Gesundheitsreform verabschiedet: Das kommt auf Sie zu

Die Regierung hat die Finanzierung des Gesundheitssystems neu geregelt. Ab 1. Januar steigen die Krankenkassenbeiträge. Langfristig bezahlen vor allem die Beschäftigten mehr. Die AZ erklärt die wichtigsten Fakten.
BERLIN Gesundheit in Deutschland wird wieder teurer: Mit den Stimmen von Union und FDP hat der Bundestag am Freitag dem Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zugestimmt. Die Krankenkassenbeiträge werden erhöht, außerdem kommen Zusatzbeiträge auf die Beitragszahler zu. Der Abstimmung war eine heftige Debatte vorausgegangen, die Opposition sprach von Lobbypolitik und kritisierte die Entschlüsse als „sozial grob ungerecht“. Für Gesundheitsminister Philipp Rösler wurden Aussagen zum Bumerang, mit denen er zum Amtsantritt vor einem Jahr früheren Reformen kritisiert hatte: Das System sei immer teurer, aber nicht besser geworden. Er wolle das ändern. Jetzt aber macht er genau das gleiche. „Wir erleben heute den ersten Schritt in die Privatisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“, sagte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.
Was passiert mit dem Krankenkassenbeitrag? Der Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung steigt zum 1. Januar 2011 von 14,9 auf 15,5 Prozent. Die Arbeitnehmer zahlen künftig 8,2 Prozent von ihrem Bruttolohn. Die Arbeitgeber tragen 7,3 Prozent, wobei ihr Anteil eingefroren wird. Fazit: Künftige Kostensteigerungen tragen Arbeitnehmer allein – in Form von Zusatzbeiträgen.
Warum steigen die Beiträge? 2011 drohte den Krankenkassen ein Minus von neun Milliarden Euro. Die neuen Beiträge bedeuten Mehreinnahmen von rund sechs Milliarden Euro. Die restlichen drei Milliarden sollen Ärzte, Krankenhäuser und vor allem Pharmafirmen durch sinkende Medikamentenpreise beisteuern.
Was ist, wenn den Kassen das zusätzliche Geld nicht ausreicht? Sie können dann künftig unbegrenzt Zusatzbeiträge erheben. Diese sind unabhängig vom Einkommen, wodurch Gering- und Mittelverdiener deutlich höher belastet werden als Top-Verdiener. Für Ärmere ist ein Ausgleich über Steuern vorgesehen. Der Zusatzbeitrag soll laut Regierung 2012 durchschnittlich im einstelligen Euro-Bereich liegen, 2014 könnte er schon zwischen zehn und 16 Euro betragen.
Wann greift der Sozialausgleich? Wenn der Einzelne mehr als zwei Prozent seines Einkommens für den Zusatzbeitrag aufgebraucht hat. Angenommen, der Zusatzbeitrag beträgt 20 Euro, bedeutet das: Versicherte ab einem Bruttoeinkommen von 1000 Euro im Monat bekommen keinen Sozialausgleich. Wer 800 Euro bekommt, wird dagegen nur mit 16 Euro zur Kasse gebeten. Die etwaigen Abzüge verrechnen Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger direkt. Finanziert wird der Ausgleich aus einem Sonderzuschuss des Bundes von zwei Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds. „Das ist nicht weniger, sondern mehr Solidarität“, kommentiert Rösler.
Warum werden die Arbeitgeber geschont? Wachsende Gesundheitskosten dürften nicht länger Arbeitsplätze gefährden, so argumentiert Gesundheitsminister Rösler. „Das ist unser Beitrag für Wachstum und Beschäftigung“, sagt er.
Was ist sonst noch neu? Gutverdiener sollen künftig wieder leichter von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung wechseln können. Der Weg steht ihnen offen, sobald ihr Einkommen die Versicherungspflichtgrenze von rund 50000 Euro jährlich überspringt. Bisher müssen sie drei Jahre hintereinander so viel verdienen.va