Tortenschlacht mit Phantomfuß: Das "RischArt"-Projekt "Mischen"

Audio von Carbonatix
Erde zu Erde. Elf Lastwagenladungen voller fruchtbarem Mutterboden hat der österreichische Künstler Hans Schabus in die große Halle der "Gläsernen Backstube" bringen lassen, in der bis Ende 2024 die gesamte Rischart-Produktion stattfand. Schwarz, steinig und mit groben Schollen, hie und dort sprießt es grün, die Luft ist von Feuchtigkeit geschwängert. Es handelt sich um ein Stück geschützte Natur. Material, das von einer Baustelle am Starnberger See abtransportiert wurde und nach dem Ende der Ausstellung an anderer Stelle weiterverwendet wird.
Der Minimal-Artist Walter de Maria brachte einst 127.000 Kilo Erde nach Lower Manhattan und befüllte dort für Heiner Friedrichs 1977 neu gegründete Galerie den "Earth Room". Seine Wurzeln hatte der Erd-Raum allerdings in München, 1968 in der legendären Galerie Friedrich & Dahlem an der Maximilianstraße. Schabus erweist nun also de Maria/Friedrich die Ehre, und schafft zugleich die Verbindung zum Acker als Grundlage für Getreide und Brot.
Ein Kunstliebhaber und Mäzen
Der 2024 verstorbene Firmenchef Gerhard Müller-Rischart wiederum war es, der sich von der Gegend um den Gärtnerplatz - damals nicht nur Kleingewerbestandort, sondern auch das Münchner Galerieviertel - inspirieren ließ, 1983 "RischArt" ins Leben rief und seither nicht nur als Bäcker, sondern auch als Kunstliebhaber und Mäzen in die Stadtgeschichte einging. Sohn Magnus führt die Tradition nun im Geiste seines Vaters fort. Die aktuelle 16. Ausgabe markiert sozusagen einen doppelten Abschied: von Gerhard Müller-Rischart und vom seit 1883 existierenden Standort an der Buttermelcherstraße, der von Uwe Kiessler ebenfalls 1983 zur lichten Backstube mit Sheddach und Ausblicken in grüne Oasen umgebaut wurde.
Unter dem Titel "Mischen" verweist jetzt die Kunst auf die Vergangenheit des Ortes, an dem zuvor Backzutaten verrührt wurden. Kuratorin Katharina Keller stellte dafür eine inspirierende Mixtur aus acht Künstlerinnen und Kunstkollektiven zusammen, die - zum Teil aus vorhandenen Werkstoffen - höchst unterschiedliche Arbeiten schufen.

Beate Passow richtete in der Lieblingsfarbe von Gerhart Müller-Rischart einen knallgelben, aber durchaus abgründigen Wohlfühl-Raum ein, der auf Wandteppichen und Kissen einerseits mit Fotografien aus der Firmengeschichte, andererseits mit Film-Stills von Tortenschlachten bebildert ist.
Dem Backen ein Denkmal setzen
Rosa Luckow hat die Geräusche der Bäckerei zu einer Sound-Installation verdichtet. Das Berliner Team von Pegasus Products mischt einen sehr speziellen Teig an: Darin kann man seinen linken Fuß nachformen lassen und den "Phantomfuß" dann, mitsamt Socken, als Stellvertreter überall dorthin schicken, wohin man es selbst nicht schafft.
In lebendes Backwerk - von der Breze bis zum Blütenbrot - hat sich wiederum Claudia Holzinger in ihrer grotesk-pointierten Foto-Serie "Seepferdchen mit Schürze" verwandelt. In verblüffenden Body-Painting-Inszenierungen ahmt sie außerdem Alltagsgegenstände aus der Küche nach, bringt darüber hinaus aber auch Szenen einer Ehe objekthaft auf den Punkt.

Eine warm schimmernde Licht- und Raumskulptur baute Tina Haase in der Feinbäckerei aus rund hundert mehrfarbigen Kunststoff-Bäckerkisten (jede Filiale hatte eine eigene Farbe). Die Bildhauerin arbeitet gerne mit "prestigefreiem Material" und beklebte zugleich die Fenster mit zerschnittenen bunten Plastiktüten, was eine fast sakrale Atmosphäre erzeugt.
In zwei Lichtplastiken setzt sie dann noch dem "Bäcker als Bildhauer" ein Denkmal: mit der Nachformung der Teigreste, die jeden Abend übrigblieben. Stark plastisch wird es auch über dem einstigen Schreibtisch im Chef-Büro. Dort hängt ein riesiges Holzmodell der Hand der Bavaria. Damit bezieht sich Gabi Blum nicht nur auf die handwerkliche Tradition, die hier verschwindet, sondern auch auf den neuen Standort der Backstube auf der Theresienhöhe, südlich der Bavaria.
Auf dem vormaligen Back-Areal im Gärtnerplatzviertel indes soll demnächst bezahlbarer Wohnraum entstehen: Die Stadt hat das Areal 2022 gekauft, um die hundert Wohnungen sind geplant. Demnächst rollen hier die Bagger an. Die imposante Föhre und der Magnolienbaum im Hof werden hoffentlich bleiben.
Bis 16. April, Gläserne Backstube (Buttermelcherstr. 16), täglich 11 bis 19 Uhr, Eintritt frei
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