Die Schmuckwoche München zeigt, was zählt
Gold macht gierig. Diamanten sowieso. Das ist die unangenehme Seite von Hochkarätern, deshalb lassen manche ihre Preziosen lieber im Safe. Und die Zeiten sind ja vorbei, als Beatle John Lennon noch frotzeln konnte, die Leute auf den billigeren Plätzen mögen bitte klatschen, die anderen einfach mit ihren Juwelen klappern. Es geht auch anders, ganz anders sogar, denn guter Autorenschmuck ist zwar nicht eben preiswert, aber die alten Materialschlachten sind (fast) Vergangenheit.
Vielmehr geht es um die Idee, die Spielerei, um den guten Fake, um ein Statement - das punziert Karen Pontoppidan ihren Studis an der Münchner Kunstakademie ein -, und natürlich geht es auch um einen außergewöhnlichen Entwurf. Das sieht man jetzt quer durch die ganze Stadt, denn München verwandelt sich gerade wieder zum Schmuck-Dorado.

Bis zum Sonntag, teilweise auch darüber hinaus und unter dem Titel Munich Jewellery Week - samt einer Webseite, auf der alle Veranstaltungen zusammengefasst und sämtliche Orte durch einen Stadtplan leicht zu finden sind. Sehr praktisch: Mittendrin an der Schellingstraße 3 gibt es eine Zentrale, in der man sich informieren, Pläne schmieden, pausieren und plaudern kann.
In der Mia-san-mia-Hauptstadt wird gerne mal übertrieben, doch die Strahlkraft reicht tatsächlich um den Globus. Da könnte es der Schmuck mit dem Fußball aufnehmen. Denn draußen auf der Internationalen Handwerksmesse (IHM) treffen sich die wichtigsten Künstlerinnen und Künstler, die Sammler natürlich, die Kuratoren der bedeutenden Designmuseen, Galeristen und Händler.

Entsprechend wird das Angebot immer umfangreicher, und oft genug stellen auf Kunst spezialisierte Galerien das Programm im März komplett um und überlassen ihre gut eingeführten Schauräume den Schmuckkünstlern.
Für Zucker-Junkies: ein Armband wie aus der Haribo-Tüte
Bernhard und Hanna Wittenbrink zum Beispiel sind seit mehr als 20 Jahren im Einsatz für die kleineren Formate (Türkenstraße 16). Nach der amüsanten Schau 2024 mit rotzfrechen Arbeiten des Akademie-Emeritus Otto Künzli fiel die Wahl wieder auf einen Schweizer. Und ja, auch an Benedict Haener darf man sich die Zähne ausbeißen.

Der 32-Jährige fabriziert farbenfrohe Panzerketten, Broschen und Ringe, die aussehen, als hätten sie die Produktionshallen von Haribo oder zumindest eine Südzucker-Dependance verlassen. Dabei bestehen die Süß(sauer)waren aus Glas, Kunstharz und Diamanten. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel.
Edles ist ja nicht tabu, das demonstriert genauso Karl Fritsch, bei dem man immer leicht zusammenzuckt. Dass er einen astreinen Diamanten mit einem rostigen Nagel massakriert, gehört bei dem nach Neuseeland ausgewanderten Allgäuer zum Standardschocker. Sein Schmuck ist neben Arbeiten von Michael Sailstorfer, Lisa Walker oder Martino Gamper unter dem launigen Titel "O lecko mio" bei Artcurial (Galeriestraße 2b) ausgestellt.
Wir müssen trotzdem noch einmal aufs "Essbare" zurückkommen. Von einem Trend kann man nicht sprechen, aber eine gewisse Häufung fällt schon auf. Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne zeigt ab Samstag neben dem Schmuck des wirklich prägenden Neuseeländers Warwick Freeman auch Objekte von Studierenden der Kookmin University in Seoul. Und es ist köstlich, was Kuratorin Petra Hölscher wieder herausgepickt hat: Neben einem ansteckbaren Fisch und diversem Krabbengetier fällt vor allem ein Stück Pizza ins Auge. Das ist partytauglich, man kann damit sogar tanzen, denn Gang-yeon Lee hat es so gefasst, dass es am Haken um den Hals baumelt.

Für den Nachtisch bieten sich dann Fran Allisons Törtchen und Pralinen an, das sind hinreißende kleine Broschen, die in der Galerie Handwerk in der Ausstellung "Schmuck der Südlichen Hemisphäre" präsentiert werden (Max-Joseph-Straße 4). Und um dem Begehren gleich den Zahn zu ziehen: unverkäuflich, da Museumsware.
Azit Soltani hat ihr Zuhause immer am Hals
Getränke zum Umhängen gibt es dort zwar nicht, doch immerhin Trinkhalme, die Kaetaeta Watson so kunstvoll geknickt und zusammengerafft hat, dass man sie im 16. oder 17. Jahrhundert glatt als Halskrause hätte hernehmen können. Besser waschbar als das Leinen- und Spitzenzeugs ist das allemal, nur ein bisschen geckig durch den roten Streifen.
An die hundert Ausstellungen gibt es, oft sind es Gruppenpräsentationen, ganz zu schweigen von den zahlreichen Gesprächsrunden, Performances und Touren. Für einen Überblick ist die IHM draußen in Riem immer gut. Zumal dort auch Preiswürdiges gezeigt wird. Und nicht nur Schmuck, sondern überhaupt gutes Design und Handwerk. Für die Jungen ist die Messe eine Bühne mit Sprungbrettcharakter.
Die iranische Künstlerin Azit Soltani etwa wurde 2024 mit dem renommierten Herbert-Hofmann-Preis ausgezeichnet, jetzt richtet ihr die Galeristin Gudrun Spielvogel eine Soloschau in ihrem Kunstkabinett aus (Alramstraße 19/ Eingang Aberlestraße). Soltani
beschäftigt sich mit dem Innen und dem Außen und bezieht sich dabei auf die Architektur ihrer Heimat. Beide Seiten kommen durch "Miniaturmauern" zum Ausdruck, und das durch Spiegel oder typische Ornamente. Häuser sind für Soltani wie Menschen. Das Leben spiele sich schließlich in den vier Wänden ab. Vom Aufwachsen bis zum Ende.
Schmuckwoche München, zentrale Infostelle: Schellingstraße 3, heute, Mittwoch, ab 14 Uhr, Eröffnung 18 - 20 Uhr, Do bis Sa 10 - 18, So 10 - 14 Uhr, Programm und Lageplan auf www.munichjewelleryweek.com
IHM, Schmuck und Design in Halle B1, bis Sonntag 9.30 - 18 Uhr, www.ihm.de
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