Familientreffen in Venedig: Dafür werden Filme gemacht
Wie organisiert man ein Familienfest? Man lockt mit einem reizenden Anlass und verspricht jedem, dass der jeweils andere Wichtige schon zugesagt hätte, sodass eine Art Gruppenzwang des Sehens und Gesehenwerdens entsteht.
So ungefähr muss man sich die Arbeit von Biennale-Direktor Alberto Barbera vorstellen. Der lockende Anlass ist ein Programm, das im Nachhinein das pandemiebedingt verspätete Cannes-Festival im Juli nur wie den netten Auftakt der Wiederbelebung des Kinos nach Corona wirken lässt - und jetzt Venedig als die "Serenissima" des Films, die "allerwürdigste" Filmstadt.
Penélope Cruz als ungewollt schwangere Frau
Barbera hat ein Programmgeflecht aus 50 Hauptfilmen geschaffen, dem man sich schwer entziehen kann - nicht nur mit den 21 Filmen, die im Wettbewerb um die Goldenen Löwen stehen. So lädt er gleich Pedro Almodóvar zur Eröffnung ein. Der bringt natürlich seine ihm seit 1997 ("Live Flesh") treue Hauptdarstellerin Penélope Cruz mit, die in "Madres paralelas" eine ungewollt Schwangere spielt.
Kinohunger: Ticketverkauf für "Dune" legt Server lahm
Sie wiederum bringt Javier Bardem mit, ihren Mann, der im neuen Film "Dune" mitspielt, dem Remake des Klassikers von David Lynch (1984). Regisseur Denis Villeneuve wollte sich mit seinem neuen "Dune" nicht in den Wettbewerb begeben, liefert aber eine prominente Weltpremiere.
So kommt wohl noch eine ganze Riege seiner Stars an den Lido: Timothée Chalamet, Josh Brolin, Charlotte Rampling, Rebecca Ferguson und Stellan Skarsgard. Als die Biennale online den Ticketverkauf eröffnete, legte "Dune" den Server erst einmal lahm, soviel Kinohunger herrscht.
Ebenso mutlos, weil ebenfalls außer Konkurrenz ist Ridley Scott mit "The Last Duell", wozu Matt Damon, Adam Driver und Ben Affleck kommen. Hollywoods Interesse am Filmfest Venedig hat sicherlich damit zu tun, dass gleich mehrere Oscar-Gewinner der vergangenen Jahre - darunter "Joker" und "Shape of Water" - zuerst in Venedig gezeigt wurden.
Sogar im letzten Jahr gelang es trotz Corona am Lido, dem Ruf als Oscar-Saisonauftakt gerecht zu werden, auch wenn man auf viele "Familienmitglieder" vor allem aus den USA verzichten musste. Und so feierte man im kleineren, vor allem europäischen Kreis, aber einer der wenigen US-Beiträge, "Nomadland" von Chloé Zhao, wurde dann doch der Oscarabräumer.
Einige US-Regisseurinnen in Venedig am Start
Damit das Programm auch in diesem Jahr nicht zu männlich dominiert ist, sind im Wettbewerb einige US-Regisseurinnen: Ana Lily Amirpour führte Regie bei "Mona Lisa und der Blutmond" mit Kate Hudson, Maggie Gyllenhaal bei "The Lost Daughter" nach der italienischen Bestsellerautorin Elena Ferrante mit Dakota Johnson, Ed Harris und Olivia Colman, die man in den deutschen Kinos ja zurzeit als Filmtochter von Anthony Hopkins in "The Father" bewundern kann.
Aus Neuseeland kommt "The Power of the Dog" von Regie-Veteranin Jane Campion - mit Kirsten Dunst, ihrem Ehemann Jesse Plemons und Benedict Cumberbatch.

Deutschland ist nur als Produktionsland vertreten
Venedig hat das Image eines Filmfamilientreffens, weil hier die Atmosphäre viel märchenhafter, lässiger und intimer ist als im konkurrierenden Cannes mit seinem abgeriegelten Festival-Betonbunker. Auch ist man in Venedig entspannter im Umgang mit Streamingdiensten, während Cannes deren Teilnahme noch strenger ausschließt: Kino, dafür werden Filme gemacht, heißt es da noch, auch wenn in den letzten anderthalb Jahren die Kinos dauernd schließen mussten und das letztjährige Festival an der Cote d'Azur gleich mit.
Einen Film unter deutscher Regie sucht man in den Hauptreihen des Wettbewerbs und der "Orizonti" vergebens. In den letzten Jahren waren hier Florian Henckel von Donnersmarck ("Werk ohne Autor") und Julia von Heinz ("Und morgen die ganze Welt"). Als Produktionsland aber ist Deutschland mit dem Film "Spencer" vertreten, den der Chilene Pablo Larraín überwiegend in Deutschland gedreht hat mit Kristen Stewart als Lady Di.
Penélope Cruz auch in Satire übers Filmgeschäft dabei
Und damit die trotz allem Defätismus doch patriotischen Italiener zufrieden sind, laufen fünf italienische Filme im Wettbewerb, darunter einer von dem oscar-prämierten Paolo Sorrentino: Nach "La grande bellezza" (2013) ist jetzt "Die Hand Gottes" zu sehen, ein ebenfalls autobiografischer Film über eine Jugend im Neapel der 80er-Jahre.
Am Lido aber wird in diesem Jahr Penélope Cruz der Star der Herzen sein, auch weil man hier ihre Präsenz gleich doppelt nutzt: Im Wettbewerb läuft auch noch der Film, der den Wettbewerb im Titel trägt: "Competencia Oficial", was eine Satire über das Film- und Festivalgeschäft sein soll. Soviel Selbstironie muss sein. In dieser spanisch-argentinischen Produktion spielt Antonio Banderas mit, ein weiterer Almodóvar-Zögling, und eben wieder: Penélope Cruz.
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