Debatte um die Rente mit 67: Die stille Kürzung
Jetzt geht die Debatte um die Rente mit 67 wieder von vorne los: Die AZ erklärt die Hintergründe – und die Konsequenenzen für die Bürger. Wen es wie hart trifft
BERLIN Rente mit 67? Jetzt ist die Debatte wieder voll entbrannt: Die SPD will sie kippen oder zumindest aussetzen, die Regierung hält daran fest. Doch noch ist nicht klar, ob das Gesetz wie geplant in Kraft tritt: Dafür sorgt eine Klausel. Klar ist auf jeden Fall: Wenn es kommt, ist das de facto eine Rentenkürzung – zumindest für die große Mehrheit, die es nicht schafft, bis 67 im Job zu bleiben.
Wie funktioniert die Rente mit 67 genau? Die Einführung beginnt 2012: Ab dann wird das Rentenalter schrittweise angehoben, bis es im Jahr 2029 bei 67 liegt. Der erste betroffene Jahrgang ist 1947: Er muss einen Monat länger arbeiten. Ab Jahrgang 1964 gilt die Rente mit 67 in vollem Umfang. Der Jahrgang 1947 hat mit drei Euro bei einem 1000-Euro-Rentner noch vergleichsweise milde Verluste, der Jahrgang 1964 ist bei gleicher Höhe bereits mit 72 Euro minus dabei.
Wieso ist das eine Rentenkürzung? Wer zwei Jahre länger arbeitet, hat zwar wegen der längeren Beitragszahlungen sogar 54 Euro Rente mehr pro Monat. Doch die wenigsten erreichen das reguläre Renteneintrittsalter – schon heute. Und für jeden Monat, den man zu früh geht, werden 0,3 Prozent von der monatlichen Rente abzogen: dauerhaft bis ans Lebensende. Wer heute mit 65 in Rente geht, hat keine Abschläge. Wer künftig mit 65 geht, dem werden für die fehlenden zwei Jahre 7,2 Prozent von seinem Anspruch abgezogen – 0,3 Prozent mal 24 Monate. Schon heute haben viele Abschläge, weil sie nicht bis 65 arbeiten – und die werden sich eben steigern. Also: Wer jetzt mit 63 aufhört, der hat ein Minus von 7,2 Prozent, wer künftig mit 63 geht, bei dem sind es 14,4 Prozent. Die Quasi-Rentenkürzung ist durchaus im Sinne des Erfinders: Angesichts der steigenden Lebenserwartung und der wachsenden Zahl von Rentnern stößt das System sonst an seine Grenzen.
Gibt es überhaupt genug Jobs für Ältere? Nein, sagt die SPD – deswegen dürfe die Rente mit 67 erst kommen, wenn es auch die Möglichkeit gebe, solange zu arbeiten. Falsch, sagt Arbeitsministerin Ursula von der Leyen: 2005 seien 28 Prozent der 60- bis 64-Jährigen in Arbeit gewesen, heute seien es 40 Prozent. Arbeitsmarktforscher Karl Brenke: „Die Älteren sind die Gewinner am Arbeitsmarkt.“ Angesichts des Fachkräftemangels kämen die Firmen immer mehr weg vom Jugendkult.
Kann das Gesetz noch gestoppt werden? Die große Koalition hat beim Beschluss 2007 eine Klausel eingefügt, wonach vor der Einführung 2011 geprüft werden muss, ob der Arbeitsmarkt genug Stellen für Ältere hergibt. Wenn nicht, tritt es nicht in Kraft. Diesen Bericht will die Regierung im November vorlegen. Dann wird man sehen, ob der Druck groß genug ist, die Einführung eventuell auszusetzen. Die Debatte gibt es dann garantiert. tan
So wirken sich die Pläne konkret aus
Der Durchschnitts-Rentner. Er ist eine statistische Rechengröße der Rentenkasse: Er bekommt derzeit exakt 1228 Euro, wenn er mit 65 Jahren in Rente geht – das ist die Zahl, wenn man 45 Jahre lang Beiträge gemäß dem Durchschnittsverdienst gezahlt hat. Gilt nun die Rente mit 67, geht er aber dennoch mit 65, dann verliert er 88,42 Euro – Monat für Monat. Denn für die zwei Jahre werden 0,3 Prozent mal 24 Monate abgezogen, also 7,2 Prozent. Um diese Lücke zu schließen, müsste er als Arbeitnehmer 16042 Euro ansparen.
Frau und Mann. Die tatsächlich gezahlten Renten liegen aktuell bei 487 Euro für Frauen und 990 Euro für Männer. Die Verluste betragen hier: 35,07 Euro für Frauen/ 71,28 für Männer.
Der Fleißige. Er hat früh angefangen zu arbeiten, und bis zum 65. Lebensjahr 45 Jahre lang Beiträge gezahlt: Er darf auch künftig mit 65 ohne Abschläge gehen.
Der Reiche: Er hat überdurchschnittlich hohe Beiträge eingezahlt, käme auf einen Rentenanspruch von 2000 Euro. Seine Firma hat ihn durch einen Jüngeren ersetzt, er will mit 63 in den Ruhestand gehen. Bis 67 wären es noch vier Jahre, also beträgt der Abschlag 14,4 Prozent (0,3 mal 48 Monate): Ihm werden bis ans Lebensende jeden Monat 288 Euro von seinem Anspruch gestrichen.
Wie Sie am besten vorsorgen, um die Lücke zu schließen, lesen Sie demnächst.
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