Neues Album von Diana Ross: Am Ende bleibt der Tanz

Nach anderthalb Jahrzehnten ist Diana Ross mit einem neuen Album zurück.
Adrian Prechtel
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Diana Ross bei einem Auftritt vor vier Jahren in Los Angeles im Rahmen der Verleihung der American Music Award.
picture alliance / Matt Sayles/Invision/AP/dpa Diana Ross bei einem Auftritt vor vier Jahren in Los Angeles im Rahmen der Verleihung der American Music Award.

Was erwartet man von einer 77-Jährigen, die einer der größten Showstars des 20. Jahrhunderts war und seit 22 Jahren kein Album mehr veröffentlicht hat? Vielleicht dass Diana Ross' Stimme, die in der "Supremes"-Zeit der 60er nach vorne geschoben wurde, weil sie "am wenigsten schwarz klang", wie Produzent Berry Gordy meinte, etwas in die Tiefe gegangen ist.

Dann beginnt der Titelsong und die elektronischen Percussions animieren zum Mitklatschen, die sanft metallische Stimme von Diana Ross setzt fast rhythmisch erzählend ein. Der Song schaltet einen Gang höher, ins Melodischere - immer noch vor dem "Thank You"-Refrain. Ein Bläsersatz erzeugt Big-Band-Atmosphäre, die Stimme geht in gewohnte Sopranhöhen, wenn Ross Gott für die Liebe eines Mannes zu ihr dankt - mit Synthesizern unterstützt, gedrosselt ekstatisch, weil lebenserfahren, aber eben dankbar.

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Schon dieser Eingangssong lasst hören und spüren, wohin es musikalisch geht: Nicht zurück in den Soul der 60er, auch nicht zu den Schmalz-Balladen "Endless Love", statt dessen nahe dran an der Disco-Queen-Zeit. Doch letztlich knüpft "Thank You" an die für Ross weniger erfolgreichen 90er Jahre an, als sie sich nicht mehr mit dem Musik-Zeitgeist bewegte, sondern auf groß arrangierte Popmusik setzte, die natürlich auch heute noch wie aus der Zeit gefallen wirkt.

Was also hätte man nach so langer Pause erwarten können? Spannend wäre ein Anknüpfen an eine andere Seite der als Mädchen Gospel singenden Motown-Legende gewesen: an den Jazz zum Beispiel, der alterslos sein kann. Immerhin hat Diana Ross 1972 mit dem Billie-Holiday-Biografie-Film "Lady Sing the Blues" bewiesen, dass sie hier ein fantastisches Potenzial hat. Und 2006 gab es von ihr auch ein Jazz-Album "Blue".

Aufforderung zur atmosphärischen Weltverbesserung

"Come Together", ein Arrangement gegen die Spaltung einer Gesellschaft mit akustisch mitwippendem Background-Chor, hätte ein hörbarer Anknüpfungspunkt sein können, ist aber uninspiriert. Und "Let's Do it" fordert zur atmosphärischen Weltverbesserung auf und erinnert etwas an die "Pieces of Ice"-80er. Aber auch hier gibt es zu wenig abwechslungsreiche musikalische Einfälle, es bleibt beim Disco-Nebel. Wobei "If the World Just Danced" dann zwar etwas auffordernden Drive hat, aber ebenfalls steril wirkt.

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Gearbeitet hat Diana Ross an ihren neuen 13 Liedern in der Stille der Pandemie. Dazu holte sie sich bekannte Songschreiber und Top-Produzenten wie Jack Antonoff hinzu, der schon mit Taylor Swift, Lana Del Rey oder Lorde zusammengearbeitet hat. Herausgekommen ist "eine kraftvolle Aufnahme, inklusive musikalischer Botschaft der Liebe und des Miteinanders", wie der Label-Text meint. Und diese PR-Phrase ist auch ein Spiegel vieler Texte des Albums.

Denn es geht um "Liebe", und wenn es balladiger wird, um Glauben - sicher auch an Gott, aber vor allem aber an die Liebe. Das Problem ist aber, dass keiner Zeile etwas Persönliches zu entnehmen wäre, und das bei einer Frau, die so einiges erlebt hat: zwei Ehen, fünf Kinder, Drogenprobleme, Randale, Verhaftung… alles hinter einer immer barbiepuppigen, glitzernden Glamourfassade, die eine Intellektuelle wie Susan Sonntag als "camp" bezeichnet hätte - also fast karikaturhaft grell popkulturell.

Tanzbar sind diese rhythmusgetriebenen Songs sicher. Ohne große instrumentale Besetzungswechsel, die Spannung hätten erzeugen können, klingt das Album zugekleistert. Warum nicht einmal nur mit Piano, einmal mit Rockband, einmal mit orchestralem Sound? Diana Ross - jazzig, retrosoulig, unplugged, das wäre es gewesen!


Diana Ross:"Thank You" (Decca/Universal)

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