Amazon-Film "Songbird": Wer rausgeht, wird erschossen!

Wenn die Hygienebehörde zweimal klingelt: Im Amazon-Film "Songbird" dauert die Covid-Quarantäne ewig.
Michael Stadler |
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Die Botschaft ist klar: "Lasst uns raus". Aber da draußen lauert das tödliche Virus Covid-23.
Die Botschaft ist klar: "Lasst uns raus". Aber da draußen lauert das tödliche Virus Covid-23. © Foto: Amazon Prime

Angesichts der nicht allzu fernen Zukunft, die dieser Film ausmalt, ähnelt die derzeitige Lockdown-Situation einem Kindergeburtstag. "Falls Sie das Haus verlassen, werden Sie erschossen!", verkündet die von der Behörde für Hygieneschutz ausgesandte Armee bei ihren Fahrten durch die Wohngegenden von Los Angeles. "Melden Sie, falls Ihr Nachbar gegen den Lockdown verstößt!", lautet der Aufruf zur Denunziation. Wobei so ähnlich hat man das ja schon in der Gegenwart gehört…

Mason und Boyes schrieben in drei Tagen das Skript

Songbird" von Regisseur Adam Mason rühmt sich, der erste Hollywoodfilm zu sein, der während des ersten Lockdowns gedreht wurde und dabei sogar Covid-19 als Thema hat. Tatsächlich haben die Macher extrem schnell auf den Ausbruch der Pandemie reagiert: Bereits im März 2020 dachte Drehbuchautor Simon Boyes über einen dystopischen Virus-Action-Film nach. Er konnte seinen langjährigen beruflichen Weggefährten, Regisseur Adam Mason, an Bord holen, mit dem er zuvor an Horrorfilmen wie "Hangman - Welcome Home!" (2015) zusammengearbeitet hatte.

Michael Bay, der unter anderem die "Transformers"-Reihe verantwortet und aus "Pearl Harbor" ein schnittiges Actionspektakel gemacht hat, ließ sich ebenfalls von der Idee infizieren, dann schrieben Mason und Boyes in drei Tagen das Skript. Gedreht wurde im Juni und Juli.

Covid-23  greift auch das Gehirn massiv an

Der Film entführt in aller handkamerawackelnden Rasanz ins Los Angeles des Jahres 2024. Seit 213 Wochen herrscht der Lockdown, 110 Millionen Menschen sind mittlerweile gestorben und zwar nicht an Covid-19, sondern an der aktuellen, noch gefährlicheren, überall in der Luft herumschwirrenden Variante Covid-23.

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Nicht nur die Atemwege, auch das Gehirn greift Covid-23 massiv an. Wer sich diesen Virus einfängt, stirbt innerhalb von 48 Stunden. Per Smartphone muss man sich deshalb selbst regelmäßig in Sekundenschnelle testen. Fällt der Test positiv aus, rückt die Hygiene-Polizei an, um Infizierte abzutransportieren. Ziel der Reise sind die "Q-Zones": Quarantäne-Lager, wo die Kranken ihrem Schicksal überlassen werden.

Ehepaar treibt illegale Geschäfte mit Immun-Bändern

Nur ein paar "Immunies" haben das Glück, das der Virus ihnen nichts anhaben kann. Einer von ihnen ist Motorrad-Kurier Nico (K.J. Apa). Als eine Art Amazon-Bote deluxe brettert er durch die Einöde von L.A. und liefert ominöse Pakete an besonders reiche Bürger. Zu seinen Kunden gehört ein Ehepaar (Bradley Whitford und Demi Moore), das illegale Geschäfte mit Immun-Bändern treibt.

Wer so ein Band trägt, darf sich frei bewegen, ja, der könnte diesem ganzen Schlammassel entfliehen und Richung Küste düsen. Für Nico wird das interessant, als die Oma seiner Online-Liebe Sara (Sofia Carson) verdächtig zu husten anfängt. Bald klingelt die Hygienebehörde…

Nicht immer logisch, aber ein trashiges Vergnügen

Dass dieses schnell zusammengeschusterte B-Movie, gedreht unter dem Produktionsdach von Hollywoods schlimmsten Mainstream-Produzenten, für Arthouse-Fans kein großer Genuss sein wird, sondern als brandaktueller Virus-Exploitation-Film sämtliche Bedenken, was Angemessenheit oder Logik angeht, munter beiseite fegt, ist keine Überraschung.

Aber trashiges Vergnügen bereitet "Songbird" schon, weil er mit schnoddriger Schnelligkeit (Laufzeit: 85 Minuten) einfach mal ein paar Figuren ins verschärfte Katastrophenszenario hineinwirft und die einzelnen Fäden virtuos miteinander verknüpft, inklusive einer hochromantischen, da total platonischen Pandemie-Romanze. Denn Nico und Sara kennen sich bislang nur über Bildschirme, haben sich also noch nie berührt, dürfen aber immerhin durch eine Wohnungstür liebe Worte austauschen: "Das ist, als ob ich dich durch diese Tür spüren kann."

Demi Moore in Mutterrolle: Identifikationsfigur für besorgte Eltern 

Demi Moore ist als Mutter, deren Tochter stark virus-gefährdet ist, eine ausgezeichnete Identifikationsfigur für besorgte Eltern: "Wir versuchen nur alle, die Menschen zu beschützen, die wir lieben".

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Und Peter Stormare dreht als Chef der Gesundheits-Behörde wunderbar auf. Einst arbeitete er als Müllmann, nun ist er bis an die Spitze der Hygiene-Leiter empor geklettert, und weil er wie Nico ein "Immunie" ist, darf er behaupten: "Wir sind Götter!"

Entkoppelt von der Wirklichkeit: Kann man diesen Film ernst nehmen?

Einen Handschlag bietet der schräge Boss dem aufrechten Kurier an: "Fühlt sich gut an, nicht wahr?" So reicht auch dieser Film einem die Hand und hat ein bisschen Lockdown-Eskapismus auf Lager. Nicht, weil er der Pandemie ausweicht, sondern die Virus-Angst völlig überdreht. Angesichts der realen Kranken und Toten kann man das geschmacklos finden, aber der Film ist so entkoppelt von der Wirklichkeit, dass man ihn nicht ernst nehmen kann. Vielleicht brauchen wir ja derzeit solche Filme, die sich nicht mit Grübeleien aufhalten, sondern direkt am Hirn vorbei buchstäblich ins Auge gehen. Die Botschaft könnte jedenfalls nicht aufmunternder sein: "Gib niemals auf!"

Abrufbar auf Amazon Prime

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