Broilers zum Konzert in München: Gegen gefährlichen Patriotismus
Die Erfolgskurve der Düsseldorfer Oi-Punkband "Broilers" ist ungewöhnlich: Erst nach 20 Jahren Bandgeschichte landeten sie im Jahr 2014 mit ihrem Album "Noir" an der Spitze der deutschen Charts. Das gelang ihnen auch diese Woche mit dem Nachfolger "(sic!)".
AZ: Herr Amara, der Titel des neuen Albums ist "(sic!)". Ich kenne das nur von Zitaten.
SAMMY AMARA: Ich bin ja eigentlich Grafik-Designer. Es gab früher Bleisetzer, die Sachen gelesen und verbessert haben. Wenn irgendwas für Außenstehende wie ein Fehler wirkte, aber bewusst so benutzt wurde, wurde "sic" dahinter gesetzt. Das ist lateinisch für "so und nicht anders", "Vorausgegangenes ist genauso gemeint". Wir haben das dann metaphorisch auf die Ebene für die Band gehoben. In zwanzig Jahren Bandgeschichte gab es viele Dinge, die nach außen hin dumm oder fehlerhaft gewirkt haben, die aber für uns wichtig und richtig waren. Dinge, die uns am Ende des Tages dort hingebracht haben, wo wir heute sind.
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Das neue Album ist sehr politisch. Wie wichtig ist das für Euch?
Für mich ist es wichtig. Ich kann am besten über Dinge schreiben, die mich bewegen. Das vorherige Album war sehr persönlich und noch dunkler als "(sic!)". Aber damals gab es viele Dinge, die mich persönlich durchgerüttelt haben. Jetzt gibt es viele Sachen, die global dunkel sind und mir auf den Schultern lasten, mir Angst machen und mich bewegen. Ich will keinen Zeigefinger heben, aber den Hörern Denkanstöße geben. Vielleicht klappt das.
Glauben Sie das man wirklich was bewirken kann mit dem Medium Musik?
Das weiß ich nicht, aber ich finde, dass Künstler zumindest die Pflicht haben, es zu versuchen. Ich würde mich doof fühlen, wenn ich zu gewissen Sachen keinen Standpunkt beziehen würde, wenn ich einfach die Schnauze halten würde. Das nicht einmischen ist ja in vielen Sachen ein Problem.
In welchen zum Beispiel?
Wir hätten uns das nie vorstellen können, dass wir etwas erleben, was so nah an den 20er Jahren dran ist. Wo der Weg geebnet wurde, dass die Scheiße passieren konnte in den 30er Jahren. Wir sind jetzt in einem ganz ähnlichen Bereich. Das ist gruselig, wie schleichend das passiert. Im letzten Lied heißt es sinngemäß "Was sollen wir unseren Kindern sagen, wenn die uns mal fragen, warum wir nichts getan haben?".
Gleich das erste Lied "Nur ein Land" thematisiert den Rechtsruck in Deutschland.
Ja, nicht nur in Deutschland. Weltweit bewegt sich alles in eine komische Richtung. Ich persönlich kann mit Patriotismus nicht viel anfangen. Patriotismus kann auch gefährlich werden, weil er ganz schnell zu Nationalismus wird. Nationalismus hat immer etwas Ausschließendes. Grenzen sind selten etwas Gutes, Grenzen sind eigentlich nie etwas Gutes. Grenzen beschränken dich immer und rauben dir auch die Möglichkeit, Menschen kennenzulernen. Dass wir hier geboren sind, das ist nur ein Zufall. "Nur ein Land" ist ein bisschen das Intro der Platte, weil viele Themen auf dem Album um diesen Bereich kreisen.
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Eigentlich bezweckt man doch schon ab dem Zeitpunkt etwas, wenn alleine eine Person sich berührt fühlt und beginnt sich Gedanken zu machen, oder?
Das ist die gleiche Frage wie bei Facebook: Macht es Sinn, unter die ganzen Hasskommentare etwas zu schreiben? Du bist dann einer, der etwas schreibt von sechshundert. Dennoch ist es wichtig, dass du etwas sagst. Denn irgendwer wird es lesen, dass du eine Gegenposition hast. Auch wenn es nur einer ist.
Von was handelt das Lied "ihr da oben"?
Im Jahr 2016 sind extrem viele Musiker gestorben. Auch wenn es mit toten Künstlern als Metapher spielt, die etwas hinterlassen haben und deswegen nie ganz gegangen sind, soll das Lied aber universell sein, für jeden der jemanden verloren hat, und Dinge hat, die ihn erinnern. Abteilung Lebenshilfe.
Und wie stehen Sie als Sänger einer Düsseldorfer Punk-Band zu München?
München ist für mich eine sehr gegensätzliche Stadt: Einerseits gibt es hier viele Leute, die ich kenne und mag. Es gibt eine durchaus noch lebendige Punkszene und alternative Szene. Aber München ist auch echt eine eigene Welt. Wenn München sagt, wir wollen ein eigenes Land werden, sag ich ok, ihr seid sowieso so eigen.
Die Broilers spielen am 1. April, 20 Uhr im Zenith, Karten ab 44,20 Euro