"(R)Evolution" im Metropoltheater: "Alecto, was will ich?"

Jochen Schölch inszeniert im Metropoltheater eine vergnügliche "(R)Evolution".
Volker Isfort
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Tatjana (Mara Widmann, rechts) vertraut Alecto (Katharina Müller-Elmau), aber die gibt alle Daten weiter.
Foto: Jean-Marc Turmes Tatjana (Mara Widmann, rechts) vertraut Alecto (Katharina Müller-Elmau), aber die gibt alle Daten weiter.

Die schöne neue Welt hat ihre Tücken: Der Kühlschrank lässt sich nicht mehr öffnen, weil er behauptet, die tägliche Kalorienzufuhr sei schon erreicht. Das Bett ist mit dem Fernseher eine Verbindung eingegangen und befiehlt dem Besitzer eine Nachtruhe ohne TV-Programm, weil er sonst zu unruhig schlafe. Und längst weiß die in jedem Haushalt schaltende und zuhörende Alecto mehr über die Menschen als diese über sich selbst.

"(R)Evolution" haben Yael Ronen und Dimitrij Schaad ihre Zukunftsvision für das Jahr 2040 genannt. Doch wer jetzt gleich an Orwellsche Unerbittlichkeit denkt, liegt falsch.

"(R)Evolution" im Metropoltheater: Ein mit Witz und Verve gespieltes Boulevardstück

In der Inszenierung von Jochen Schölch am Metropoltheater wird aus der intelligenten Farce über die neue Unmündigkeit und digitale Versklavung ein mit Witz und Verve gespieltes Boulevardstück der gehobenen Unterhaltungsklasse. Schließlich haben die Protagonisten auf der an eine Raumkapsel anspielenden Bühne ja auch in der Zukunft noch immer ganz menschlichen Probleme. Lana (Vanessa Eckart) möchte mit Rene (Jakob Tögel) ein Kind, kann sich bei Dr. Frank (Hubert Schedlbauer) aber nicht auf den Optimierungsgrad einigen: IQ, Größe, Nasenlänge? Welche drei Krebsarten aus dem Immun-Basispaket soll man aussuchen? Und ist wirklich alles schlecht, was Frank biologisch zu bieten hätte?

Renes Ex-Freundin Tatjana (Mara Widmann) hingegen blickt in eine düstere Zukunft, die ihr die maliziöse Alecto (Katharina Müller-Elmau) aufzeigt: Sie ist emotional an ihre Mutter gebunden, die aber bald sterben wird. Also wird Tatjana in ein Loch fallen und durch mangelnde Arbeitsleistung Job und Wohnung verlieren, was die Bank schon jetzt einkalkuliert hat. Nicht mal mit Zungenerkennung kommt Tatjana noch an ihr Geld, um ihr Alecto-Abo abzugraden. Da ist der mögliche Schritt zur Verzweiflungstat nicht mehr weit, wie Katharina Müller-Elmau und Mara Widmann in einer grotesken Glanznummer durchspielen.

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Und Dr. Frank muss erfahren, dass seine Beziehung zu Ricky (Marc-Philipp Kochendörfer) nicht so harmonisch ist, wie er sich vorgelogen hat. Nur Alecto kennt die Fakten, schließlich hat sie jahrelang Daten über Blickkontakte und Redeanteile gesammelt. Wer sollte ihr Urteil anzweifeln? Und wer sollte ohne sie überhaupt noch wissen, was er eigentlich will?

"(R)Evolution": Selten haben Dystopien so viel Spaß gemacht

Schon vor dem Stück hatte Katharina Müller-Elmau die Zuschauer "gewarnt", dass sich nun auch das Metropoltheater per automatischer Gesichtserkennung und Blutdruckmessung der Zuschauerüberwachung bediene, um genauer auswerten zu können, was denn gut ankomme. Im Fall von "(R)Evolution" ist das auch ohne Zukunftstechnik greifbar: Selten haben Dystopien so viel Spaß gemacht. Und so verlässt man beschwingt das Metropoltheater und freut sich künftig über jedes Funkloch und jede bayrische Offline-Oase.


Alle Aufführungen im Juli ausverkauft, Info unter metropoltheater.com

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