Das Streit-Schloss

Vorwärts in die Vergangenheit: Francesco Stellas Berliner Prestigebau
von  Abendzeitung

Vorwärts in die Vergangenheit: Francesco Stellas Berliner Prestigebau

Nach der Entscheidung im Architekten-Wettbewerb für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses flammt die Kritik an dem Bauprojekt wieder auf: Der frühere Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, sagte im Deutschlandradio Kultur, er habe sich eher eine zeitgenössische Interpretation gewünscht. Berlin und der Bund hätten den Wettbewerb aber von vornherein auf das Schloss mit seinen Barockfassaden begrenzt. „Wer ein Spiegelei bestellt, kriegt ein Spiegelei.“

Zudem gibt es Kritik an dem Kostenrahmen für den Neubau des alten Stadtschlosses der Hohenzollern, dessen Ruine 1950 von der DDR-Führung gesprengt wurde. Der Bau des Humboldt-Forums mit der barocken Schlossfassade soll 552 Millionen Euro kosten. Davon trägt der Bund allein 440 Millionen Euro, der Schlossverein versucht, 80 Millionen Euro Spenden für die Barockfassaden zu sammeln. Ob dies ein „politischer Preis“ ist, der zwar den Baubeginn ermöglicht, aber dann – wie von vielen Experten befürchtet – nicht mehr zu halten sein wird, werden die kommenden Jahre zeigen. Für den Steuerzahler könnte sich das Lieblingsprojekt Berliner „Geschichtsfanatiker“ („Die Zeit“) zum Milliardengrab auswachsen.

Ein Italiener sorgt für Preußens neues Gloria

Eine Jury aus Architekten und Politikern hatte sich am vergangenen Freitag einstimmig für den Entwurf des italienischen Architekten Francesco Stella entschieden. Dieser sieht mit Barockfassade und Kuppel für die frei zu gestaltende Spreeseite des Humboldt-Forums eine Galerie zum Promenieren vor.

Die vorgesehene Kassettenfassade sei auch als eine Reverenz an den DDR-Palast der Republik gedacht, wie der Juryvorsitzende Vittorio Lampugnani sagte. Das in den 70er Jahren auf dem Gelände des zerstörten Stadtschlosses entstandene Gebäude war nach einer Asbest-Sanierung abgetragen worden.

Das Gähnen

Der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt beklagte im „Spiegel“: „Mich gähnt hier die Langeweile des italienischen Rationalismus an.“ Der Berliner Architekt Philipp Oswalt sagte dem „Tagesspiegel“, der Entwurf von Stella reflektiere auf keine Weise die Geschichtlichkeit des Ortes. „Der Baukörper wird zum Solitär, der sich autistisch gegenüber seinem Kontext verhält.“

Der frühere Berliner Kultursenator Christoph Stölzl (CDU) schrieb hingegen in der „Berliner Morgenpost“ (Sonntag): „Die Schönheit der Außenhaut nach barockem Vorbild wird bald alle Kritiker verstummen machen.“

Bauen wird immer teurer als geplant

Noch aber muss der Bundestag dem ganzen Projekt erst grünes Licht geben. „Normalerweise folgen die Abgeordneten dem Urteil der Jury“, sagte die Sprecherin von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee. In das Gebäude sollen die ethnologischen Sammlungen der Berliner Museen, eine Auswahl aus den Archiven der Humboldt-Universität sowie Bestände der Berliner Zentral- und Landesbibliothek einziehen. Nach „Tagesspiegel“-Informationen droht Stellas Entwurf allerdings deutlich teurer als der vorgegebene Rahmen zu werden. Das wird in Tiefensees Ministerium jedoch bestritten.

Auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) befürchtet, „dass die veranschlagten 500 Millionen Euro für den Neubau nur der Einstiegsbetrag für die Steuerzahler sind“. Tiefensee zeigte sich überzeugt, dass das Bauprojekt am Berliner Schlossplatz weltweite Beachtung finden wird. Eines aber ist gesichert: Der ursprüngliche Plan – Baubeginn 2010, Einweihung 2013 – ist wohl unrealistisch.

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