Erwin Pelzigs Kabarett-Solo "Weg von hier" - Kritik

Erwin Pelzigs zorniges Solo "Weg von hier" geht im Circus Krone in die zweite Runde. Was die Zuschauer erwartet.
Mathias Hejny |
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Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig.
ho Frank-Markus Barwasser als Erwin Pelzig.

München - Manche Momente in diesen bis zum Durchgeknalltsein furiosen drei Stunden drängen durchaus die Frage auf, was es ist, was man da sieht. Ein an der Gegenwart radikal verzweifelter Endfünfziger? Wohl gar ein zwischen rechts und links irrlichternder Populist? Oder doch einen der letzten Überlebenden der europäischen Aufklärung?

Erwin Pelzig trägt den Philosophen Immanuel Kant und seine Moral so selbstverständlich in sich wie das Cordhütli auf dem Kopf und das längst aus der Mode geratene Herrenhandtäschle in der Hand. Kants Kategorischen Imperativ vom individuellen Verhalten, das im Idealfall ein allgemein gültiges Gesetz sein könnte, stammelt er am Ende des Abends brüchig hervor und fasst ihn zusammen zum Gebot "Sei kein Arschloch!"

Zorniges Kabarettsolo "Weg von hier"

Sein Kabarettsolo "Weg von hier" macht ungnädig klar, dass wir im frühen 21. Jahrhundert von den zivilisatorischen Entwürfen des 18. Jahrhunderts soweit weg sind wie schon lange nicht mehr. Vom im vergangenen Jahr nach langer Abwesenheit auf den Markt gebrachten Solo legte er nun ein Upgrade vor.

Einer der Anlässe dazu war die bayerische Landtagswahl vom letzten Sonntag. Mit der kurz vor dem Münchner Gastspiel im Circus Krone angekündigten Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern werde sich in Bayern nichts, aber auch gar nichts ändern, wetterte Pelzig, der das Alter ego des inzwischen nach Rheinland-Pfalz emigrierten Franken Frank-Markus Barwasser ist. Über die SPD wolle er sich nicht äußern, denn Störung der Totenruhe ist ein Straftatbestand.

Ätzende Parteienkritik

Die Grünen missfallen wegen allseitiger "Paarungswilligkeit", was dem "Fußamputierten der Phantomschmerz ist, ist der FDP der Wunsch nach Charakter" und die AfD-Spitzenfrau Beatrix von Storch lässt ihn an den Edgar-Wallace-Krimi "Die toten Augen von London" denken.

Der aktuelle Teil dauert eine knappe halbe Stunde und ist bereits zornig ätzendes Intensivbrettl, dient Frank Markus Barwasser aber nur zum Warmspielen. „Die CSU steht in unserer Parteienlandschaft wie eine vom Jäger angeschossene Wildsau im Wald, von der man noch nicht weiß, ob sie auf den nächsten Jogger losgeht oder nicht doch lieber in Würde verenden möchte“, sagt er. Über die anderen christsozialen "Hochbegabten" wie Söder, Dobrindt oder Scheuer arbeitet er sich aufs Weltniveau vor zu den "Anti-Europäern" in Polen und Ungarn, die die EU plündern, dann weiter zu Trump und Erdogan.

Im zweiten Teil sind die Internet-Konzerne dran

Im zweiten Teil knöpft er sich mit hellwacher Intelligenz die künstliche Intelligenz vor und die unangreifbare Macht gieriger Internet-Konzerne wie Google und Facebook. Immer, wenn es scheint, der empörte Mann im Trachtenjanker schmiert in populistisches Gezeter ab, findet er einen feinen Kniff, da heraus zu kommen. Manchmal hilft auch der gute alte Kant. Glanzpunkte der ebenso aggressiven wie komischen Welterklärungs-Show sind Barwassers schauspielerisch großartige Stammtischrunden mit Pelzig und seinen Zechkumpanen Hartmut und Dr. Göbel.

Zum überaus krachenden Finale bekommt der bildungsbürgerlich betuliche Herr Doktor die ganz große Wahnsinnsarie über die globale Verantwortung des Konsumenten.

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