Salzburger Festspiele: Es staubt und raschelt im "Bergwerk zu Falun"
Johann Peter Hebel hat in "Unverhofftes Wiedersehen" die Geschichte des an seinem Hochzeitstag verschütteten Bergmanns, der - in Vitriol konserviert - nach 50 Jahren von seiner zur Greisin gealterten Braut wiedererkannt wird, ultimativ verarbeitet. Ihm genügen dazu zwei knappe Seiten, kein Wort ist überflüssig. Trotzdem hielt E.T.A. Hoffmann eine Langfassung samt Bergkönigin und weiteren romantischen Requisiten für notwendig. Und der noch schwatzhaftere Hugo von Hofmannsthal kippte noch einen vollen Eimer Fin-de-Siècle-Psychologie drüber.
Über dieses "Bergwerk zu Falun" des Mitbegründers der Salzburger Festspiele und seine literarischen Spiegelungen lassen sich tolle wissenschaftliche Aufsätze schreiben. Allerdings traute der Hofmannsthal seinem Werk nicht wirklich: Er veröffentlichte zu Lebzeiten nur Teilstücke. Wenn die fünf Akte des dann erst 1948 uraufgeführten und seither so gut wie nie nachgespielten Dramas nun auf die Bühne des Landestheaters gelangen, dann staubt und raschelt die Gesamtausgabe ganz gewaltig.
Einige Bekannte aus der Ära Johan Simons
Noch am ehesten ist theaternostalgischen Münchnern ein Besuch der pausenlosen 90 Minuten von Jossi Wielers Inszenierung anzuraten. Denn in Salzburg trifft man mit Hildegard Schmahl, Sylvana Krappatsch und André Jung drei alte Bekannte aus der schon länger verflossenen Ära Johan Simons an den Münchner Kammerspielen. Sie und ihre Kollegen drehen den hochpoetischen Text auf eine traurige Schnoddrigkeit herunter, die bisweilen mit Hall versehen und verstärkt in seiner Verständlichkeit verbessert wird.
Die 81-jährige Schmal ordnet ganz hinreißend ihre üppige weiße Frisur, wenn sie als junges Mädchen in einer Hafenkneipe Elis Fröhbom vom Ruf des Berges ablenken will. Leider ist sie als Großmutter später mehr für raunende Prophezeiungen zuständig.
André Jung geistert als entsorgungsbereiter Alt-Geliebter der Bergkönigin über die Bühne, die von Sylvana Krappatsch androgyn verkörpert wird, wobei sie noch den von Hofmannsthal dem Stoff hinzugefügten Knaben gleich mit übernimmt.
Damit wird fast schon zu deutlich, was den Dichter umtrieb: Der Weltschmerz, der Elis Fröbom beziehungsunfähig macht und in den Berg zieht, ist eine unausgelebte Homosexualität, die ihn - soviel Küchenpsychologie darf nach 100 Jahren Hofmannsthal-Forschung erlaubt sein - mehr mit dem Autor verband und die sich im "Bergwerk zu Falun" mit viel Lyrik und etwas Theaterdonner aus dem Wiener Zaubertheater von Ferdinand Raimund maskiert.

Zwischen Aufbruch, Erlösung - und Todessehnsucht
Wir mögen in vielem nicht über die vorletzte Jahrhundertwende hinausgekommen sein. Aber das ehemalige Problem Homosexualität ist im vielkritisierten Westen heute keines mehr.
Jossi Wieler bleibt daher nicht viel mehr, als schwerblütige Figuren wie Beckett-Epigonen gebeugt durch das staubige Nichts auf der Bühne schlurfen zu lassen. Dort bauen sie als Theraphiegruppe Sisyphus Hohlblocksteine zu Mauern auf, die bald wieder umgeworfen werden (Bühne: Muriel Gerstner).
Marcel Kohler erinnert als Elis ein wenig an den "Jedermann" von Lars Eidinger: ein etwas verspielter, mal strenger schwarzer Pop-Poet in der Nachfolge von Nick Cave. Zu den scheintoten Düstermännern und -frauen kontrastiert die von Lena Ruckpaul frisch gespielte blonde Anna. Sie will den bleichen Frobohm durch Zuneigung erlösen, was den geübten Opernbesucher unweigerlich an Senta erinnert.
Was nicht falsch ist: Richard Wagner wollte zeitweise das "Bergwerk zu Falun" für einen vom "Fliegenden Holländer" begeisterten Kollegen in einen Operntext verwandeln.
Immerhin erliegt Anna in Salzburg anders als bei Hofmannsthal nicht den Verletzungen ihres Erlösungsgeschäfts: Am Ende der Inszenierung sitzt sie aufbruchsbereit allein vor dem Vorhang, während hinter ihr das Bergwerk zusammen mit dem todessüchtigen Personal zum zweiten Mal einstürzt.
Verklemmter Mystizismus mit sprachlichen Schönheiten
Sie scheint sich dabei aus einer kreisenden Zeitschleife zu befreien, die Wieler unter Einbeziehung einer Fortschreibung von Hebels Erzählung bis hart an die Gegenwart andeutet.
Selbst wenn der Regisseur den Text Hofmannsthals noch drastischer als Material verwendet hätte: Trotz vieler sprachlicher Schönheiten ist dieser verklemmte Mystizismus für das Theater nicht zu retten.
Der beste Teil, der erste Akt, ist in dem seit 1911 immer wieder neu aufgelegten Band "Gedichte und kleine Dramen" gut aufgehoben. Wer Hofmannsthal jenseits der Opernlibretti als Dramatiker neu entdecken will, halte sich besser an den ebenfalls so gut wie ungespielten "Schwierigen" oder den "Turm".
Wieder am Montag und am 11., 13., 17., 19. und 21. August, jeweils 19.30 Uhr im Salzburger Landestheater
Karten: www.salzburgfestival.at
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