Evonik-Börsengang: Zitterpartie bis zum letzten Tag
Essen - Jetzt schaut alles gebannt auf die politische Krise in Griechenland und die Auswirkungen auf die Märkte. Wenn sich das Klima zu sehr verschlechtert, kann der für Ende Juni oder Anfang Juli geplante IPO (Initial Public Offering, also Börsengang) erneut abgesagt werden. "Bisher sieht es unter dem Strich noch gut aus, aber das kann sich von Tag zu Tag ändern", sagt ein Insider.
Am Montag (21.5.) entscheidet das Kuratorium des Mehrheitseigentümers RAG-Stiftung (74,99 Prozent), ob der Börsenkurs fortgesetzt wird. Danach wäre der Evonik-Aufsichtsrat dran. Wenn auch er zustimmt, folgt die offizielle Absichtserklärung (Intention to float). "Wir sind technisch, wirtschaftlich und von der Story her startklar, aber auf den Knopf drücken müssen unsere Eigentümer", hatte Evonik-Chef Klaus Engel bereits Mitte März bei der Bilanzvorlage gesagt.
Stiftungschef Wilhelm Bonse-Geuking ist für den Börsengang. "Ja, vorausgesetzt, die Situation an den Märkten und die politische Situation verschlechtern sich nicht entscheidend", sagte er am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Bonse-Geuking sieht aber auch die Gefahren eines möglichen Euro-Ausstiegs von Griechenland: "Dominoeffekte sind denkbar, zumal die strukturellen Probleme der Eurozone längst nicht gelöst sind", sagte er in dem Interview. Wenn die Kurse dramatisch fallen, werde die Stiftung am Börsengang nicht als Selbstzweck festhalten.
Zweiter Eigentümer ist der britische Finanzinvestor CVC Capital Partners, der 2008 für 2,4 Milliarden Euro 25,01 Prozent erworben hatte und jetzt an die Börse drängt. Geplant ist eine Veräußerung von insgesamt einem Drittel der Evonik-Anteile aus den Portfolios beider Eigentümer. Sie sollen zusammen rund fünf Milliarden Euro einspielen. Daraus ergäbe sich ein Marktwert für das Gesamtunternehmen von 15 Milliarden Euro - seit dem Anteilsverkauf an CVC 2008 mit einer Firmenbewertung von rund 10 Milliarden Euro also ein erheblicher Wertzuwachs.
Die 15-Milliarden-Mindestbewertung hat Stiftungschef Wilhelm Bonse-Geuking der Politik in Berlin zugesichert. Die Bundesregierung - mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) im Kuratorium vertreten - ist hochgradig an einem Erfolg interessiert. Aus den Erlösen des Börsengangs sollen nämlich die Ewigkeitslasten des deutschen Steinkohlebergbaus etwa für das Abpumpen von Wasser in den Abbaugebieten dauerhaft bezahlt werden.
Auf rund 8,4 Milliarden Euro wurde der dafür nötige Kapitalstock ursprünglich geschätzt, wegen des niedrigen Zinsniveaus sind nach aktueller Einschätzung wahrscheinlich eher 11 Milliarden Euro nötig. Wenn die Stiftung mit dem Evonik-Börsengang ausrutscht und zu wenig einnimmt, müsste auf Dauer die öffentliche Hand Geld nachschießen. Aktuell überwiegt noch der Optimismus. Das kann sich aber ändern. "Wir bleiben sehr wachsam", sagte Bonse-Geuking.
"Notfalls kann man das noch bis zum ersten Handelstag stoppen", sagt ein Insider. Da Evonik schon zwei Mal den Börsengang verschieben musste, wäre eine solche harte Bremsung natürlich der schlechteste Fall und würde viel Vertrauen zerstören, sagt der Kenner. Wenn es aber wegen der Entwicklung in Griechenland weitere Turbulenzen an den Märkten geben würde, würde die Stiftung wohl lieber ihren Anteil behalten als ihn zu verschleudern. Die derzeit nötigen Zahlungen für die Abdeckung der Ewigkeitslasten von rund 200 Millionen Euro pro Jahr lassen sich locker aus der Dividende decken, die Evonik an die Stiftung zahlt, betont Bonse-Geuking bei jeder Gelegenheit.
Die Geschäftszahlen des Unternehmens sind gut und haben sich nach der kleinen Chemie-Konjunkturdelle um die Jahreswende 2011/2012 schnell erholt. Mit dem Quartalsbericht hob Engel vor wenigen Tagen den Ausblick wieder leicht an. Parallel startet Evonik ein neues 500-Millionen-Sparprogramm, um die Kosten weiter zu senken. 2011 hatte das Unternehmen einen Rekordüberschuss von gut einer Milliarde Euro erzielt.
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