabenden in Deutschland zur Kasse zu bitten. Das Bündnis „Um-fair-teilen“ stellte am Freitag seine Pläne vor.
Konkrete Steuersätze nannten die Initiatoren nicht – dazu gab es zu große Meinungsunterschiede unter den Mitgliedern. Klar ist ihnen nur, dass sie den Wohlstand neu verteilen und den Sozialstaat sichern wollen.
Mit Polemik wurde am Freitag nicht gespart. Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, nannte Deutschland ein Steuerparadies für Vermögende, Erben und Spekulanten. Jutta Sundermann vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac sagte, der öffentlichen Armut in Deutschland stehe ein Privatvermögen von über acht Billionen Euro gegenüber, davon gut die Hälfte auf Konten, in Aktien und Versicherungen. Das rufe nach einem Ausgleich.
Kürzlich hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dafür plädiert, die hohen Staatsschulden mit Zwangsanleihen und Vermögensabgaben zu finanzieren. Die von SPD und Grünen geführten Bundesländer wollen nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf für eine Vermögenssteuer einbringen.
Die FDP ist gegen zusätzliche Belastungen für Reiche. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sprach von einer „Lieblingsdroge der Linken“ und griff Bsirske an: Der hoffe wohl „auf die Popularität eines Robin Hood“.
15 Milliarden pro Jahr sind drin
Spitzensteuersatz, Vermögenssteuer, Zwangsabgabe: Die verschiedenen Modelle
Die Rechnung ist auf den ersten Blick einfach:
Allein in Deutschland beträgt das private Geldvermögen etwa 4,5 Billionen Euro. Das würde mehr als zwei Mal reichen, um die deutschen Staatsschulden zu begleichen. Gleichzeitig gibt es mehr als 16.000 Einkommensmillionäre. Warum soll der Staat keinen Zugriff auf diese Gelder nehmen, fragen sich viele Parteien und Verbände (s. oben)?
„Durch die richtige Kombination an Maßnahmen sind zehn bis 15 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr möglich“, sagt Stefan Bach vom Deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut DIW. Folgende Folterinstrumente für Menschen, die viel oder zumindest ausreichend Geld haben, sind in der Diskussion:
Anhebung des Spitzensteuersatzes:
In Deutschland greifen zurzeit zwei Spitzensteuersätze. Einmal der für Normalverdiener: Er gilt ab einem Jahreseinkommen von 52.822 Euro für Alleinstehende und 105-.764 Euro für Ehepaare und beträgt 42 Prozent. Der zweite Satz, die sogenannte „Reichensteuer“, greift ab 250.730 Euro für Alleinstehende und beträgt 45 Prozent.
Die SPD will den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen. Dieser soll bereits ab 100.000 für Alleinstehende und ab 200.000 Euro für Ehepaare gelten. Die Grünen wollen das Gleiche, allerdings soll dann der Spitzensteuersatz schon ab 80.000 Euro für Alleinstehende greifen.
Damit würden Großverdiener vier Prozent mehr Steuern zahlen müssen. Aber auch der obere Mittelstand wäre betroffen. Wer viel verdient, aber noch nicht zu den richtigen Großverdienern gehört, würde stärker belastet.
Zum Vergleich:
Wer heute 80.000 Euro im Jahr verdient – in etwa der Verdienst eines Software-Ingenieurs –, zahlt als Alleinstehender in etwa 27.000 Euro pro Jahr. Wenn die Grünen sich durchsetzen, stiege die Belastung auf etwa 31.000 Euro im Jahr.
Wiedereinführung der Vermögenssteuer:
Sie wurde 1997 abgeschafft. Würde sie wieder eingeführt, würde jährlich das Vermögen oberhalb eines Freibetrages versteuert. Damals zahlte man auf Privatvermögen ein Prozent jährlich, Unternehmen mussten 0,6 Prozent zahlen. Der Freibetrag betrug 120.000 Mark. Zuletzt nahmen die Bundesländer damit neun Milliarden Mark ein.
Der Vorteil der Steuer: Der Staat würde Geld einnehmen. Der Nachteil: Reiche Bürger würden sich alles Mögliche einfallen lassen, um den Fiskus auszutricksen.
Die Vermögensabgabe:
Vom Prinzip her praktisch das Gleiche wie die Vermögenssteuer – allerdings würde sie nur ein einziges Mal oder über einen beschränkten Zeitraum fällig. Stefan Bach findet die Idee einer Vermögensabgabe reizvoll. „Es wäre eine einmalige Abgabe unter außerordentlichen Umständen, bei der die Betroffenen nicht ausweichen könnten, wie bei der Vermögenssteuer. Vorstellbar wäre ein Freibetrag von 250.000 Euro und eine Laufzeit von zehn Jahren.“
In der Geschichte Deutschlands gab es eine solche Abgabe schon einmal, nämlich ab 1948. Damals mussten Vermögende den sogenannten Lastenausgleich zahlen, damit der Staat Menschen, die besonders schwer vom Krieg betroffen waren, unter die Arme greifen konnte. Er belief sich auf jährlich 1,67 Prozent des Vermögens – 30 Jahre lang. Der Staat nahm bis 1982 mehr als 115 Milliarden Mark ein.
Die Zwangsanleihe:
Reiche sollen zwangsweise Staatsanleihen ihres Landes kaufen – das wäre besonders in den Krisenländern sinnvoll, sagt Bach. Die Anleihen würde später zurückgezahlt. In Griechenland, aber auch in Spanien und Italien, gibt es viele Reiche, stellt das DIW fest. Und es sei nicht einzusehen, warum die nichts für ihren Staat tun sollten.
- Themen:
- FDP
- Gewerkschaften
- SPD