Felix Krull im Kino: Reichlich Stoff für Bekenntnisse

Der neue "Felix Krull"-Film von Detlev Buck erzählt die Geschichte nicht nach, sondern neu.
Dirk Heißerer |
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Man weiß von seiner "Begabung zur Liebeslust": Dieses Talent lebt Felix (Jannis Niewöhner) unter anderem mit Zaza (Liv Lisa Fries) aus.
Man weiß von seiner "Begabung zur Liebeslust": Dieses Talent lebt Felix (Jannis Niewöhner) unter anderem mit Zaza (Liv Lisa Fries) aus. © picture alliance/dpa/Warner Bros/Bavaria Filmproduktion

Felix Krull ist ein Phantom. Der Hochstapler geisterte als Romanfigur in mehreren Fassungen von 1910 bis 1954 durch das halbe Leben seines Autors Thomas Mann und blieb am Ende doch nur ein Fragment. Es gibt einen Krull-Film von 1957 mit Horst Buchholz und eine Fernsehserie von 1981. Man weiß also längst, wie Krull vom Rhein über Paris nach Lissabon kommt, kennt sein schauspielerisches Talent, seine "Begabung zur Liebeslust" und weiß, wie "der prickelnde Goldsaft" des Champagners sein "ganzes trügerisches Leben" bestimmt.

Der neue Film (Regie: Detlev Buck) nimmt nur kurz Anlauf. Die Steinerne Brücke in Regensburg spannt sich über die Seine, die Münchner Residenz wird zur Hotelfassade. Dann geht die Post ab, in jeder Hinsicht. Alles ist ein wenig übertrieben, doch das hat Gründe.

Der bekannte Stoff neu erzählt

Das Drehbuch des Regisseurs und des Erfolgsautors Daniel Kehlmann geht neue Wege: Es wird nicht nacherzählt, sondern neu erzählt. Es bleibt nicht bei treffenden Zitaten aus dem komischen Roman. Sentenzen werden fortgesponnen ("Nicht aus der Rolle fallen"), als wär's ein Stück von Thomas Mann. Ein kühner Spaß: Die Krull-Geschichte wird auf ihren Kern, den Tausch der Identität, reduziert, die Handlung umgestellt und neu aufgebaut.

Worum geht's? Aus dem Schulabbrecher Felix ist im Pariser Grandhotel der Liftboy und Kellner Armand geworden, der sich auf Wunsch der reichen Madame Houpflé spielerisch in einen Dieb und dank der Hehlerware in einen perfekt gekleideten Gentleman verwandelt.

Vor einem Café erzählt der schöne Felix (Jannis Niewöhner) dem jungen Marquis Louis de Venosta (David Kross) im Rückblick sein Leben. Dem tragikomischen Marquis droht wegen seiner Liebe zu der Revuesängerin Zaza die Enterbung. Geschickt bringt Felix ihn dazu, mit ihm die Existenz zu tauschen und für ihn auf Weltreise zu gehen. Im Roman lachen die beiden über sich als Doppelfigur "Armand de Kroullosta", im Film spiegeln sie sich in Dreiecksverhältnissen.

Felix Krull: Das Hamlet-Trio bleibt nicht allein

So erhält schon zu Beginn die kreischende Feier im Garten des rheinischen Sektfabrikanten Engelbert Krull am Vorabend von dessen Konkurs und Selbstmord eine besondere Note durch den Verweis auf Hamlet. Dadurch schlüpfen Vater Krull (Michael Maertens), der Pate Schimmelpreester (Max Hopp) und die Witwe Krull (Annette Frier) unversehens in neue Rollen, die Felix listig mit dem entsprechenden Schuldappell für sein weiteres Fortkommen zu nutzen weiß.

Das Hamlet-Trio bleibt nicht allein. Das "Freudenmädchen" Rosza, Felix' erste Geliebte, und Zaza, die Geliebte Venostas, sind jetzt nur noch die eine Figur Zaza (Liv Lisa Fries), die zwischen zwei Männern schwankt. Die schöne Zaza liebt Felix und er liebt sie. Sie steckt zwar in einem alten Kostüm, denkt und spricht aber wie eine junge Frau von heute.

Und sie legt ab. In einem erotisch-humorvollen Glanzstück bereitet sie Felix auf die Musterung vor, die er als Simulant grandios übersteht. Schweren Herzens verzichtet Zaza jedoch auf eine Zukunft mit Felix und nimmt lieber den reichen Marquis. Felix wiederum wechselt mit erstaunlicher "Spannkraft" von Zaza zu Madame Houpflé (Maria Furtwängler), die vielleicht etwas zu sehr auf die sexuellen Wünsche einer einsamen älteren Frau reduziert wird. Die vergebliche Liebe zu Felix teilt Madame unwissentlich mit dem schottischen Lord Kilmarnock (Anian Zollner), der ihm sexuelle Avancen macht. Die drei gehen traurig auseinander.

 Ein Schelmenstück der besonderen Art 

Auch die für Felix-Armand schwärmende Teenagerin Eleanor Twentyman (Harriet Herbig-Matten) bildet mit Felix und dem Kellner-Despoten Stanko (Nicholas Ofczarek) ein seltsames Trio. Felix, von Eleanor aufs Zimmer gelockt, zeigt ihr die Grenze der Schicklichkeit. Als sie dann beobachtet, dass Stanko Felix droht, bewährt sich ihre Liebe und sie sorgt dafür, dass Stanko rausgeworfen wird. Felix muss fliehen.

Ihn fängt Professor Kuckuck (Joachim Król) auf, der Felix-Venosta im Zug nach Lissabon in einem berühmten Gespräch das Leben von den Urzeiten her und als flüchtige "Episode" erklärt. Zazas schönes Gesicht wird das Bild dafür. Höhepunkt des Films ist in Lissabon aber nicht das neue Liebestrio aus Felix, Madame Kuckuck (Désirée Nosbusch) und Tochter Zouzou (Deleila Piasko), sondern die Audienz beim König (Christian Friedel).

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Das ist ein Schelmenstück der besonderen Art - diese Audienz ist die wahre Probe auf Krulls Kunst des schönen Scheins und überzeugt weitaus mehr als im Roman. Buck und Kehlmann stapeln hoch, aber ihre Rechnung geht humorvoll und spielfreudig auf. Großes Kino, elegante Kunst, mit Lust und Leid und fast schon echten Tränen.

Kinos: Arri, Cadillac & Veranda, Gloria, Solln, Leopold Kinos, Mathäser, Rio, R: Detlev Buck (D, 114 Minuten)

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