So war das erste Konzert von AC/DC im Olympiastadion in München
München - Wenn man den Vorsatz hegt, eine halbe Flasche Jack Daniel’s oder, ins Bairische übersetzt, vier, fünf Maß Starkbier zu trinken, dann weiß man, wie der Abend ausgeht. Genauso ist es, wenn man zu einem AC/DC-Konzert geht: Die Dröhnung ist garantiert. So auch am Sonntagabend im ausverkauften Olympiastadion, bei ihrem ersten Münchner Konzert seit acht Jahren.
AC/DC in München: Ein Rockkracher jagt den anderen
Angus Young, Brian Johnson und ihre drei Mitmusiker sorgen für die bewährte Druckbetankung. Da lassen sich die begeisterten 66.000 Zuschauer die Gaudi auch nicht vom Dauerregen verderben. Der setzt wenige Minuten vor dem Opener "If You Want Blood (You Got It)" ein und endet fast zeitgleich mit dem Konzert – was für ein Timing. Da rockt das gut vorbereitete Publikum eben stoisch in Regenponchos, viele Tausende haben sich über die Kapuze rot blinkende Teufelshörner geschnallt.
"Hell's Bells": Wummernde Höllenglocke übertönt die Band
Immerhin: Ein Gewitter gibt es, von entfernten Blitzen abgesehen, nur auf den riesigen Leinwänden, obwohl es die Band bei "Thunderstruck" natürlich heraufbeschwört. Aber in Sachen Lautstärke und Wucht hätten die Naturgewalten gegen AC/DC ohnehin bestenfalls auf Unentschieden spielen können.
Die australische Institution donnert 21 Rockkracher ins Stadion, angefangen mit "If You Want Blood (You've Got It)". Das zweite Stück ist gleich der Über-Kracher schlechthin: "Back In Black". Ähnlich stark sind später auch "Hell's Bells" – natürlich mit gigantisch wummernder Höllenglocke, die die Band lang übertönt –, ebenso "Shoot To Thrill", "Rock'n' Roll Train", "Sin City" und "Dirty Deeds Done Dirt Cheap".
AC/DC in München: Aufs Elementarste verdichteter Rock mit immenser Kraft
Hier ist natürlich kein Platz für jegliche stilistische Abweichung, für Experimente oder, Gott bewahre, für Balladen oder auch nur ruhigere Momente. So wie ein Boxer mit seinem Sandsack verfährt, hält es AC/DC mit den Schlägen eines jeden Taktes: Es gibt nur druff, kurze Pause, wieder druff. Da mag musikalisch viel, ach was, alles vom selben sein. Doch live entfaltet dieser auf Elementarste verdichtete Rock eben eine immense Kraft – noch immer.
Bei Angus Young macht das überstrapazierte Wort Ikone wirklich Sinn
Von der langjährigen Besetzung sind im 52. Bühnenjahr nur noch zwei dabei: Der 76-jährige Sänger Brian Johnson, der mit Schiebermütze, schlichtem Polohemd und jeder Pore Kumpelhaftigkeit ausstrahlt – obwohl er fast überhaupt nicht mit dem Publikum spricht.
Und natürlich der einzig Unverzichtbare: Angus Young, einer der wenigen Rockstars, bei dem das überstrapazierte Wort Ikone wirklich Sinn ergibt, vor allem dank der Schuluniform. Die trägt der schlohweiße 69-Jährige diesmal in blauem Samt, was in Kombination mit dem weißen Hemd als Gruß ans Gastland verstanden werden kann.
Sein nur um eineinhalb Jahr jüngerer Neffe Steve Young hat nach dem Tod von Angus' älterem Bruder Malcolm Young im Jahr 2017 die Rhythmusgitarre übernommen – er spielt sogar dasselbe Gitarrenmodell. Ganz neu ist die Rhythmusgruppe mit Bassist Chris Chaney (53) und Schlagzeuger Matt Laug (56). Die drei werden nicht vorgestellt, verharren reglos in der Bühnenmitte und machen Dampf wie eine Lok auf gerader Strecke.
AC/DC in München: Hier geht es einzig um Kawumm und Killer-Riffs
Aber den Sound dominiert eben Angus Young, der noch deutlich lauter ist als die anderen: Die rund 50 Marshall-Gitarrenboxen sind natürlich nicht angeschlossen, bringen aber optisch ganz gut auf den Punkt, was Sache ist. Dass sich die Stimme des 76-jährigen Brian Johnson dagegen nicht immer behaupten kann, ist nicht weiter schlimm. Auch die seltenen Timing-Wackler bei Breaks – geschenkt.
Angus Young: Endlos-Solo über den immergleichen Akkord
Denn hier geht es letztlich einzig um den Kawumm, um die Killer-Riffs, um die paar mit maximaler Wirkung minimal vorgezogenen Schläge wie bei "Hell's Bells": Und all das knallt wie seit Menschengedenken. Für diese Musik wurden Fußballstadien erfunden.
Da kann die riesige Bühne ganz schlicht sein, da kann sich die Show weitgehend auf die Spaziergänge und Chuck-Berry-Duckwalks von Angus Young beschränken. Bei der Schlussnummer des regulären Sets "Let There Be Rock" schreitet er dann zum zweiten und letzten Mal auf einen Bühnensteg samt Hebebühne und spielt ein Endlos-Solo über den immergleichen Akkord: im Konfetti-Regen, vor allem aber im strömenden Regen.
Irgendwann zieht sich die Band zurück, er macht schier endlos allein weiter, auf der eigens dafür errichteten zweiten Bühnenetage, mit Konfettiresten am längst offenen Pennälerhemd und ewig flinken Fingern.
Mitsamt der Band lässt er dann noch als Zugabe "T.N.T" detonieren, und als nach knapp nach über zwei Stunden beim letzten Song "For Those About To Rock (We Salute You)" die Kanonen böllern und, jawoll, der Höhepunkt erreicht ist, sind die Fans so glücklich wie patschnass.
Am Mittwoch heißt es wieder: "Let There be Rock"
War das nun der vorletzte Salut der rockenden Superstars in München? Bis Mittwochabend gönnen sich Angus Young und Brian Johnson erst mal, um Körper und Stimme wieder stadiontauglich zu machen, die wohl längste Erholungspause zwischen zwei Tourkonzerten in der Münchner Rockgeschichte. Aber schlau ist eben, wer sich seine Kräfte einteilt.
Und vielleicht können AC/DC ja genau deshalb in den nächsten Jahren noch ein allerletztes Mal dem Motto huldigen, das sie am Sonntagabend so ausgiebig beschworen haben: "Let There Be Rock", so Gott will auch in Zukunft – die Zehntausende mit Teufelshörnern sind auf jeden Fall dafür.
Das Konzert am Mittwoch im Olympiastadion ist ausverkauft.